Eine sinnliche Mischung aus Luxus und Naturverbundenheit, dazu Akzente mit viel Gold und Kunstgegenstände aus der ganzen Welt. Der Stil von Coco Chanel war einzigartig. Ihr Apartment an der Rue Cambon 31 in Paris wurde zu Lebzeiten zum Standard für guten Geschmack und inspiriert Dekorateure und Architekten bis heute. Stilsicher kombinierte Chanel antike und moderne Möbel, darunter zahlreiche Tische, Lackarbeiten, Vasen sowie Kronleuchter und Paravents. Unter den Lieblingsstücken der Modeschöpferin befand sich eine imposante bronzene Tischuhr aus dem 18. Jahrhundert. Das in vergoldete Bronze gefasste Uhrwerk thront auf dem Rücken eines Elefanten. Diese Uhr schenkte sie ihrem Freund, dem Journalisten Hervé Mille. Später ging das Artefakt in den Besitz von Hubert de Givenchy über, der die Elefantenuhr in seiner Pariser Residenz, dem Hôtel d’Orrouer, platziert. Im Juni wechselte die Uhr erneut den Besitzer. Bei einer spektakulären Auktion in Paris ging das Kunstwerk für über 200 000 Euro an den Meistbietenden – der Schätzpreis hatte bei rund 60 000 Euro gelegen.

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Stücke mit Geschichte

Berühmte Vorbesitzer sind für Auktionshäuser unbezahlbar. Sie stehen für exzellenten Geschmack, Glamour, spannende Geschichten, und sie treiben die Preise in die Höhe. «Käufer wollen eine Geschichte. Mit Stücken ohne klingenden Namen oder interessante Geschichte erzielt man deutlich niedrigere Preise», sagt François Rothlisberger, einer der renommiertesten Experten für dekorative Kunst in der Schweiz. Und so ziehen Auktionen des Nachlasses von berühmten Persönlichkeiten immer mehr Käufer an – neben Sammlern wollen auch Menschen, die sich für die Prominenten interessieren, ein Stück aus deren Besitz ihr Eigen nennen – sei es ein Art-déco-Tisch von Karl Lagerfeld, ein Paar George-III-Sessel von Gordon und Ann Getty oder eben eine Elefantenuhr aus dem Besitz von Hubert de Givenchy.

Mit dem wachsenden Interesse sind die Preise für dekorative Kunst gestiegen. Die diesen Oktober durchgeführte Versteigerung der Schätze der Herrscherfamilie von Katar aus deren Hôtel Lambert, mit einem Umsatz von 76,6 Millionen Euro der erfolgreichste House Sale von Sotheby’s in Frankreich, zeigt das sehr deutlich. «Die Verkaufsergebnisse bei Sotheby’s für Decorative Art sowie Design des 20. Jahrhunderts haben sich in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt», sagt Reto Barmettler, Chef von Sotheby’s Zürich.

Als ein historisches Ereignis bezeichnen Experten die Auktion der Sammlung von Hubert de Givenchy. Im Juni versteigerte das Auktionshaus Christie’s in Paris mehr als 1200 aussergewöhnliche Stücke des Designers und passionierten Sammlers. Neben Gemälden und Skulpturen fanden sich darunter sensationelle Möbel aus dem 18. bis 20.  Jahrhundert. «Kaum jemand hat je mehr Stil und Geschmack bewiesen als Givenchy», urteilt Rothlisberger vom Auktionshaus Bonhams. Der Modeschöpfer war ein Kenner und Liebhaber des 18.  Jahrhunderts, er schätzte den Prunk und die virtuose Handwerkskunst dieser Zeit. Jedes einzelne Objekt hat Givenchy selbst ausgewählt – für Sammler ein Qualitätssiegel, für Auktionshäuser ein willkommenes Verkaufsargument. Die Kunstwerke und Möbel stammen aus Givenchys Privatresidenz in Paris, dem Hôtel d’Orrouer, sowie dem herrschaftlichen Manoir du Jonchet an der Loire. Mehr als 10 000 Interessenten besuchten die Ausstellungen, über 2000 registrierten sich für die vier Live-Auktionen, bei denen 114 Millionen Euro erzielt wurden. Ein Rekord! Fünf Lose, darunter Gemälde von Miró und Picasso sowie ein Paar Kerzenleuchter aus der späten Epoche Louis XVI erzielten Preise von über fünf Millionen Euro. Die Skulptur «Femme qui marche» von Alberto Giacometti wurde für 27,2 Millionen Euro versteigert.

Stilikonen als Preistreiber

Grosse Erfolge waren auch die Versteigerungen des Nachlasses des Modedesigners, Fotografen, Illustrators und Sammlers Karl Lagerfeld. 2021 kamen Teile seiner Einrichtung in Monaco und Paris bei Sotheby’s unter den Hammer. Der Erlös von mehr als 18 Millionen Euro war viermal so hoch wie die Vorausschätzungen des Auktionshauses. Die dritte Tranche wurde im Mai in Köln versteigert. Lagerfeld war ein begeisterter Sammler. Wie auch als Modeschöpfer erfand er sich als Inneneinrichter immer wieder neu – entsprechend vielfältig waren die Möbel und dekorativen Objekte in seinen verschiedenen Residenzen.

In diesem Herbst kommt eine weitere imposante Sammlung unter den Hammer: der Nachlass von Gordon und Ann Getty. Wie kaum eine andere amerikanische Familie stehen die Gettys für Reichtum, Erfolg und grosszügige Kunstförderung. Gordon Getty, Sohn des Patriarchen und Firmengründers Jean Paul, verkaufte den Ölkonzern seiner Familie 1984 und wurde damit auf einen Schlag um zehn Milliarden Dollar reicher. Zusammen mit seiner Frau Ann baute er eine gigantische Sammlung auf. Neben Alten Meistern und impressionistischen Gemälden wird die Ausstattung aus dem Hauptwohnsitz der Gettys in San Francisco versteigert – es gibt wohl kein anderes Haus in den USA mit einer eindrucksvolleren Inneneinrichtung. Der Erlös aus der Auktion von insgesamt 1500 herausragenden Werken – Christie’s erwartet 180 Millionen Dollar – kommt der Ann and Gordon Getty Foundation for the Arts zugute. Ebenso wie Hubert de Givenchy bewies Ann Getty einen exzellenten Geschmack beim Kombinieren von Möbeln, Objekten und Kunst verschiedener Epochen und Regionen. «Niemand richtet sich ausschliesslich mit Antiquitäten des 18. Jahrhunderts ein – das ist fast unmöglich und wäre lächerlich», sagt François Rothlisberger, der sich seit fast 30 Jahren mit dekorativer Kunst beschäftigt. «Ob zeitgenössische oder antike Möbelstücke, alle Stilrichtungen bestehen nebeneinander», meint auch Reto Barmettler von Sotheby’s. Denn streng durchgängig in einem Stil à la Louis XV oder Empire würden Räume heute kaum noch gestaltet. «Eine geradlinige Einrichtung, die punktuell mit antiken Möbeln, Klassikern des 20. Jahrhunderts und zeitgenössischen Designstücken ergänzt wird, entspricht dem Trend, den wir in Interior-Magazinen, auf Social Media und beim Kaufverhalten unserer Kunden sehen.»

In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Anzahl Käuferinnen und Käufer, die jünger als 40 Jahre sind, bei Auktionen dekorativer Kunst vervierfacht. Die Zahl Neukunden, die zum ersten Mal ein Gebot an einer Auktion abgegeben haben, ist im selben Zeitabschnitt um 30 Prozent gestiegen. «Der Markt entwickelt sich weiter, und neben den traditionellen Sammlern beobachten wir einen Zustrom neuer Kundinnen und Kunden, die sehr persönliche Räume einrichten und mit Fokus auf Nachhaltigkeit sowie kategorienübergreifend sammeln, indem sie klassische mit zeitgenössischer Kunst und Design kombinieren», beschreibt Barmettler den Markt für dekorative Kunst.

Kunstaffine Schweizer

In der Schweiz gibt es viele wohlhabende und internationale Kunden mit vielfältigen Sammlungen. Dabei kann man regionale Unterschiede feststellen: «Im Gegensatz zu Genf und Basel gibt es in Zürich weniger Affinität zu französischer Tradition in den Sammlungen. Hier sehe ich eher Einflüsse von dem, was traditionell in Bern und Deutschland gesammelt wurde und in einigen namhaften alten Familien noch sichtbar ist», hat Rothlisberger beobachtet. «Generell gehört die Schweiz zu den fünf aktivsten Ländern weltweit bei unseren Auktionen von dekorativer Kunst», sagt Reto Barmettler von Sotheby’s. Bei der Karl-Lagerfeld-Auktionsserie war die Schweiz unter den Top 5 der aktivsten Länder. 2021 erreichte die Anzahl Schweizer Bieterinnen und Bieter bei Sotheby’s-Versteigerungen von Design des 20. Jahrhunderts ein Rekordniveau.