Springende Stunde, guillochiertes Zifferblatt aus Rotgold, Platingehäuse – das Modell Rising Sun mit diesen Zutaten ist die Fortsetzung der Jubiläumsuhr, die 2020 zum 40-jährigen Bestehen des Ateliers von Svend Andersen geschaffen worden war. Doch die Rising Sun ist mehr als das, auch mehr als eine Uhr, sie ist ein Meilenstein: Erstmals seit Gründung des Ateliers 1980 wird nämlich eine eigene Uhr in Serie gebaut. Es geht um 50 Exemplare.

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Eine Serie hatte es zwar schon einmal gegeben, allerdings im Auftrag Dritter. Andersen baute Ende der 1990er Jahre 50 Stück einer Weltzeituhr, bestellt hatte sie Yoshi Isogai, ein japanischer Händler und Sammler sowie Besitzer des Geschäfts Shellman in Tokio.

Für ein Atelier, das auf Einzelstücke und Uhren auf Bestellung spezialisiert und sozusagen dafür geboren worden war, ist der Schritt nicht trivial. Und so weist die Uhr diskret auf den grundlegenden Wandel hin, den das Genfer Atelier in den letzten Jahren durchgemacht hat. Vieles hat sich geändert, aber irgendwie auch gar nichts: Svend Andersen, der 75-jährige Uhrmacher, ist immer noch Herr seiner Werkstatt, Leiter seines Unternehmens; seine Maschinen sind immer noch die gleichen, die Werkbänke auch, genauso wie seine Bestände an Vintage-Kalibern – A. Schild, Frédéric Piguet, Langendorf.

Alles andere aber ist neu. Und der Motor des Wandels hat einen Namen: Pierre-Alexandre Aeschlimann, Mitte 40, Ingenieur für Materialwissenschaften, ehemaliger Berater für Fusionen und Übernahmen, der sich seit etwa 20 Jahren mit der Uhrenindustrie beschäftigt und 2015 still und leise bei Andersen einstieg.

Svend Andersen hat lange allein gearbeitet, unterstützt von anderen Selbstständigen, Handwerkern und Uhrmachern, darunter Franck Muller, Felix Baumgartner, Philippe Quentin, Gaël Petermann usw. Und nun steht er an der Spitze eines kleinen Unternehmens mit fünf angestellten Uhrmachern, einem Uhrmachermeister (Marco Poluzzi, 81 Jahre), einem Partner (Pierre-Alexandre Aeschlimann), zwei Ateliers (Genf und La Chaux-de-Fonds) und einer Wachstumsstrategie – soft soll sie sein.

Das Team um Pierre-Alexandre Aeschlimann (Mitte).

Das Team um Pierre-Alexandre Aeschlimann (Mitte).

Quelle: ZVG

Das von Pierre-Alexandre Aeschlimann formulierte Ziel ist die Steigerung der Produktion von heute einigen Dutzend Uhren auf etwa 50 Stück pro Jahr – bei einem Einstiegspreis um die 50’000 Franken. Aber Geld sei nicht das Ziel, das Ziel lasse sich ohnehin nicht in Zahlen fassen, denn alles sei miteinander verbunden: die Geschichte von Svend Andersen, seine Kreationen, sein Berufsverständnis, das Know-how, die Ausbildung, die Produktion, der Kontakt mit den Kunden.

Es handelt sich also nicht um eine Transformation, sondern um eine Fortsetzung. Was selten genug vorkommt in der Branche. Geht die Strategie wie geplant auf, wäre Svend Andersen der erste unter allen Pionieren der unabhängigen Uhrmacherei – er war 1985 zusammen mit Vincent Calabrese Mitbegründer der Académie Horlogère des Créateurs Indépendants (AHCI) –, dem eine Nachfolge auf Augenhöhe gelungen ist. Ohne familiäre Nachfolge. Ohne einen Investor. Ohne externe Führungskräfte. Ohne einen Konkurs. Ohne einen Bruch. Aber ganz im Einklang mit dem ursprünglichen Projekt, nämlich eine logische, pragmatische, klassische, diskrete und kundennahe Uhrmacherei zu betreiben.

Das Grundprogramm lässt sich einfach zusammenfassen, hört man Pierre-Alexandre Aeschlimann zu: «Von einer Produktion, die sich stark auf Einzelstücke konzentriert, wollen wir zu einem gemischten Modell mit Serienkreationen, Personalisierungen und Einzelstücken übergehen. Dabei werden wir weiterhin hauptsächlich direkt verkaufen, mit ein paar Partnern.» Die Verbindung zum Kunden aufrechtzuerhalten, sei sehr wichtig, betont er: «Ich liebe den Kunden, ich brauche ihn, wir teilen die gleiche Leidenschaft und die gleiche Liebe zum Detail.»

Svend Andersen könnte es nicht besser sagen. Seine gesamte Karriere als Selbstständiger war von Kundenwünschen geprägt – er machte sich 1979 selbstständig, um Sammlern zu helfen, die ihre Taschenuhren restaurieren lassen wollten. Sein erstes Arbeitswerkzeug sei das Ohr, sagt er, beim Zuhören lerne er von seinen Kunden. So habe er viel von Japanern profitiert, aber auch von Italienern: «Eine gute Schule in Bezug auf Design und Ästhetik.»

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Mitte der 1980er Jahre begann das Taschenuhr-Geschäft zu schwächeln. Aussergewöhnliche Stücke zum Restaurieren wurden selten, Sammler, vor allem Italiener, gaben ihm zunehmend spezielle Armbanduhren in Auftrag. Andersen begann, Komplikationen zu entwickeln: Weltzeit, erotische Automaten, springende Stunde und eine ganze Familie von Spezialkalendern.

Die Kalenderuhren nahmen schliesslich eine Sonderstellung ein. Zwischen 1980 und 1990 kreierte er etwa zehn verschiedene. Zu den am meisten beachteten gehörte die kleinste Kalenderuhr der Welt – auf einem Baguette-Kaliber von Jaeger-LeCoultre basierend. Ausserdem gab es 1985 seinen ersten retrograden Ewigen Kalender. Ein Meilenstein, den er, wie er sagt, «ausgehend vom Zifferblatt» entwarf, indem er sich fragte, welche Angaben hervorgehoben werden müssen. Diese Kreation wurde schliesslich an Chopard abgetreten.

Dann entwickelte er seinen Perpétuel 2000, einen Ewigen Kalender, dessen Mechanismus so weit wie möglich vereinfacht wurde. Auf dem Zifferblatt sieht man nur ein grosses Fenster für die Tage, die Monate werden auf der Rückseite angezeigt.

Dann kam der Jahrundertkalender, der erste Mechanismus dieser Art in einer Armbanduhr. Auch hier sieht man auf der Zifferblattseite nur das Datum; Monate, Schaltjahre und Jahrhunderte sind auf der Rückseite angezeigt. Uhrmacher Alain Silberstein wird ihn zweckentfremden, um damit den noch komplexeren hebräischen Kalender anzuzeigen. Dieser basiert auf dem Mond mit Monaten von 29 oder 30 Tagen, dafür gibt es alle drei Jahre ein Schaltjahr mit 13 Monaten.

Auf solchen Grundlagen wird die Zukunft des Unternehmens Andersen Genève geschrieben. Und dabei darauf geachtet, die Vergangenheit nicht zu wiederholen und immer so viel wie möglich von den Kunden zu lernen, betont Aeschlimann. Dies geschehe durch Feinheiten, die man nicht auf den ersten Blick erfasse, die aber offensichtlich würden, wenn man sich mit ihnen beschäftige.

Die Handwerkskunst steht immer im Mittelpunkt, mit viel Guilloche und Cloisonné-Emaille. Auch die Endbearbeitung wird immer sorgfältiger, vor allem beim Uhrwerk. Und die Ausbildung kommt nicht zu kurz: Ein Uhrmacher hat bereits eine Ausbildung für Schlagwerke absolviert, und die beiden Mitarbeiter in La Chaux-de-Fonds werden in der Konzeption und Herstellung von Gehäusen geschult.