Das Votum der Investoren fiel eindeutig aus. Legte die Novartis-Aktie seit Jahresbeginn 5 Prozent zu, verlor der Genussschein von Roche 20 Prozent an Wert. Galt Roche Anfang 2022 wegen der gut gefüllten Pipeline und der Hoffnung auf gute Nachrichten unter Investoren noch als Must-have, wäre es rückblickend besser gewesen, die langweiligere Novartis im Depot zu haben. Dort hat CEO Vas Narasimhan Investoren mangels Studien im Endstadium weder mit guten noch mit schlechten Nachrichten konfrontiert.
Bei Roche ging in der klinischen Erprobung einiges schief. Studienprogramme zur Bekämpfung von Lungen- und Blasenkrebs floppten. Auch die Hoffnung, dass Roche ein Mittel gegen Alzheimer auf den Markt bringen kann, erfüllte sich nicht. «Scheitern ist Teil der Pharmaindustrie», sagt Pharmaanalyst Lorenzo Biasio von der Credit Suisse.
Roche braucht Erfolge. Krebsmedikamente, die für 21 Milliarden Franken Umsatz sorgten, wurden zur Nachahmung frei. Megablockbuster wie die Krebsmedikamente Avastin oder Herceptin sind darunter. Geht es nach Biasio, seien drei Viertel der bedrohten Umsätze bereits «erodiert». Trotz der Fehlschläge sei die Patentklippe «weitestgehend überwunden». Die Umsatzverluste durch Biosimilars seien nicht mehr das dominante Thema bei der Beurteilung der Aktie.
Der Pharmariese ist bei Investoren vor allem als Krebsspezialist bekannt. Doch inzwischen ist diese Sichtweise überholt. «Das Profil von Roche hat sich verändert», sagt Biasio. Machte die Onkologie 2018 noch 60 Prozent der Pharma-Umsätze aus, waren es zuletzt 45 Prozent. Medikamente in den Bereichen Hämatologie, neurologische Erkrankungen und Therapien gegen seltene bis ultraseltene Erkrankungen haben aufgeholt.
Für Unsicherheit sorgte bei Investoren wohl auch der CEO-Wechsel. Severin Schwan wird Präsident des Verwaltungsrates und überlässt Thomas Schinecker am 15. März den CEO-Posten. Dass nicht ein Topmanager aus der Pharma-Sparte, sondern mit Schinecker der Chef der deutlich kleineren Diagnostik-Sparte im Konzern das Ruder übernimmt, sorgt intern für Irritationen. «Es würde mich nicht wundern, wenn sich einige Topkräfte nach Alternativen umsähen», sagt Biasio. Einer davon ist Bill Anderson. Der Chef der Pharma-Division tritt Ende 2022 zurück. Laut «Handelszeitung» will Schwan den Posten bis zur GV im März neu besetzen. Interimistisch leitet Schinecker die Geschäfte. Der gibt den CEO-Posten in der Diagnostik-Sparte im Januar an Matt Sause ab.
Als Zeichen, dass die Diagnostiksparte aufgewertet wird, sieht Biasio Schineckers Beförderung nicht: «Severin Schwan kommt selbst aus dem Diagnostikbereich und hat bewiesen, dass ein ehemaliger Diagnostikchef die Gruppe erfolgreich führen kann.»