Der 25 Jahre junge Mann, der kürzlich im Büro von Uhrenpatron Thomas Steinemann am Basler Hirzbodenweg 95 sass, hielt seine brandneue Uhr mit sichtbarer Ehrfurcht in die Höhe: «Wow!», entfuhr es ihm, «das Werk darin ist ja fast drei Mal so alt wie ich.»

Tatsächlich tickte in der Taucheruhr DBF007 das Kaliber AS 1895. AS steht für Adolf Schild, das Werk stammt von 1960 und wurde seinerzeit an renommierte Marken wie Tudor, Girard Perregaux oder Blancpain geliefert. 

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Die Verwendung eines historischen Werks, so muss man wissen, war kein Zufall – sie ist im Gegenteil die Raison d’être der Marke DuBois et fils von Thomas Steinemann. Zu erwähnen wäre etwa das Felsa-Kaliber 692 von 1948. Es wird aktuell in das Modell DBF009 eingebaut und gehört zu den historisch bedeutenden Uhren-Motoren. Hintergrund: Felsa hatte 1942 das allererste Kaliber der Welt präsentiert, dessen Rotor die Uhr in beide Richtungen aufziehen konnte, weshalb es wie seine Nachfolgemodelle Bidynator genannt wurde. Steinemann konnte den Namen wieder schützen lassen, man findet ihn also etwa auf dem Zifferblatt des Modells DBF009, denn das Kaliber 692 gehört in die Bidynator-Familie. «Die Uhr erzählt ein Stück authentischer Schweizer Uhrengeschichte», sagt er, «und das ist mir sehr wichtig.»

Steinemanns Neue: Das Modell DBF009.

Steinemanns Neue: Das Modell DBF009.

Quelle: PD

Möglich machte das Angebot der Marke ein zauberhafter Fund: Im Estrich eines Einfamilienhauses, irgendwo in der französischsprachigen Schweiz, entdeckte Thomas Steinemann einen unglaublichen Schatz. Über 200’000 Uhrwerke hatte ein Uhrmacher-Ehepaar hier angesammelt. Die Kaliber stammen aus den Jahren 1930 bis 1970 und wurden von den beiden, die heute über 70 Jahre alt sind, nach und nach zusammengekauft und oft buchstäblich vor der Verschrottung gerettet. Es sind Werke von A. Schild, Record, Unitas, Enicar, Felsa, FHF, Peseux, Valjoux, Universal und vielen anderen Marken mehr. Steinemann darf sich freuen, im «Jackpot aus dem Estrich» über wahre Trouvaillen zu verfügen – einen respektablen Satz von Werken der ehemaligen Edelmarke Universal Genève zum Beispiel.

Doch für Thomas Steinemann sollte es nicht bei alten Werken bleiben – und das hat mit einer zweiten traumhaft schönen Geschichte zu tun.

Hier ist sie: Im solothurnischen Bettlach betreibt der über 80-jährige Edgar Sutter eine Manufaktur für gute alte Schweizer Wecker, die noch genauso produziert werden wie anno dazumal – auf uralten Maschinen in einem museumsreifen Atelier. Fast noch wichtiger, Edgar Sutter war auch Fourniturist, mit anderen Worten: Er belieferte Uhrmacher im ganzen Land mit Komponenten für Service und Reparatur – Gläsern, Platinen, Trieben, Brücken, Federn, Achsen, Kronen, Unruhen, Zahnrädern, Zifferblättern und allem, was in einer Uhr verbaut wird –, mehrere Millionen Ersatzteile dürften es sein, Sutter hat sie nie gezählt, die ältesten stammen noch vom Zürcher Unternehmen Arnold Hoch, gegründet 1894.

Lange hat Sutter einen würdigen Nachfolger für das Fournituren-Geschäft gesucht, jetzt hat er die reiche Sammlung Thomas Steinemann anvertraut, der das Geschäft erwerben konnte. Zu den Komponenten gehört ebenfalls eine stolze Sammlung von Uhrwerken – über 10’000 sind fertig zusammengebaut, 6900 noch nicht komplett montiert. Die Inventarliste liest sich wie das Who’s who der Uhrmacherei – von A wie Admer bis Z wie Zodiac. Man findet an die 150 Namen, darunter Angélus, Blancpain, Breitling, Bulova, Certina, Excelsior Park, Eterna, Heuer, IWC, Jaeger-LeCoultre, Lip, Minerva, Omega, Rolex, Universal oder Zenith. Gesondert aufbewahrt sind Werke, die Sutter besonders am Herzen lagen – gedacht für ein künftiges Museum über Meilensteine der Uhrentechnik von 1850 bis heute.

Es ist ein Fundus der besonderen Art und zusammen mit den 200’000 Werken die Basis für ein Atelier, das Thomas Steinemann derzeit in Muttenz BL einrichtet – «auf bluttem Boden», wie er sagt, also von null auf. Angeheuert wurde dafür Thomas Gronenthal, ein Fachmann für historische Uhrwerke, Uhrenjournalist und -blogger, Dozent an der Bayerischen Meisterschule für das Uhrmacherhandwerk und seit Jahren Freund der Marke.

Die alten Uhrwerke sind das eine Standbein der Marke, ein innovativ aufgegleister Verkauf das zweite. Schon 2012 ging Thomas Steinemann eigene Wege und lancierte als Pionier das erste webbasierte Equity Funding der Branche – innerhalb von fünf Monaten zeichneten damals 587 private Investoren aus 21 Ländern ein Kapital von 1,5 Millionen Franken. 

Nächster Coup: Für die Taucheruhr DBF007 verkaufte DuBois et fils zunächst nur die Werke – für 115 Franken. Man erhielt dafür einen digitalen Token, das Kaliber blieb vorderhand bei der Marke. Der Clou: Der Kunde wusste nicht, wie die fertige Uhr aussehen würde, auf die er eine Option hatte. Erst nach einigen Monaten wurden ihm die geplanten Versionen für eine Taucheruhr präsentiert. Nun gab es zwei Optionen: Kauf der Uhr im Wert von rund 5500 Franken mit zehn Prozent Rabatt. Oder Rückkauf des Werkes durch DuBois et fils für 287 Franken und 50 Rappen, also das Zweieinhalbfache der Investition.

Begleitet wurde der Prozess von einem, wie Thomas Steinemann es nennt, «digitalen Zwilling» – mit einer Dokumentation über die Geschichte des Uhrwerks sowie die Entstehung der Uhr und des Designs, mittels Blockchain-Technologie an die Uhr gebunden. Käuferinnen und Käufer können die Geschichte digital weiterschreiben und ergänzen. Verkaufen sie den Zeitmesser, geht auch das digitale Tagebuch an den neuen Besitzer über. Mit der Zeit kann so als Unikat eine ausführliche und eigenständige Dokumentation über die Uhr zusammenkommen.

Die Idee hatte Potenzial für eine werbewirksame Bühne, und entsprechend baute Entrepreneur Steinemann das Konzept weiter aus. Er bat Fussballer Urs Siegenthaler, eine Uhr zu tragen und ein Tagebuch dazu zu schreiben – mit einem täglichen Eintrag. Dann wurde die Uhr versteigert und erzielte an der Auktion einen respektablen Mehrwert. Der neue Besitzer erhielt nämlich nicht nur die Uhr, sondern auch das digitale und Blockchain-geschützte Tagebuch.

Der Erfolg war für die Marke derart durchschlagend, dass die Übung seither in immer neuen Auflagen wiederholt und zu einer Art Selbstläufer wurde – mit Fussballer João Cancelo zum Beispiel, Tänzerin Amandine Albisson, Schachspielerin Alexandra Konstantinowna Kostenjuk, TV-Moderator Sebastian Hellmann, Fussballerin Lucy Bronze und anderen mehr. «Niemand kann das Tagebuch löschen, niemand kann es verändern», sagt Thomas Steinemann. Und die NFT-Technologie garantiere, dass als einziger Mensch der Käufer oder die Käuferin der Uhr Einsicht in das Tagebuch habe.

«Es ist lange gegangen, bis wir unseren Weg gefunden haben», zieht Steinemann Bilanz, «doch jetzt ist es so weit.» Es brauche für den Erfolg ein überzeugendes Produkt sowie eine klare Botschaft, das sei mit den alten Werken und ihrer Geschichte gegeben. Wichtig sei aber auch der Aufbau eines Markenwertes, und dafür sei die Tagebücher-Idee entscheidend. 

Merke: Wer Uhren mit alten Kalibern verkauft, darf beim Verkauf nicht gestrig sein.

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