Vorbei sind die Zeiten des billigen Geldes, der SPACs und des einfachen IPOs trotz roter Zahlen. Mit dem anhaltenden Zinsanstieg und dem schwierigen globalen Makroklima hatten viele Technologiefirmen an den Börsen in den letzten Monaten Kursverluste von 90 Prozent und mehr gegenüber den Höchstständen im letzten Jahr. Dasselbe gilt je länger je mehr auch für Startups.
In meinem Artikel zu «Katerstimmung bei Late Stage Startups» Mitte Mai hatte ich darüber gesprochen, dass gerade eine massive «Multiple Contraction» (sprich Rückgang der Multiples auf denen basierend Startups bewertet werden) vor allem bei Late Stage Startups stattfindet. Damals hatten noch einige wenige versucht, eine Finanzierungsrunde im neuen Marktumfeld aufzunehmen – dementsprechend gab es noch einige wenige Datenpunkte zur neuen Realität.
Nun wissen wir etwas mehr – in meinem Artikel sprach ich zum Beispiel über das schwedische Fintech Unternehmen Klarna. Dieses war basierend auf der privaten Finanzierungsrunde vom Juni 2021 (639 Millionen USD bei einer Bewertung von knapp 46 Milliarden aufgenommen) Stand Mitte März 2022 mehr wert, als es die Fintech Firmen Robinhood, Opendoor, Marqueta, Affirm, Toast, Blend und Sofi zusammen an der Börse waren. Vor wenigen Tagen wurden nun bekannt, dass Klarna eine neue Finanzierungsrunde von USD 800 Millionen aufgenommen hat – zu einer Bewertung von USD 6.7 Milliarden. Dies entspricht einem Rückgang von 85% gegenüber der Bewertung vom letzten Jahr – obwohl es dem Business laut eigenen Angaben besser denn je geht.
Pascal Unger ist Managing Partner bei der Venture-Capital-Gesellschaft Darling Ventures in San Francisco.
Ähnlich geht es vielen weiteren Startups. Inzwischen sind nicht nur Late Stage, sondern je länger je mehr auch Early Stage Startups von der starken Bewertungskorrektur betroffen – wenn sie denn überhaupt in der Lage sind, neues Kapital aufzunehmen. Dies schlägt sich auf die Performance von Venture Capital Funds nieder.
Venture Investoren lecken ihre Wunden
Für die neuen Investoren beim Beispiel von Klarna bietet das momentane Marktumfeld die Möglichkeit, zu wohl attraktiven Preisen in spannende Firmen zu investieren. Die existierenden Investoren hingegen leiden darunter.
Eine solch starke Bewertungskorrektur gepaart mit einer neuen Finanzierungsrunde vermindert die Performance eines einzelnen Investments signifikant. Und bei einer Firma mit der Grösse von Klarna oft auch auf diejenige eines ganzen Funds. Denn vor allem frühe Investoren haben nur sehr selten eine Firma mit einer Bewertung von mehr als einer und noch viel weniger zu einer Bewertung von mehr als zehn Milliarden USD in ihrem Portfolio. In der Venture Capital Industrie geht es vor allem darum, wie gross die «Winners» sind, nicht wie viele Firmen nicht funktionieren. Dementsprechend hängt ein Grossteil der Fundperformance mit der Performance dieser wenigen «Winner» Investments zusammen.
Nehmen wir beim Beispiel Klarna an, dass ein Seed Fund bei einer Bewertung von USD 46 Milliarden noch zwei Prozent der Firma besass. Dies entsprach auf Papier einem Wert von USD 920 Millionen. Bei einer hypothetischen Fund Grösse von USD 100 Millionen hätte Klarna so allein den Fund über neun Mal zurückbezahlt.
Aufgrund der neuen Finanzierungsrunde wurden die existierenden Investoren nun zu zwölf Prozent verwässert. Hinzu kommen bei einer solchen Bewertungskorrektur zumeist auch grosszügige neue Optionen für Mitarbeiter, um diese bei Laune zu halten. Die entsprechende Verwässerung kommt ebenfalls auf Kosten der existierenden Investoren. Insgesamt werden diese zu rund 20 Prozent verwässert mit der neuen Finanzierungsrunde. Somit besitzt der USD 100 Millionen Fund nach der Finanzierungsrunde noch 1.6 Prozent von Klarna, was bei der neuen Firmenbewertung einem Wert von etwas über USD 10 Millionen entspricht. Dies reicht knapp dazu aus, den Fund einmal zurückzuzahlen.
Um in der Industrie als «Top Performing» Early Stage Fund angesehen zu werden, sollte das einbezahlte Kapital idealerweise mehr als drei bis fünf Mal an die Investoren zurückbezahlt werden. Sind es weniger als zwei Mal, gilt der Fund als unterdurchschnittlich. Im aufgeführten Beispiel macht somit eine solche Bewertungskorrektur aus einem Top Fund schnell einen unterdurchschnittlicher Fund – vor allem wenn man annimmt, dass nicht nur ein Investment von einer Bewertungskorrektur betroffen ist.
«Ride your Winners» Mentalität wird zum Verhängnis
In den letzten Jahren war der Konsensus in der Venture Industrie nach einem elfjährigen «Bull Run», möglichst viel Geld in die sogenannten «Winners» im Portfolio zu investieren, unabhängig vom Preis. Schliesslich hatten alle unterschätzt, wie wertvoll Technologiefirmen werden konnten – vor allem schnell wachsende. Denn zu Zeiten von billigem Geld wurde solch schnelles Wachstum deutlich höher bewertet als Profitabilität. Dementsprechend nahmen schnell wachsende Startups immer mehr Geld zu höheren Preisen auf, um noch schneller wachsen zu können. Und Venture Funds, die Zugang zu solchen «Hot Startups» bekommen konnten, investierten immer weiter – auch bei sehr hohen Bewertungen. Schliesslich war dies auf dem Papier leicht verdientes Geld.
Diese «Ride your Winners» Mentalität galt zudem nicht nur bis zum IPO. Immer mehr Venture Firmen begannen in den letzten Jahren auch damit, Firmenanteile nach dem IPO weiter zu halten. Denn Peloton zum Beispiel verdoppelte den Wert nach dem IPO innerhalb des ersten Jahres. Square wiederum ging zu einem Preis von neun US-Dollar pro Aktie an die Börse. Zu Höchstzeiten war eine Square Aktie fast 290 US-Dollar wert.
Nun hat sich das Blatt gewendet – bei teurem Geld wird nun Profitabilität übergewichtet, während alle Marktteilnehmer vor unprofitablem (und teurem) Wachstum flüchten. Somit sind viele der Firmen mit dem grössten Wertanstieg in den vergangenen Jahren am stärksten gefallen. Und mit ihnen die Performance vieler Venture Funds. Vor allem diejenigen, die «Ride your Winners» am stärksten verinnerlicht hatten.
LPs machen Druck auf GPs
Wie andere Investoren auch, sind die Investoren in Venture Funds – sogenannte Limited Partners (LPs) – ebenfalls von den Bewertungskorrekturen betroffen. Viele von ihnen haben in den letzten Jahren aufgrund der starken Performance der Asset Klasse viel Geld in Venture investiert. Weil auch die Börsen in die Höhe schossen, hielt sich der prozentuale Anteil gegenüber dem Gesamtportfolio im Rahmen. Nun, mit dem Rückgang an den Börsen während gleichzeitig viele (noch) nicht wissen, wie viel ihre Privatmarktfirmen wirklich wert sind, sind viele LPs stark überalloziert in Venture.
Aufgrund dieser grossen Unsicherheit gepaart mit der Tatsache, dass deutlich weniger Geld für Hochrisikoinvestments vorhanden ist, üben viele LPs nun Druck auf ihre Venture Fund Manager (genannt General Partners – GPs) aus, um ihres Funds langsamer als geplant zu investieren. Je schneller die GPs das Kapital investieren, desto schneller müssen die LPs das verpflichtete Kapital einschiessen (bei einem Venture Investment bezahlen LPs nur ungefähr 20 Prozent des Kapitals zu Beginn ein und verpflichten sich, den Rest über die nächsten fünf Jahre einzubezahlen) – Geld, das viele zurzeit nicht unbedingt haben. Hinzu kommt, dass GPs zurzeit oftmals nicht wissen, wie sie Startups für neue Investments bewerten sollen (niemand will zurzeit zu hohe Preise bezahlen). Kein Wunder also, sind die Investments in Startups im zweiten Quartal derart stark zurückgegangen.
Spannende Fund Vintages
Während viele Funds ihre Wunden lecken und weiterhin viel Unsicherheit herrscht in der Industrie, bietet das aktuelle Marktumfeld immer mehr spannende Möglichkeiten für neue Investments zu tiefen Eintrittspreisen. Zudem herrscht gerade deutlich weniger Konkurrenz – Faktoren, die oftmals mit erfolgreichen «Fund Vintages» (sprich Jahrgängen von Funds) korrelieren. Aufgrund der hohen Bewertungen in den letzten Jahren wird allgemein angenommen, dass die Fund Vintages 2018 bis 2020 wohl nicht allzu stark performen werden. Ganz anders sieht es wohl bei den Vintages 2021 bis 2023 aus - ähnlich, wie zum Beispiel die Fund Vintages 2008 bis 2012, die zu den erfolgreichsten bei vielen Funds zählen.
Kein Wunder also haben viele der bekanntesten Funds kürzlich neues Geld aufgenommen, um in den nächsten Monaten und Jahren aggressiv investieren zu können. Diesen sind jedoch in der Minderheit. Da zurzeit nur sehr wenig Kapital vorhanden ist, braucht es viel Vertrauen von LPs, um momentan Geld zum Investieren zu bekommen. Somit sind diese zusammen mit neuen Funds, die noch nicht stark von den Bewertungskorrekturen betroffen sind und Kapital vor dem Zusammenbruch aufnehmen konnten, in einer guten Position, um ihre Firmen weiter aufzubauen. Gleichzeitig werden viele andere Funds die aktuelle Phase wohl nicht überleben.
Oder wie es der bekannte Fund Sequoia Capital in einer Präsentation an Firmengründer sehr treffend mit einem Zitat des verstorbenen Formel 1-Fahrers Ayrton Senna beschrieben hat: «You cannot overtake 15 cars when it is sunny but you can when it's raining.» Es wird spannend sein zu beobachten, wie sich die Venture Industrie sowohl in den USA als auch weltweit in den nächsten Jahren entwickeln wird.