Verglichen mit den anderen Schweizer Onlinehändlern haben Stephan Widmer und sein Bruder Michael früh einen anderen Weg eingeschlagen und direkt auf eine internationale Ausrichtung gesetzt. Der Hauptsitz in Baar ZG, die Logistikzentrale in Deutschland, die Marketingabteilung in Polen. Der Plan für Beliani.ch geht auf: «In den letzten fünf Jahren sind wir jährlich um 40 Prozent gewachsen», sagt Stephan Widmer, Co-Gründer und CEO des Online-Möbelhändlers.
Das nach eigenen Angaben profitable Unternehmen mit 600 Mitarbeitenden hat beim Umsatz die 100-Millionen-Schwelle längst überschritten und macht sich bereit für weitere Umsatzssprünge. «Unser Ziel ist es, in den nächsten paar Jahren um das Vierfache zu wachsen.» Gelingen soll das dank einer massiven Erweiterung des Lagers in Wietzendorf, einer Gemeinde zwischen Hamburg und Hannover. 2016 begann Beliani dort mit 20 000 Quadratmetern, vier Jahre später erhöhte man auf 50 000. Kaum ausgelastet, erfolgt nun wiederum ein massiver Ausbau: Im Mai eröffnen weitere Lagerhallen – insgesamt 120 000 Quadratmeter beziehungsweise 17 Fussballfelder umfasst dann die gesamte Fläche. Mehr als eine Verdoppelung.
Rund 70 Millionen Franken für Bau und Inventar investieren die beiden Brüder, die um die Jahrtausendwende Auktion24.ch gegründet hatten, die ein Jahr später verkauft und in Ricardo.ch unbenannt wurde. Die neuen Flächen erlauben mehr Sortimentstiefe. Begonnen hat Beliani einst mit Gartenmöbeln. Heute deckt der Händler – abgesehen von Küchenutensilien und Wandschränken – ein Vollsortiment ab, vom Bilderrahmen bis zum Whirlpool. «Wir wollen in jeder Kategorie zu den besten Anbietern gehören», sagt Stephan Widmer. Heisst: mehr Sofas als Pfister, mehr Betten als Ikea, mehr Lampen als Lumimart. Besonders zulegen möchte er mit den weniger sperrigen und stark umsatztreibenden Dekoartikeln. Die Gesamtzahl von derzeit rund 10 000 verschiedenen Produkten – etwa so viel wie in einer Ikea-Filiale – soll in naher Zukunft verdoppelt werden.
Treu bleiben wollen sich die Brüder mit ihrem Onlineansatz. Während Ikea vermehrt auf kleinere Formate setzt (siehe auch Seite 50), ist der Schritt ins Stationäre für Stephan Widmer undenkbar. «Unsere Kompetenz liegt im E-Commerce», sagt er und ergänzt: «Wir haben viel tiefere Kosten, weil wir keine Verkäufer und Ladenflächen haben.»
Dass nach der Pandemie die Läden wieder brummen, bereitet Widmer keine Sorgen. Es gebe genügend Konsumenten, die lieber online einkauften. Auch zielt er auf ein junges Publikum, das es gewohnt ist, via Handy zu bestellen, das vermehrt kein Auto besitzt und deshalb gerne Belianis Gratislieferung beansprucht. Das Sortiment wird dazu rasch an neue Trends angepasst: Mehr als 40 Einkäuferinnen und Einkäufer screenen stets, was bei der Konkurrenz gerade beliebt ist. Stephan Widmer sieht ein gigantisches Potenzial für den digitalen Möbelhandel. Das Fernziel liegt bei der Umsatzmilliarde, wie aus einer Präsentation hervorgeht.
Als Nächstes aber will Widmer Beliani als Brand bekannter machen. Alle Artikel werden künftig mit einer kleinen Etikette versehen. Auch darin will man sich unterscheiden. Denn bis auf Ikea gebe es keinen anderen Möbelhändler, der nur aus einem einzigen Brand bestehe.