Steigende Zinsen können gefährliche Folgen haben: für Staaten, wenn ihre Schulden nicht mehr finanzierbar sind, für Haushalte, wenn sie ihre Hypothek nicht mehr bezahlen können, für Banken, wenn ihre Anlagen an Wert verlieren.

So weit die Theorie, doch die Praxis sieht in den USA anders aus: So müssen Banken die Bewertung ihrer Anlagen nicht anpassen, solange sie die Anlagen nicht zu verkaufen beabsichtigen, auch wenn bei steigenden Zinsen der Marktwert sinkt. Steigende Zinsen bleiben damit in der Bankbilanz teilweise unsichtbar.

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Amerikanische Hausbesitzer wiederum spüren – solange sie nicht umziehen – steigende Zinsen ebenfalls kaum, da sie sich auf sehr lange Frist verschulden. Die beliebteste Hypothek weist eine 30-jährige Laufzeit auf. Banken vergeben Hypotheken mit solchen Laufzeiten nur, weil sie diese an staatlich unterstützte Immobilienfinanzierer weiterverkaufen können und so die Risiken ihre Bilanz nicht belasten.

Und der Staat kann sich langfristig günstig finanzieren, weil die amerikanische Zentralbank, die Federal Reserve (Fed), in Krisen Staatsschulden kauft und auf ihre Bilanz nimmt – wo sie ebenfalls nicht gemäss dem aktuellen Zinsniveau bewertet werden.

Adriel Jost ist Ex-SNB-Mitarbeiter, Fellow am Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik (IWP) in Luzern und Präsident des Thinktanks Liberethica.

Banken, Haushalte, der Staat: Das amerikanische System ist darauf ausgerichtet, Zinsrisiken zu verstecken und damit einem Zinsanstieg die Zähne zu ziehen.

Dies hat aber Nebenwirkungen. Erhöht die Fed die Zinsen, hat dies – angesichts der bisherigen Ausführungen wenig erstaunlich – zuerst nur bescheidene Auswirkungen. Im Nachgang der Corona-Krise konnten Konsumenten sogar von den höheren Zinsen profitieren. Ihre langfristigen Schuldzinsen auf der Hypothek blieben tief, und auf dem kurzfristigen Sichtguthabenkonto gab es eine anständige Rendite. Die Zinskosten sind für einen durchschnittlichen US-Haushalt damit seit der Zinswende entgegen den geldpolitischen Absichten gesunken. Angesichts der ebenfalls weiterhin starken Unterstützung der Fiskalpolitik ist es somit nicht verwunderlich, dass es der US-Wirtschaft insgesamt immer noch gut geht.

Die Zentralbank kann die Inflation kurzfristig in erster Linie nur psychologisch bekämpfen. Gibt sie sich kämpferisch, dann erwarten die Wirtschaftsakteure eine tiefere Inflation. Dies reduziert die Lohnforderungen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der äusserst hohen Einwanderung, die das Arbeitsangebot erhöht, den Lohndruck reduziert und der US-Notenbank nun Zinssenkungen ermöglicht.

Langfristig wird die Inflation aber tendenziell zu hoch ausfallen, weil das zu günstige Geld zu lange im System bleibt. Und verharren die Zinsen auf höherem Niveau, bleibt die Gefahr für Unfälle hoch. Gerade auch, weil aufgrund der nur teilweise sichtbaren Zinsrisiken zu viele Risiken eingegangen werden.

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Die Zinsrisiken werden aber nur stumm- und nicht ausgeschaltet. Das System funktioniert so lange, wie die Wirtschaftsakteure ihm vertrauen. Fordern Einleger ihr Geld von einer Bank zurück, muss diese ihre Anlagen bei tiefem Marktwert verkaufen und die Verluste realisieren. Dies hat die US-Bankenkrise im vergangenen Jahr ausgelöst. Zinsrisiken im Immobilienmarkt verschwinden ebenfalls nicht, sie werden nur gut versteckt. Kommt es zu grossen Verlusten bei den staatlichen Immobilienfinanzierern, ist der Staat gezwungen, einzugreifen. Übernimmt sich der Staat, greift die Zentralbank ein. Doch diese ist letztlich ebenfalls nur vom Vertrauen abhängig, insbesondere wenn sie ihre Bilanz für Staatsfinanzierungen missbraucht.

Es bleibt dabei: Die USA spielen ein heisses Spiel.