Today, through an electronic button, you can empty out deposits overnight. It’s different.» Dies ist der Kommentar des «Wall Street Journal» nach dem Bankrun auf die Continental Illinois, eine der damals grössten amerikanischen Geschäftsbanken – vor genau 40 Jahren im Jahr 1984.

Das Zitat hat zeitlose Qualität. Gibt es einen Bankrun, sind alle überrascht und suchen nach den Ursachen. Nach den letztjährigen Bankenkrisen in den USA und der Schweiz wurde auf Smartphones verwiesen, weil diese es erlauben, rascher Guthaben zu einer anderen Bank zu transferieren und via Social Media Gerüchte zu verbreiten. Ein nächster Bankrun wird – diese Prognose sei gewagt – den neuen Instant-Payment-Systemen angelastet werden, die es Kunden ermöglichen werden, auch an Wochenenden auf ihr Bankkonto zuzugreifen.

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Adriel Jost ist Ex-SNB-Mitarbeiter, Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern und Präsident des Thinktanks Liberethica.

Die Ausgangslage bleibt aber immer die gleiche. Bankruns sind inhärenter Teil unseres Banken- und Geldsystems. Dieses erlaubt es den Banken, sich kurzfristig zu verschulden und langfristig zu investieren, was die Bilanz in ein Ungleichgewicht bringt. Auch dürfen Banken so wenig Eigenkapital aufweisen, dass Verluste rasch die Solvenz in Frage stellen. Und schliesslich hiessen Bankruns schon immer Bankruns, nicht Bankwalks – sprich, sie weisen eine kaum zu kontrollierende Geschwindigkeit auf.

Woher kommt also die Überraschung? Ein Grund liegt darin, dass die Verletzlichkeit des Bankensektors häufig verschleiert wird. Die Behörden sind für die Finanzstabilität verantwortlich. Jede Bankenkrise gilt in der Öffentlichkeit auch als ihre Niederlage. Eine zukünftige Niederlage ist aber keine Option, also werden die Risiken beschönigt. Die Banken wiederum vermeiden die Transparenz, weil sie erstens keine schlafenden Hunde wecken und zweitens die Abhängigkeit vom Staat verbergen wollen, welche die Fragilität mit sich bringt.

Ähnlich ist die Ausgangslage bezüglich der Abwicklungsfähigkeit einer globalen Grossbank. Auch hier klaffen Realität und Kommunikation auseinander. Dieses Dilemma wurde kürzlich deutlich, als Bundesrätin Karin Keller-Sutter in einem Fernsehinterview betonte, dass ihr an einer Tagung des Internationalen Währungsfonds alle Gesprächspartner gesagt hätten, dass eine globale Grossbank nicht abwickelbar sei. Im gleichen Atemzug reichte Keller-Sutter dann nach, dass diese Abwickelbarkeit bei der einzig verbliebenen Grossbank in der Schweiz nun natürlich trotzdem das Ziel sei. Was gilt nun?

Theoretisch hätte eine strategische Ambiguität Vorteile: Wenn Behörden es im Unklaren lassen, ob sie eingreifen werden, wird die Marktdisziplin gestärkt. Sind die Kunden bezüglich der Staatsrettung unsicher, haben sie grössere Anreize, selbst auf die Sicherheit einer Bank zu achten. Allerdings ist diese Strategie nicht glaubwürdig. Der Schaden für die Wirtschaft wäre zu gross, wenn die Staaten nicht eingreifen würden. Immer mehr setzt sich darum der pragmatische Weg durch: Mit möglichst hohen Garantien soll jede Panik schon von vornherein verhindert werden. Doch diese Strategie vergrössert die Fehlanreize weiter und wird immer teurer enden.

Es gibt wohl keine undankbarere Aufgabe, als für die Finanzstabilität verantwortlich zu sein. Die Aufgabe ist unmöglich zu erfüllen, es wird wieder Bankenkrisen und staatliche Eingriffe geben. Die Behörden täten darum besser daran, ehrlich zu sein und die Fragilität des Bankensystems nicht zu verschleiern. Dann hätten vielleicht auch weitgehende Massnahmen, welche die Finanzstabilität tatsächlich erhöhen könnten, politisch eine Chance.

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