Die Idee von Manuel Emch, Chef der Uhrenmarke Louis Erard, stiess zunächst auf Skepsis. Als er den Künstler Olivier Mosset fragte, ob er ihm eine Uhr gestalten wolle, reagierte der eher kühl: «Eine Uhr?», fragte er, «wer braucht denn schon so etwas?» Emchs Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: «Voilà, dann machst du mir die Uhr, die niemand braucht.»

Das Ergebnis, ein Zeitmesser mit drei feinen schwarzen Balken statt Zeigern auf einem schwarzen Zifferblatt, war letztes Jahr die erste Kollaboration der Marke mit einem Künstler – doch nicht die letzte.

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Uhr Olivier Mosset

Louis Erard X Olivier Mosset

Quelle: PR

Diese Woche präsentierte CEO Manuel Emch den zweiten Streich in Sachen Kunst, eine Kollaboration mit Sylvie Fleury. Die Uhr – «von einer Frau für Frauen gemacht», so Emch – greift ein künstlerisches Leitmotiv von Fleury auf: Make-up-Paletten. Wie Puderdosen prangen zwei Kreise in Magenta und Korallenrot auf dem Zifferblatt, im oberen werden die Stunden mit einem Zeiger in der entsprechenden Farbe angezeigt, unten die Sekunden. Der schwarze Minutenzeiger wiederum dreht aus dem Zentrum, der Rest der Uhr, inklusive Kalbslederbändeli, ist in Hochglanz-Schwarz gehalten. Das alles ist typisch für Sylvie Fleury, seit 2018 verwandelt sie Make-up-Paletten in monumentale «Shaped Canvas»-Kunstwerke.

Louis Erard X Sylvie Fleury Uhr
Quelle: PR

Manuel Emch, der geistige Vater künstlerischer Uhrenprojekte, schaffte bei Louis Erard mit solchen Ideen den Turnaround. 2018, als er als Berater zur Marke stiess, war sie sozusagen klinisch tot. Alain Spinedi, seit 2003 CEO der 1929 gegründeten Marke, hatte zwar zunächst mit günstigen Uhren schnelle Erfolge eingeheimst, dann aber verblasste der Ruf, ab 2012 wurden nur noch Verluste eingefahren. Das Problem: Man hatte zu viele Referenzen, zu viele Verkaufspunkte, zu wenig Persönlichkeit und keinen Wiedererkennungswert. Kurz gesagt: Der Marke fehlte ein Gesicht.

Bis Manuel Emch ans Steuer kam. Mit einer klaren Strategie, welche im Wesentlichen auf zwei Säulen beruht: Erstens bekam Louis Erard als Basis mit dem häufig verwendeten Regulator ein klares Designprofil, wie bei der Sylvie-Fleury-Uhr-beschrieben: Stundenzeiger in der oberen Uhrenhälfte, Sekundenzeiger in der unteren, Minutenzeiger aus der Mitte. Zweite Säule sind die Kollaborationen, in vier Kategorien unterteilt: Kollaborationen mit Uhrmachern, Kollaborationen mit Architekten und Designern, Kollaborationen mit Künstlern sowie Kollaborationen mit Friends and Family. 

Louis Erard x Sylvie Fleury

Grösse: 38 mm

Kaliber: Sellita SW266-1

Wasserdichtigkeit: 50 m

Auflage: 178 Stück

Preis: 3900 Fr.

Louis Erard X Sylvie Fleury Uhr
Quelle: PR

Am Anfang stand, was Katholiken wohl eine lässliche Sünde nennen würden, neudeutsch ein Bluff: Manuel Emch und Alain Spinedi trafen sich zu einer Sitzung mit dem japanischen Distributor. Der japanische Markt war wichtig, aber es war schnell absehbar, dass der Distributor aus der Zusammenarbeit aussteigen wollte. «Ich muss jetzt unbedingt einen Trumpf zücken», sagte sich Emch – und zückte ihn: «Wir haben eine Zusammenarbeit mit Alain Silberstein in petto», erklärte er. 

Alain Silberstein, muss man wissen, war einst ein Megastar der Uhrmacherei. Seine Uhren sind kreativ und spielerisch, sie kombinieren Bauhaus-inspirierte Geometrie mit kräftigen Primärfarben und unkonventionellen Zeigern in Form von Dreiecken, Wellen oder Zickzack-Linien. Sie sind deshalb auch ohne Logo sofort erkennbar und bei Sammlern beliebt – gerade in Japan. «Okay», biss der japanische Importeur an und bestellte: «Ihr habt elf Monate Zeit.» 

Manuel Emch hatte allerdings bis dato kein Wort mit Alain Silberstein gesprochen, doch es gelang ihm umgehend, den ehemaligen Innenarchitekten für ein gemeinsames Modell an Bord zu holen. Nicht zu dessen Nachteil notabene; Silberstein hatte 2012 seine Marke aufgeben müssen und war langsam etwas in Vergessenheit geraten – jetzt fand sein Name auf der Uhrenlandkarte wieder einen Platz.

Mit seiner Strategie hat Manuel Emch einen spektakulären Turnaround geschafft hat.

Mit seiner Strategie hat Manuel Emch einen spektakulären Turnaround geschafft hat.

Quelle: Diode SA / Denis Hayoun

Und es blieb nicht dabei: Es folgten Uhren in Zusammenarbeit mit vielen Persönlichkeiten, etwa mit den Uhrmachern Vianney Halter, Cédric Johner oder Konstantin Chaykin, mit dem Atelier Oï, mit der Nischenmarke Kudoke und anderen. Wie sehr die Strategie aufgeht, zeigt sich im Sekundärmarkt: Louis Erard ist wohl die einzige Marke in ihrem Preisbereich, deren Uhren gebraucht bis zu dreimal über dem Einstandspreis gehandelt werden. 

Die Episode mit Alain Silberstein verdeutlicht bestens, wie Manuel Emch tickt – er kann strukturiertes Denken mit Spass und spontanem Handeln verbinden. Seine Karriere im Uhrenbereich begann im Jahr 2000 bei Rado und ging sofort steil aufwärts: Schon im Juni 2001 wurde er Präsident und CEO der Swatch-Group-Marke Jaquet Droz. Es folgten fünf Jahre als Member of the Extended Management Board bei der Swatch Group sowie der CEO-Posten bei Romain Jerome. Witz und Einfallsreichtum bewies der gebürtige Grenchner da zum Beispiel mit der Eyjafjallajökull-Uhr, benannt nach dem Ausbruch des gleichnamigen Vulkans in Island 2010 – auf dem Zifferblatt waren Asche und Lava des Vulkans aufgetragen. Dass er auch wirtschaftlich ein glückliches Händchen hat, bewies Emch jetzt bei der Marke Louis Erard, wo er als eine Art halb externer Störmanager Architekt des spektakulären Turnarounds wurde. Heute ist sein offizieller Titel Delegierter des Verwaltungsrates.

Der kann sich über den Geschäftsgang freuen. Die Uhren, die zwischen 3200 und 4000 Franken kosten, haben ihren Platz in der Käufergunst gefunden: 3650 Stück wurden letztes Jahr verkauft, 45 Prozent direkt online, 55 Prozent via 70 Detaillisten in gegen 30 Ländern. Ziel sind 30 Prozent direkt, was 50 Prozent des Umsatzes entspräche. 

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