Als Chefökonom der Raiffeisen Gruppe hat sich Martin Neff mit pointierten Analysen der Weltwirtschaft einen Namen gemacht. Per 1. Juli gab er sein Amt an Fredy Hasenmaile ab. Doch von Ruhestand ist bei dem 63-Jährigen keine Spur. Ganz im Gegenteil wird Neff nun als Co-Gründer des Start-ups Lokavor aktiv, einer Plattform für Nahversorger. Neff setzt das Projekt mit Malte Schwinger um, einem Kommilitonen von der Uni Konstanz. «Nach 30 Jahren haben sich unsere Wege wieder gekreuzt», sagt Neff.
Schwinger ist Chemiker, hat aber schon 1995 ein Onlinemarketing-Start-up gegründet und erfolgreich verkauft. Neff ist Mitgründer, Business Angel und Verwaltungsratspräsident. Laut Neff gibt es keine vergleichbare Plattform zum Thema «Local Food», die umfassend informiere und intuitiv zu bedienen sei. Auf Lokavor kann sich etwa der Metzger für wenig Geld im besten Licht präsentieren. Der Kunde wiederum kann Anbieter in der Nähe lokalisieren, das Angebot checken, gleich über die App vorbestellen und einiges mehr.
«Wir machen digitales Marketing für die Ladentheke. Und zwar so einfach, dass der Lehrling es am Smartphone für den vielleicht nicht so technikaffinen Chef übernehmen kann», sagt Martin Neff.Ein altruistischer Gedanke schwingt beim Projekt mit. «Die Local Food Chain ist extrem unausgewogen, die Hauptmacht liegt beim Verteiler, dann kommt der Konsument. Am schlechtesten kommen die Produzenten weg, da wollen wir eine gewisse Gerechtigkeit», so Neff. Auch Foodwaste wird sich mit der App durch bessere Planbarkeit und Aktionen für Restware reduzieren lassen.
Die Gründer denken durchaus gross. «Wir hoffen langfristig, 10 bis 15 Prozent der kleinen Lebensmittelanbieter zu erreichen», sagt Neff. Nach dem Roll-out in der Schweiz und Deutschland ist die Expansion in ganz Europa geplant. «Unsere Plattform ist einfach skalierbar, es braucht nur eine Übersetzung», sagt Neff. Neben der deutschen Version existiert schon eine Beta-Version auf Englisch und Serbokroatisch, da das IT-Team unter dem dritten Mitgründer Sinisa Avramovic in Novi Sad stationiert ist.
Mittelfristig sollen sich 160 000 Firmen auf der Plattform tummeln. Alleine in Deutschland gebe es mindestens 650 000 Betriebe, welche die Plattform nutzen könnten – in Europa seien es über vier Millionen. Läuft alles nach Plan, wird eine Art Community aus Produzenten und Kunden aufgebaut.Zur Finanzierung der Expansion braucht es noch etwas Geld. Eine erste Seed-Runde mit einem Volumen von einer Million Franken ist für das dritte oder vierte Quartal geplant, hier dürfte Neffs Netzwerk hilfreich sein. Noch dazu investieren die Geldgeber nicht in ein vages Zukunftsprojekt: Die App kann bereits heruntergeladen werden, und einige Lieferanten sind schon aktiv.