Im Jahr 243 nach der Gründung wird es bei der «Neuen Zürcher Zeitung» Zeit für eine Frau an der Spitze. Im kommenden April übernimmt Isabelle Welton (59) die Präsidentschaft des Verwaltungsrats. Sie löst Etienne Jornod ab, der seinen 70. Geburtstag feiert und damit die statutarische Altersgrenze erreicht. Welton ist seit zehn Jahren Mitglied im VR, das wiederum beisst sich nicht mit den Statuten der «NZZ» – im Gegensatz zur Praxis vieler anderer Konzerne. Welton bringt als ehemalige IBM-Chefin und aus der Konzernleitung der Zurich Führungserfahrung mit. VR-Kollegen schätzen zudem ihre Klarheit und Ausgewogenheit zwischen Sensibilität und nötiger Härte. Kommunikation und Personalwesen sind ihre Steckenpferde. Expertise auf beiden Gebieten könnte an der Falkenstrasse in den kommenden Jahren gefragt sein. Der Auswahlprozess für das hochgeschätzte Amt wurde von einem externen Berater begleitet, und laut Jornod wurden mehrere externe Kandidaten eingehend geprüft. Wer hierbei von Welton, die keinen journalistischen Hintergrund hat, ausgestochen wurde, bleibt ein Geheimnis. Auffällig ist, dass sich die selbstständige Strategieberaterin sowohl beruflich auch privat in den elitärsten Kreisen der Schweiz bewegt und dort bestens vernetzt ist.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Die Mitstreiter

Als Isabelle Welton 2010 den Posten als erste Chefin von IBM Schweiz antrat, war sie als Frau in einer solchen Führungsposition bei einem grossen Schweizer Unternehmen eine echte Rarität. Da gab es nur noch Monika Ribar, CEO von Panalpina, und Jasmin Staiblin, die zuerst CEO von ABB Schweiz und ab 2013 Vorsitzende der Geschäftsleitung von Alpiq war. Welton und Staiblin wurden Weggefährtinnen und sassen immer wieder gemeinsam in verschiedenen Gremien, wie im Vorstand des Wirtschaftsverbands Economiesuisse oder im Verwaltungsrat von Georg Fischer. Ein besonders schickes Mandat hat Welton seit 2010 im Stiftungsausschuss des Lucerne Festival – hier tummeln sich neben anderen Hotshots Rolf Dörig, Christoph Franz, Walter Kielholz und Klaus Schwab. Wer zur Schweizer Wirtschaftselite zählen möchte, der erscheint beim Lucerne Festival nicht nur im Publikum, sondern macht in einem der Gremien mit. Intendant Michael Haefliger und Stiftungsratspräsident Markus Hongler sind in den vergangenen zwölf Jahren Weltons Mitstreiter geworden. Als Vizepräsidentin des Stiftungsrats engagiert sich die aus Baden stammende Aargauerin zudem bei Swisscontact, der Schweizer Stiftung für technische Entwicklungszusammenarbeit. Hier steht Welton im Austausch mit dem ehemaligen Accenture-Schweiz-Chef und Sunrise-VR-Präsidenten Thomas Meyer, der Präsident des Stiftungsrats ist. Unter den Board Members sind zudem der VR-Präsident von Dätwyler und Sika Paul Hälg sowie der ehemalige Kuoni-Chef und Headhunter (Boyden) Armin Meier.

Die Familie

Während des Jura-Studiums lernt Welton ihren zukünftigen Ehemann, einen Amerikaner, kennen. Bei der Heirat verzichtet sie auf ihren klingenden Mädchennamen Lalive d’Epinay. Dem französischen Adelsgeschlecht gehören viele bekannte Persönlichkeiten an, wie ihr Onkel, der langjährige VR-Präsident der SBB, Thierry Lalive d’Epinay, und dessen Frau, die ehemalige Nationalrätin Maya Lalive d’Epinay-Buff. Nach dem Studium ziehen Welton und ihr Mann nach Tokio. 1990 kehren sie in die Schweiz zurück, wo 1991 ihr Sohn und 1993 ihre Tochter zur Welt kommen.

links Thierry ­Lalive d’Epinay und rechts seine Frau Maya Lalive d’Epinay-Buff

FRANZÖSISCHES ADELSGESCHLECHT Thierry Lalive d’Epinay, Weltons Onkle sowie langjähriger VR-Präsident der SBB, und seine Frau Maya Lalive d’Epinay-Buff, ehemalige Nationalrätin, gehören zur Familie.

Quelle: PD

Die Karriere

Nach ihrem Studium Rechtswissenschaften an der Universität Zürich und Aufenthalten in den USA und Asien stieg Welton Ende der 1990er Jahre bei der Zürich-Versicherung ein, als Verantwortliche für externe Kommunikation. Peter Quadri, langjähriger Länderchef von IBM Schweiz, holte Welton dann 2003 zu der IT-Firma, wo sie schnell Karriere machte und Mitglied der Geschäftsleitung wurde. 2010 wurde sie die erste Chefin von IBM Schweiz und wechselte gut zwei Jahre später ins Management von IBM Europa. Schon 2013 kehrte Welton als Marketing-Chefin zur Zurich zurück. Auch hier sauste sie die Karriereleiter hoch und wurde unter CEO Martin Senn Group Head of Human Resources, ein Posten, der auf Stufe Konzernleitung angesiedelt ist. Mit dem neuen CEO Mario Greco wurde aber schon das Ende ihrer exekutiven Laufbahn eingeläutet. Die Juristin machte sich 2018 als Coach und Strategieberaterin mit der Firma Rubidia selbstständig. Zudem hatte sie bereits eine Vielzahl Mandate in Verwaltungs- und Stiftungsräten übernommen. Seit 2020 ist sie zudem Verwaltungsrätin der Pharma- und Chemiefirma Siegfried, sie folgte auf Rudolf Hanko, den ehemaligen Siegfried-CEO. VR-Präsident Andreas Casutt zählt seit ihrem Amtsantritt zu Weltons Gefährten.

links ein Portrait von Peter Quadri und rechts ein Portrait von Andreas Casutt

WELTONS WEGGEFÄHRTEN Peter Quadri (links) holte Welton zu IBM Schweiz, mit Andreas Casutt (rechts) ist sie im Verwaltungsrat der Siegfried AG.

Quelle: PD / Croci du Fresne Switzerland

Die Gegenspieler

2016 ernannte Zurich-CEO Mario Greco Welton zur Chefin für Marketing, Kommunikation und Unternehmenskultur. Das war keine Beförderung: Welton musste ihren Sitz in der Konzernleitung räumen. Knapp vier Monate später verliess sie die Versicherung nach internen Konflikten. Holprig war auch ihr Start im Verwaltungsrat der «NZZ». Sowohl sie als auch Dominique von Matt und Christoph Schmid erreichten an der turbulenten Generalversammlung im April 2013 nur knapp 80 Prozent der Stimmen. Die «IG Freunde der NZZ» um Bankier Thomas Matter und PR-Mann Edwin van der Geest waren enttäuscht vom Nominierungsverfahren und vermissten ihre Favoriten Gerhard Schwarz und Urs Ledermann auf der Liste der Kandidaten.

Die «NZZ»-Connection

Seit fast zehn Jahren ist Isabelle Welton Mitglied des Verwaltungsrats der «Neuen Zürcher Zeitung». Viele Personen aus der «NZZ»-Connection sind während dieser Zeit zu ihren Wegbegleitern geworden. Allen voran der im kommenden Jahr scheidende VR-Präsident Etienne Jornod. Neben anderen Fähigkeiten schätzt ihr Vorgänger an Welton die Expertise im Bereich Human Resources. So habe sie einen sehr wertvollen Beitrag bei den anspruchsvollen Veränderungsprozessen geleistet, etwa bei der Schliessung des Druckzentrums in Schlieren oder der Gründung des Gemeinschaftsunternehmens CH Media. Auch Martin Meyer, ehemaliger Leiter der Feuilleton-Redaktion, heute Kopf des publizistischen Beirats und nach wie vor ein mächtiger Mann an der Falkenstrasse, zählt zu Weltons «Inner Circle». Beide sind zudem Rotarier und Mitglieder des bekannten Rotary Club Zürich, auch bekannt als «Rotary 1», auf dessen eindrucksvoller Mitgliederliste auch der Vizepräsident des «NZZ»-VR, Christoph Schmid, steht. Werber Dominique von Matt, der 2013 als Ersatz für Jens Alder gleichzeitig mit Welton dem Verwaltungsrat der «alten Tante» beitrat, zählt ebenfalls zu «Rotary 1» und gilt als ein Vertrauter der designierten VR-Präsidentin.