Was bei Vintage-Uhren wirklich zählt, ist Provenienz. Wem gehörte die Uhr? Was für Geschichten wurden mit ihr geschrieben? Welche Geheimnisse sind mit ihr verwoben? Welche Ereignisse? Diesbezüglich spielt eine Patek Philippe, die einst John Lennon gehörte, in einer eigenen Liga. Lange Jahre galt die Patek der Referenz 2499, ein Modell mit ewigem Kalender und Chronographen, als verschollen. Diesen Herbst aber ist sie wieder aufgetaucht. In Genf. Vor Gericht. Die Uhr könnte in den kommenden Jahren die Geschichte der teuersten Armbanduhren der Welt neu schreiben.
Jahrelang hat ein Bild von John Lennon, der die Patek am Arm trägt, Uhrenliebhaber in Atem gehalten. Weil sie zu den seltensten und wertvollsten Zeitmessern überhaupt gehört – es gibt nur 349 Exemplare. Und weil sie eben John Lennon gehörte. Die Patek Philippe verschwand, nachdem Lennon in New York erschossen wurde, und war jahrelang verschollen. Es heisst, sie sei in die Hände von Yoko Onos Fahrer gefallen, der sie dann angeblich verkaufte.
Jetzt ist sie Gegenstand eines Rechtsstreits in Genf. Im Juni entschied das Gericht, dass die Uhr Ono gehört. Ein in Hongkong ansässiger italienischer Uhrensammler behauptet jedoch, er habe das Stück 2014 in gutem Glauben gekauft, und legt Berufung gegen das Urteil ein. Sollte die 2499 jemals versteigert werden, wird sie einen hohen Preis erzielen, einen sehr hohen. Vintage-Spezialist Eric Wind sagt dazu: «Ich hatte das Glück, sie einmal an meinem Handgelenk zu tragen, und sie ist grossartig. Ich hoffe, sie eines Tages wiederzusehen, und glaube, dass sie bei einer Auktion den Rekord für die wertvollste alte Uhr der Welt aufstellen könnte.»
Der Hype begann mit der Rolex Daytona von Paul Newman
Das Interesse an mythischen, verschollenen Uhren ist seit 2017 stark gestiegen. In diesem Jahr begann der Hype mit dem Verkauf der lange verschollenen Rolex Cosmograph Daytona von Paul Newman für sagenhafte 17,8 Millionen Dollar.
Andere Unicorn-Uhren tauchten in halbwegs regelmässigen Abständen an Auktionen auf. Etwa Marilyn Monroes mit Juwelen besetzte Blancpain (Julien's Auctions, 2016, 225’000 Dollar), Marlon Brandos persönliche, lünettenlose Rolex GMT Master, die 1979 im Film «Apocalypse Now» auftauchte (Phillips, 2019, knapp 2 Millionen Dollar) oder eine Heuer Monaco, die Steve McQueen 1971 im Film «Le Mans» trug (Phillips, 2020, 2,2 Millionen Dollar).
Noch immer aber vermisst die Welt ganz berühmte Uhren. Werden wir jemals erfahren, was aus der Rolex von Fidel Castro geworden ist? Oder aus derjenigen von Che Guevara? Oder aus Picassos Jaeger-LeCoultre, Miles Davis’ Breitling Navitimer oder Jacques Cousteaus Blancpain Fifty Fathoms? Vielleicht nicht. Vielleicht doch. Vielleicht tauchen sie irgendwann wieder auf.
Klar aber ist: Es gibt noch viele Schätze, die darauf warten, gefunden zu werden.
Buzz Aldrins Speedmaster geht auf dem Weg ins Museum verloren
Zum Beispiel die Omega von Buzz Aldrin. Die Speedmaster ST 105.012 ist vielleicht die wichtigste Armbanduhr aller Zeiten. Obwohl Neil Armstrong 1969 als erster Mensch die Mondoberfläche betrat, blieb seine Uhr in der Mondlandefähre als Reserve für den Fall, dass die elektronischen Zeitmesser versagen. Als dann Aldrin die Eagle verliess, war seine Speedmaster also die erste Uhr auf dem Mond. Sie ist auf den Fotos, die Armstrong von ihm gemacht hat, deutlich zu sehen.
Aldrin hat die Uhr an das Smithsonian in Washington geschickt, damit sie dort ausgestellt wird. Und unterwegs ist sie verloren gegangen. «Ab und zu schickt jemand eine E-Mail, um zu sagen, dass er sie hat, aber es gibt Seriennummern, und keine hat je gepasst», erzählt Aldrin. Die Uhr, die offiziell immer noch Eigentum der Nasa ist, sollte dauerhaft im Smithsonian ausgestellt werden. Von der Nasa organisierte Transportunternehmen holten die Uhr ab, doch bei ihrer Ankunft im Museum war sie verschwunden. Selbst nach fünf Jahrzehnten besteht immer noch Hoffnung, dass die Speedmaster wiederentdeckt wird – vor allem, wenn der derzeitige Besitzer nicht weiss, was er besitzt.
Was geschah mit der Original-Santos nach dem Suizid von Alberto Santos-Dumont?
Während Louis Cartier im Schmuck- und Uhrenatelier seiner Familie in Paris immer innovativere Designs entwickelte, trieb der brasilianische Flieger Alberto Santos-Dumont die Entwicklung des Motorflugs voran. Beide waren durch und durch moderne Männer, und es war unvermeidlich, dass Santos-Dumont, als er nach Paris zog, den Weg von Cartier kreuzen würde. Und genau so geschah es anno 1900.
Santos-Dumont beklagte sich bei seinem neuen Freund über die Schwierigkeiten, beim Fliegen seine Taschenuhr abzulesen. Cartier nahm dies als Herausforderung an und schuf einen robusten, langlebigen Zeitmesser für das Handgelenk, der viel Aufmerksamkeit erregte, wenn Santos-Dumont damit unterwegs war. Die Uhr war als Einzelstück gedacht, aber Cartier änderte seinen Plan, als die Fans Schlange standen, um ihre eigene Uhr zu kaufen. Die Uhr wurde zu einem der ersten in Serie gefertigten Zeitmesser überhaupt.
Santos-Dumont wiederum beendete sein Leben in seiner Heimat Brasilien 1932 durch Suizid. Er heiratete nie und hatte keine Nachkommen, und es ist nicht klar, was mit seiner Uhr geschah. Aber da Cartier eine der begehrtesten Marken der Welt ist und die Santos nach wie vor einen festen Platz in der Kollektion einnimmt, würde die Entdeckung dieses Fliegeruhr-Prototyps die Uhrenwelt natürlich in Aufruhr versetzen.
Der King und die Krone
Als Leiter der amerikanischen Uhrenabteilung des Auktionshauses Phillips weiss Paul Boutros genau, welche verschollene Uhr er unbedingt entdecken möchte: die Big Crown Submariner Referenz 6538, die Elvis 1962 in der Musical-Komödie «Girls! Girls! Girls!» trug.
Presley mag in dem Film einen mittellosen Fischer gespielt haben, aber im wirklichen Leben besass er neben seinen vielen Extravaganzen eine Reihe von Uhren, die jeden Sammler ins Fieber versetzen. Während seiner Zeit in der Armee trug Elvis eine vergoldete Omega Constellation, die er schliesslich seinem alten Freund und Bandkollegen Charlie Hodge schenkte. Hodge starb 2006, und die Uhr wurde 2014 vom Auktionshaus Antiquorum für 37’500 Dollar verkauft. Eine weitere bemerkenswerte Omega in Presleys Sammlung war eine von Tiffany & Co. signierte Uhr, die ihm 1961 von RCA Records geschenkt wurde. Im Jahr 2018 ging der Zeitmesser in die Geschichte ein, als er bei Phillips unglaubliche 1,8 Millionen Dollar erzielte und damit einen Rekord für eine Omega bei einer Auktion aufstellte. Die Hamilton Ventura des Kings, eine Uhr, die im Film «Blue Hawaii» eine Hauptrolle spielte, befindet sich heute im Hamilton-Archiv.
Ebenso ikonisch war Presleys Rolex King Midas, die in den 1960er-Jahren auf den Markt kam und aus einem einzigen Goldblock mit einem Gewicht von 150 bis 200g gefertigt wurde – der opulenteste Zeitmesser von Rolex in dieser Zeit. Vom Original wurden nur etwa 1000 Exemplare hergestellt, Elvis’ Exemplar war die Nummer 343. Heute ist die Uhr in Graceland, Presleys ehemaligem Wohnsitz in Memphis, Tennessee, zu sehen.
Inmitten dieser Schatzkammer uhrmacherischer Wunderwerke sticht eine Uhr als wahres Juwel hervor: die Submariner Big Crown 6538, die von Rolex von 1956 bis 1959 hergestellt wurde. Dieses alte Rolex-Modell ist bei Sammlern weltweit begehrt und erlangte enorme Berühmtheit, als es Sean Connery in «Dr. No» (1962) am Handgelenk trug. Auch Connerys Submariner ist verschollen und wird von Vintage-Experte Eric Wind als «wahrscheinlich das grösste Unicorn von allen» bezeichnet. «Niemand scheint zu wissen, wo diese Uhr jetzt ist, und sie könnte eine der wertvollsten Rolex-Uhren der Welt sein», so Wind weiter. Big Crowns aus dieser Zeit erzielen 60’000 bis 90’000 Dollar, aber was eine Bond- oder Elvis-Herkunft an Wert hinzufügen könnte, ist unvorstellbar.
Die Jaeger der Queen, die sie zur Krönung trug
Während die winzigen Schmuckuhren für Frauen oft von Quarzwerken angetrieben werden, verfügen einige Cocktailuhren von Jaeger-LeCoultre – und auch einige Cartiers – über das kleinste mechanische Uhrwerk der Welt: das Kaliber 101 von JLC. Das Kaliber, das nur schwer herzustellen und den feinsten Schmuckstücken vorbehalten ist, war die bevorzugte Uhr der verstorbenen Königin bei ihrer Krönung im Jahr 1953.
Ihr Uhrwerk ist nur 14 Millimeter lang, 4,8 Millimeter breit und 3,4 Millimeter hoch. Es überrascht daher nicht, dass der Verbleib des Originalmodells aus Weissgold und Diamanten nicht bekannt ist und Gerüchte kursieren, es sei «verlegt» worden. Im Jahr 2012 überreichte der damalige Chef von Jaeger-LeCoultre, der heute Chef von Richemont ist, also Jérôme Lambert, der Königin anlässlich ihres diamantenen Jubiläums eine neue, einmalige Version des ikonischen Schmuckstücks. Aber das Original ist immer noch irgendwo da draussen. Nur wo?
I have a dream ... Darin spielt eine Rolex Datejust eine grosse Rolle
Ein Uhrensammler, der mehr als 5000 Zeitmesser in seiner Obhut hat, will die Uhr des anderen King neben Elvis finden. die Rolex Datejust von Martin Luther King. Eine goldene Uhr mit der Referenz 1601. Der grosse amerikanische Bürgerrechtler trug sie bis zu seiner Ermordung im Jahr 1968.
Niemand weiss, wann der Baptistenprediger und Friedensnobelpreisträger die Datejust erwarb, aber er trug sie, als er 1958 in Montgomery, Alabama, wegen «Herumlungerns vor einem Gerichtssaal» verhaftet wurde. Und er trug sie bei seinem historischen Treffen mit Präsident Lyndon Johnson im Weissen Haus 1964.
Vielleicht ist Kings Rolex heute ein wertvolles Familienerbstück – er hatte vier Kinder, und sie könnte an jedes von ihnen gegangen sein –, aber bis wir es sicher wissen, bleibt sie eine der verlockendsten verschollenen Uhren von allen.
(Dieser Text basiert auf einer Veröffentlichung von Tracey Llewellyn im «Telegraph» und wurde an die Bedürfnisse von «Bilanz Watches» angepasst.)