In der Welt des Luxus ist Chanel ein Gigant. Gegen 20 Milliarden Dollar setzt das französische Unternehmen, das von London aus gesteuert wird, um. Der Reingewinn belief sich letztes Jahr auf 4,7 Milliarden Dollar. Chanel erwirtschaftet also eine Reingewinnmarge von 24 Prozent. Und eine operative Marge von 32 Prozent. Das sind in jeglicher Hinsicht herausragende Werte.

In der Welt der Horlogerie ist Chanel kein Gigant. Aber auch kein Nobody. Gemäss den Schätzungen von Morgan Stanley und Luxeconsult macht Chanel mit Uhren einen Umsatz von 400 Millionen Franken und klassiert sich damit knapp nicht unter den grössten zwanzig Uhrenmarken der Schweiz; dafür wären 20 Millionen Franken mehr nötig. Das Uhrengeschäft von Chanel spielt auf Augenhöhe mit Marken wie Chopard, Blancpain, Van Cleef & Arpels und Bulgari. Es ist also in bester Gesellschaft.

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«Brancheninsider gehen davon aus, dass Chanel rund 30 Millionen Franken für den Minderheitsanteil an MB&F bezahlt.»

Chanel hat Ambitionen in der Horlogerie

Und es soll weiter nach vorne kommen. Deutlich weiter nach vorne. «Der Kauf der MB&F-Beteiligung ist Teil der langfristigen Strategie von Chanel, Know-how und Fachwissen zu bewahren, weiterzuentwickeln und in diese zu investieren», so Frédéric Grangié, Präsident der Uhren- und Schmuckabteilung von Chanel.

Diese Woche gaben Chanel und der unabhängige Uhrenhersteller MB&F bekannt, dass sich der Gigant mit 25 Prozent am Schweizer KMU beteiligen wird. Wie viel Geld sich das Chanel kosten lässt, haben die beiden privat gehaltenen Unternehmen nicht bekannt gegeben. Brancheninsider gehen allerdings davon aus, dass für den Minderheitsanteil rund 30 Millionen Franken geflossen sein dürften.

Für Chanel sind das Peanuts, für die beiden Gesellschafter von MB&F natürlich nicht. MB&F – das Kürzel steht für Max Büsser and Friends – gehörte bislang zu 80 Prozent dem Gründer und kreativen Kopf Max Büsser. Und zu 20 Prozent seinem Kompagnon Serge Kriknoff, der für Forschung, Entwicklung und Produktion zuständig ist. Büsser und Kriknoff bleiben – natürlich! – im Unternehmen. Büsser hat 20 Prozent seiner Anteile an Chanel verkauft, Kriknoff 5 Prozent.

MB&F mit Durchschnittspreisen von über 100’000 Franken pro Uhr

Im Jahr 2023 produzierte MB&F gerade einmal 419 Uhren und erzielte mit rund 60 Mitarbeitenden gemäss «Bloomberg» einen Umsatz von 45,4 Millionen Franken. Das macht deutlich: Der Durchschnittspreis einer MB&F-Uhr liegt mit rund 108’000 Franken im absoluten Luxussegment. Ohnehin haben Max Büssers Kreationen wenig mit dem gemein, was man sich unter einer Armbanduhr vorstellt. Es sind künstlerisch und technisch äusserst anspruchsvolle Modelle, die er denn auch «horological machines» nennt.

Das M.A.D. House in Carouge: Hier entstehen die Kreationen von MB&F.

Das M.A.D. House in Carouge: Hier entstehen die Kreationen von MB&F.

Quelle: ZVG

Die Beteiligung von Chanel an MB&F hat für beide Seiten ein nicht zu unterschätzendes Potenzial. Zunächst sichert sich MB&F dank dem Investment von Chanel das langfristige Überleben. Zwar gehört die erst vor knapp zwanzig Jahren gegründete Marke derzeit zu den grossen Gewinnerinnen im Uhrenmarkt, hat sie doch den Umsatz in den letzten drei Jahren verdreifacht.

Aber: «Der Anteilsverkauf wird sicherstellen, dass dieses Unternehmen uns überlebt», sagte Gründer Büsser zu «Bloomberg». Und das ist in der von KMU geprägten Schweizer Uhrenindustrie alles andere als selbstverständlich. «Die langfristige Überlebensrate in der Branche wird extrem tief bleiben», sagte kürzlich Branchenkenner Oliver Müller in einem Interview mit «BILANZ Watches». «Nur eine oder zwei Marken von hundert überdauern mehr als ein Jahrzehnt», ergänzte der Experte.

Der Deal ist auch eine Präventivmassnahme gegen Bernard Arnault

Der Deal mit MB&F räumt Chanel ein Vorkaufsrecht für künftige Anteilsverkäufe ein. Damit hat Büsser deutlich gemacht, dass er sein Baby auch nach seinem allfälligen Ausscheiden nicht in falschen Händen sehen will. Dies für den Fall, «dass jemand mit einem grossen Scheck käme und Wachstum und Gewinne oder was auch immer sehen will», wie es Büsser ausdrückt. Die Aussage ist wohl in erster Linie an Bernard Arnault gerichtet. Dessen LVMH sucht derzeit ambitioniert nach Möglichkeiten in der Schweiz, das Uhrengeschäft auszubauen

Während sich MB&F also Kontinuität und Eigenständigkeit sichert, profitiert auch Chanel klar. In erster Linie in Sachen Uhrmacher-Know-how. Und in zweiter Linie bezüglich seiner Reputation in der Branche.

Chanel, das den beiden Brüdern Gérard und Alain Wertheimer gehört, hat bereits mehrfach in unabhängige Schweizer Uhrenmarken investiert. Seit 2011 hält das Haus einen grösseren Minderheitsanteil an Romain Gauthier und seit 2018 einen Fünftel an F.P. Journe. Beide Marken stehen – wie MB&F – für höchste Handwerkskunst. Ebenfalls beteiligt ist Chanel an Bell & Ross und am Uhrwerkhersteller Kenissi, der Werke für Breitling, Tudor und Chanel produziert.

1987 gründete Chanel eine eigene Uhrenmanufaktur, indem es an der Place Vendôme in Paris ein Atelier für Uhrendesign einrichtete und in die Manufaktur G&F Châtelain in La Chaux-de-Fonds investierte. Châtelain wurde 1993 ganz übernommen. Die Tochter ist heute für die Montage der Uhren der Marke Chanel und Bell & Ross verantwortlich.

«Craziness» in der Haute Horlogerie

Branchenkenner Oliver Müller sieht in Chanel vorderhand vor allem eine «Mäzenin» für Max Büsser und sein Team. Mittelfristig werde sich bei MB&F nicht viel ändern. Doch die Wertheimer Brüder – Alain Wertheimer lebt in Genf – würden nicht mittelfristig denken, sondern langfristig, in Generationen. Ergo kann er sich durchaus vorstellen, dass MB&F für Chanel zu einem «Pol in einem Netz von Nischenmarken in der Welt der Haute Horlogerie» wird. Oder zu einem Hort der uhrmacherischen Kreativität für «Capsule Collections» oder für Einzelstücke für die besten VIP-Kunden und -Kundinnen.

Klar ist: Büsser plant mit MB&F zum Zwanzig-Jahr-Jubiläum im 2025 bereits eine Reihe von speziellen Kreationen. Die Verbindung mit Chanel werde, so Büsser, «unsere Craziness» bewahren.

(Mit Material von Bloomberg)

Lana Del Rey wirbt für Uhren von Chanel

Lana Del Rey wirbt für Uhren von Chanel: Die jüngste Kreation des Hauses verbindet Kette, Uhr und Ohrhörer.

Quelle: ZVG