Typhus, Pest und Cholera: Bakterien wurden lange gefürchtet, sie brachten Krankheit und Elend und sollten darum vernichtet werden. Sicher, einige Bakterien sind für uns gefährlich oder gar tödlich. Aber die meisten sind harmlos und viele sogar nützlich. Wir wissen heute, dass die Billionen von Mikroben, die sich unseren Körper mit uns teilen – das sogenannte Mikrobiom –, ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens sind. Sie schützen uns vor Krankheiten, sie helfen bei der Verdauung, trainieren unser Immunsystem und beeinflussen vielleicht sogar unser Verhalten.

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Die Mikrobiologie verlässt das Labor und wird Teil unseres Alltags. Mikroben werden zum wichtigsten Rohstoff für die sich gerade entwickelnde Bio-Ökonomie. Ihnen werden wir die nächste Generation von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Treib- und Werkstoffen verdanken. In der Ernährung sind Mikroorganismen unerlässlich, so bei der traditionellen Fermentation für Produkte wie Sauerkraut, Kimchi und Bier. Neue Märkte entstehen etwa durch die Kultivierung von Proteinen aus Hefe, die eine klima- und tierfreundliche Alternative zu Fleischprodukten bieten. Auch in der Medizin sind Mikroben längst nicht mehr nur Feind, sondern auch Freund. So sollen mit genetisch veränderten Bakterien neue Medikamente hergestellt werden, die sonst schwierig, teuer oder ethisch bedenklich zu gewinnen wären. Forschende der ETH Zürich wollen mit magnetischen Bakterien Krebsgeschwüre bekämpfen.

Über die Autorin

Karin Frick ist Principal Researcher des Gottlieb Duttweiler Instituts (GDI). Sie analysiert Trends in Wirtschaft, Gesellschaft und Konsum.

Und gar ein ganz neues Forschungsfeld entsteht rund um die Erkundung unseres Mikrobioms: Es reicht von neuen Therapien für Darmerkrankungen bis hin zur Bekämpfung von psychischen Störungen. Mikroorganismen gelten auch als Hoffnungsträger für neue umweltfreundliche Formen der Energieerzeugung und Abfallentsorgung. Einige von ihnen können unter Einwirkung von Sonnenlicht Biokraftstoffe produzieren. Andere sind in der Lage, giftige Substanzen wie Öl oder Schwermetalle zu zersetzen und in harmlose Stoffe umzuwandeln. Und die Veränderung des Mikrobioms von Nutzpflanzen kann dazu beitragen, sie toleranter gegen Dürre oder resistenter gegen Schädlinge zu machen.

Noch ganz am Anfang stehen Mikroben bei der Entwicklung neuer Werkstoffe. Hier öffnet sich ein weites Feld bei der Herstellung von Bio-Kunststoffen, die ähnliche Eigenschaften wie erdölbasierte Kunststoffe haben, allerdings vollständig biologisch abbaubar sind. Die wachsende Anziehungskraft der Mikroben zeichnet sich auch in Kunst und Kultur ab, in Bestsellerlisten und Ausstellungen. Das verwobene Leben der Pilze, das «Wood Wide Web», die Intelligenz von Pflanzen, Kunst mit Bakterien faszinieren ein wachsendes Publikum.

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In Amsterdam wurde der erste interaktive Mikroben-Zoo der Welt eröffnet. Die Ausstellung stellt verschiedene Arten von Mikroorganismen vor, Bakterien, Viren, Pilze und Algen, und nutzt modernste Technologien, damit die Besucher diese sonst unsichtbaren Wesen erkunden und deren Bedeutung für Gesundheit, Umwelt und Technologie entdecken können.

Mit der Faszination wächst auch die Sympathie für Bakterien und andere Mikroorganismen. Eine aktuelle repräsentative Befragung des GDI zeigt, dass die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer den Einsatz von genveränderten Bakterien für wünschbar hält – wenn sie zur Wiederherstellung von Natur und Gesundheit genutzt werden. Die mikrophobische Vorstellung, dass «alle Bakterien getötet werden müssen», weicht der Ansicht, dass Bakterien auch unsere Freunde sind und helfen wollen. Damit haben Mikroben gute Chancen, die nächsten Sympathieträger und Ikonen für eine gesunde Umwelt zu werden – die neuen Pandabären.