Der Niedergang der Credit Suisse (CS) und ihre Übernahme durch die UBS markieren einen Wendepunkt in der Schweizer Finanzgeschichte. Verschiedene Publikationen und politische Beobachter machen Fehlentscheide und Skandale im Investmentbanking sowie fehlgeleitete strategische Prioritäten verantwortlich für das Desaster. Aber wer hat diese Fehlentscheide gefällt, und warum waren diese Entscheider an den Hebeln der Macht? Offensichtlich falsche Personalentscheide und klare Mängel in der Corporate Governance auf oberster Managementebene (GL und VR) erhalten in der Aufarbeitung erstaunlich wenig Resonanz, auch nicht in Fachkreisen des Human Resource Management (HRM). Dabei kann gerade ein Blick auf diesen Bereich mithelfen, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholt. Was aber lief im HRM der CS falsch? Der Verwaltungsrat, thematisch dominiert von Investmentbankern, ignorierte die Bedeutung professioneller HRM-Prozesse. Die globale Personalführung konnte ihre Expertise von der GL-Ebene an aufwärts nicht angemessen einbringen, ihre mangelnde Durchsetzungskraft und ihr teils schwaches Fach- und Führungsprofil trugen dazu bei.

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Raimund Birri war bis 2009 in der CS zuständig für Talent Management und Assessments. Danach Berater und Dozent für Human Capital Management.

Instrumente und Prozesse im HRM, wie Leistungs-/Potenzialbeurteilung, Assessments oder Nachfolgeplanung, waren zwar von anerkannt hoher Qualität und bis auf höhere Ebenen etabliert. Es gab jedoch klare Unterschiede zwischen Organisationsbereichen und Regionen in der Nutzung dieser Prozesse. So nutzten etwa angelsächsische Regionen diese Prozesse weder konsequent noch verbindlich. Zudem entstand bei vielen Beobachtern der Eindruck, dass wichtige Personalentscheide teils auf der Basis persönlicher Präferenzen und geleitet von Machtstreben und Selbstüberschätzung gefällt wurden, anstatt auf fundierten Beurteilungen basierend.

Die Finma wiederum war nur eingeschränkt in der Lage, personelle Risiken angemessen zu überwachen, da ihr notwendige Instrumente und Kompetenzen fehlten.

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Was also muss sich ändern? Welches sind generell gültige Lehren für Personalverantwortliche? Für die Qualitätssicherung auf oberster Managementebene braucht es ein Zusammenspiel von interner HRM-Expertise und externen Regularien. Finanzmarktaufsichten in UK oder Deutschland verfügen über griffige Instrumente für eine stringente Gewährsprüfung (fachliche Eignung und Integrität) in obersten Managementpositionen. Die Finma fordert nun ein ähnliches Instrumentarium unter dem Namen «Senior Manager Regime» (SMR). Dadurch will sie klare Fehlbesetzungen im Senior Management verhindern. Wichtige Branchenvertreter wie UBS-Präsident Colm Kelleher oder Ex-CS- und -UBS-CEO Oswald Grübel äussern sich positiv dazu. Eine Ausdehnung auf den VR drängt sich auf. Existenz und Ausgestaltung des SMR sind in HR-Fachkreisen (noch) kein Thema. Es ist an der Zeit, dass sich HR-Experten und etablierte Fachgruppen in der Schweiz zu Wort melden und ihren Beitrag für ein praktikables und valides SMR leisten. Ein Instrument wie das SRM, das primär die faulen Äpfel adressiert, greift aber zu kurz. Ergänzend braucht es eine gezielte Investition in das HRM, sodass die richtigen Talente in die entscheidenden Positionen gelangen. Die Finma sollte entsprechende HRM-Expertise im VR und systematische Berichte zur Umsetzung eines professionellen HRM auf allen Stufen einfordern.

Der Fall der CS verdeutlicht, dass nur durch eine Kultur und eine Governance, welche die Mitarbeitenden und das Management als zentrale strategische Ressource begreifen, ähnliche Krisen in Zukunft verhindert werden können. Dafür braucht es ein professionelles und führungsstarkes HRM sowie wirksame Regulierungsmechanismen.