Es ist ein generationsübergreifender Stereotyp, der an Stammtischen wie auch in der Chefetage ähnlich emotional diskutiert wird: Die jungen Leute sind arbeitsscheu. Mit etwas weniger Pathos formuliert reicht der Gedankengang, dass die Generation Z nicht mehr so arbeitsam ist, in die Breite der Bevölkerung. Doch was ist da dran?

Laut Deloitte haben vier von zehn Gen-Z-Arbeitende Schwierigkeiten, ihr Potential in der Arbeit voll auszuschöpfen. Darüber hinaus spüren 68 Prozent der Befragten aus der Generation Z und jungen Millennials enormen Stress und haben ein hohes Risiko des gefürchteten Burnouts (34 Prozent). Gen Z ist zudem diejenige Gruppe der Arbeitnehmer, die mental am distanziertesten von ihrem Job ist – satte 78 Prozent der Befragten aus der Generation Z planen einen Stellenwechsel in den nächsten zwölf Monaten. Diese Ausgangslage ist natürlich frappierend, denn Unternehmen verlieren reihenweise junge Mitarbeitende, und diese haben nicht die langfristige Perspektive bei ihrem Arbeitgeber, um dort ihr Potential voll auszuschöpfen.

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Bis 2030 wird die Gen Z ein Drittel der Mitarbeiter in der Schweiz stellen. Wenn sich diese Gruppe ganz besonders und systematisch vom Arbeitsmarkt abgehängt fühlt, dann müssen sich Unternehmenslenker besinnen und Leitplanken für eine gelungene Integration ausarbeiten. Weg vom Fingerzeigen hin zum Dialog, denn die Voraussetzungen für den Erfolg passionierter, junger Leute sind heute mehr denn je gegeben. 

Der Dialog zeigt, dass Gen Z ein eigenes Werteverständnis hat, das neben der Salärhöhe eben auch die Diversität und die Nachhaltigkeit des Unternehmens, die Work-Live-Balance, flexible Arbeitsweisen und die übergeordnete Sinnhaftigkeit der Aufgabe stark mit einschliesst. Ich kenne kein Unternehmen, das nicht passionierte Mitarbeiter möchte, die mit Leidenschaft arbeiten und Sinn in ihrer Tätigkeit sehen. Wenn der Kündigungsgrund Nummer eins von Schweizer Arbeitsnehmern der Gen Z jener ist, dass «ich meine Arbeit nicht als erfüllend oder sinnvoll empfunden habe», dann sollte dies ein Appell an Unternehmen sein, gerade Einstiegspositionen einen tieferen Sinn zu geben.

Max Meister ist General Partner von Koyo Capital mit Sitz Baar, ZG.

Vielleicht als Konsequenz auf den fehlenden Sinn in der eigenen beruflichen Tätigkeit teile ich die Ansicht von Prof. Dr. Katja Rost von der Universität Zürich, die auf eine besorgniserregende Entwicklung hinweist: «Unter den jungen Leuten wird Arbeit öfter als etwas angesehen, was leidbehaftet ist, und dass man danach dringend nach Balance streben muss», führt sie aus. «Quasi wie unter Karl Marx – nur dass dies damals in der Tat so war. Die Vorstellung, dass Arbeit Freude bedeutet und man deswegen gar nicht mehr aufhören möchte, kommt kaum jemanden in den Sinn beziehungsweise passt nicht in das kollektive Narrativ.» Frau Rost sagte mir weiterführend, dass sie nachvollziehen könne, wieso man das Gefühl bekäme, die jetzigen 25 bis 28-Jährigen hätten den Biss verloren. Es würde sich jedoch gerade in der jüngeren Kohorte ein Umdenken und eine Re-Traditionalisierung einstellen. 

Auch hier braucht es Augenmass. Ich persönlich respektiere Menschen sehr, die aufgrund ihres Werteverständnisses handeln und für ihre Überzeugungen einstehen. Der Mut vieler junger Arbeitnehmer, Konsequenzen aus Wertekonflikten zu ziehen, sollte eher Vorbild sein als Grund für Ärgernis – Unternehmen müssen sich in der Breite Lösungen ausdenken, wie sie ein Drittel der Menschheit langfristig eine sinnvolle Karriere bieten können, um die gefragten Digital Natives zu halten. Die erfolgreichen Firmen haben dies schon längst gemacht. Naturkosmetikhersteller Weleda beispielsweise spricht viele Berufseinsteiger mit einer bewussten Offenheit an: So rief CEO Tina Müller ein Reverse-Mentoring ins Leben, bei dem sie von der Gen-Z-Expertin Yaël Meier gecoacht wird und andersherum. Weleda thematisiert offen Themen wie Diversität, Nachhaltigkeit und eben die Sinnhaftigkeit im Job und ist unter jungen Bewerbern sehr gefragt.

Gen Z in der Gründerrolle

Die Frage, ob Gründer aus der Generation Gen Z weniger oder mehr arbeitsam sind, ist nicht die Richtige. Denn klar ist: Die erfolgreichen Gründer müssen mindestens so hart arbeiten wie diejenigen aus den vorigen Generationen. Selbstständig sein bedeutet noch immer, dass man selbst und ständig arbeitet. Gerade jene Charakteristika wie der Wunsch nach Eigenverantwortung und damit verbunden Freiheit, die der Gen Z noch immer in konventionellen Arbeitnehmerpositionen Schwierigkeiten einbringen, befähigen sie zum Unternehmertum. Meiner Erfahrung nach wissen Gen Z-Gründer ganz genau, was sie wollen, und wie sie zu ihrem Ziel kommen. Und durch den tiefen Sinn der Verwirklichung der eigenen Idee zeigen sie eine starke Performance.

Dies widerspiegelt sich auch in der Statistik. Zahlen aus Deutschland zeigen, dass sich die Gründungsquote bei den 18- bis 24-Jährigen in den Jahren von 2017 bis 2023 mehr als verdreifacht hat. Darüber hinaus haben die 25- bis 34-Jährigen die höchste Gründungsquote mit einem Anteil von 13,3 Prozent. Mehr als jeder zehnte aus der Gen Z ist also bereits Gründer oder plant eine Gründung.

Gründer aus der Gen Z zeichnen ein wagemutiges und passioniertes Bild und zeigen einen starken inneren Antrieb. «Mich motiviert es, zumindest das Gefühl zu haben, die Welt für nachfolgende Generationen verändern zu können», sagt der 24-jährige Nils Feigenwinter, der mit seinem Fintech Bling kürzlich zwölf Millionen US-Dollar von Top-VCs einsammelte. Roland Zeller, Schweizer Gründer und Investor, meint hierzu: «Was das Thema Gen Z und Startup angeht, so sehe ich da keine Probleme. Entweder darum, weil Gründer, die zu mir kommen, schon entsprechend durch einen Filter des Erfolges liefen, oder weil sie sowieso eine andere Einstellung haben.»  

In der Tat: Gerade die passionierten Gründer mit einem starken Werteverständnis, Mut und einer Mission sind diejenigen, die es am Weitesten bringen. Seriengründer und Investor Alan Frei sagte mir zur vermeintlichen Faulheit der Gen Z: «Ich glaube, die Diskussion ist so alt wie die Menscheit selbst. Ich sehe, dass junge Mensche den Biss haben. Er sieht einfach anders aus als vor 20 Jahren. Heute ist nicht mehr ‹wer bleibt am längsten im Büro?› Kriterium für Erfolg, sondern ‹wer kann die meisten Leute via Social Media erreichen?›»

Ganz klar, die meisten professionellen Organisationen haben längst ihren Fokus gewandelt von so archaischen Metriken wie «Zeit im Büro» zu rollenspezifischen KPI wie Anzahl von Abschlüssen, Rendite im Portfolio, Akquisition von Neukunden, erreichte Kunden auf Social Media, etc. Jedoch sieht man an der Vehemenz der Home-Office Diskussion, dass Zweifel an der so oft geforderten Eigenverantwortlichkeit zur Erreichung der Ziele bestehen. Übrigens gibt es aus meiner Sicht bei der Home-Office Frage kein richtig oder falsch. Wichtig ist eine Abwägung der einzelnen Aufgaben der Mitarbeiter innerhalb eines gemeinsamen Dialogs, denn z.B. gerade für kreative Brainstormingsessions ist die physische Nähe im Büro oft ein Katalysator. 

Apropos Katalysator: Auch Schweizer VCs sehen aktuell eine Fülle von Gen-Z-Gründer bei Pitches, die zum Teil bahnbrechende Ideen präsentieren. Und dies wird in den nächsten Jahren zunehmen. Die gute Nachricht ist: Es war nie einfacher als heute, ein Startup zu gründen. Ja, viele Startups haben es aktuell schwer, und auch in dieser Kolumne thematisiere ich oft, welche Aspekte im Schweizer Ökosystem verbessert werden müssen. Aber die Fülle an VCs, die starken Universitäten hierzulande und die immer weiter sinkenden marginalen Kosten von Technologie und Inhalten setzen starken Gründern kaum noch Grenzen. 

Und dass sich innerhalb der Gen-Z-Demografie Gründer tummeln, die passioniert sind und sich nicht unterkriegen lassen, das haben wir bereits herausgearbeitet. Professorin Katja Rost jedenfalls sieht den Filter für den Erfolg bei dem Gründer selbst: «Es ist eine Frage der Selbstselektion der Personen, die Gründer werden, plus des Wettbewerbs in der Branche, ob man eher aufgibt oder weiterkämpft». Auch in der so universtitätsstarken Schweiz mangelt es nicht an herausragenden, jungen Persönlichkeiten, die für ihre Ideen einstehen – so befinden sich unter der jährlichen Forbes 30-under-30 Liste in jedem Jahr erfolgreiche Schweizer Gründer.

Genz Z als Hoffnungsträger, das kann ich in eigener Erfahrung als Dozent wie auch als VC Investor getrost unterschreiben. Und ich freue mich schon jetzt auf die vielen Ideen aus der jungen Generation an mutigen Gründern, die unsere Gesellschaft mit einem frischen Blick auf den Prüfstand stellen.