Wer ihm Aufträge gab, brauchte es hernach nicht zu bereuen – ganz im Gegenteil: Für Audemars Piguet etwa designte Gérald Genta die legendäre Royal Oak, für Patek Philippe die Nautilus. Beides sind Bestseller der Spitzenklasse geworden, und bei beiden erkennt man die Handschrift des Maestro. Typisch für ihn war etwa, dass er die Lünette einer Uhr als Spielwiese für die Gestaltung nutzte und zu inszenieren pflegte.
Auch die IWC Ingenieur geht auf das Konto von Genta, jedenfalls die kürzlich wieder aufgefrischte Version. Gearbeitet hat er – zum Teil indirekt über Zulieferer – für Omega, Universal, Timex, Lip, Hamilton oder Rolex. Es gab viele Modelle, Pasha für Cartier etwa oder die berühmte Mickey-Mouse-Uhr der Marke Gérald Genta.
Die gehört heute zur LVMH-Gruppe, Gérald Genta hatte sie im Jahr 2000 dem in Singapur domizilierten Unternehmen The Hour Glass verkauft, das sie später an Bulgari veräusserte, zusammen mit der Manufacture de Haute Horlogerie SA.
Das Kapitel muss für Genta schmerzlich geendet haben – dass die neuen Besitzer lange fast nichts aus seinen Marken machten und sie sozusagen aufs Abstellgleis schoben, habe ihm das Herz gebrochen, berichtete seine Witwe Evelyne später. Andere Zweifel kamen hinzu: «An der immer industrialisierter werdenden Welt begann er zu ersticken», steht im Buch «The Maestro and his Art», er habe zu bereuen begonnen, dass ein grosser Teil seiner Zeit durch Verpflichtungen aufgefressen wurde, die nichts mit der Kunst oder der Kreation zu tun hatten, sondern mit viel profaneren Fragen.
Im Jahr 2000 wollte er es dennoch wieder wissen und gründete seine dritte Marke: Gerald Charles hiess sie, das waren seine beiden Vornamen. Genta blieb bis zu seinem Tod 2011 deren künstlerischer Leiter, auch wenn er das Unternehmen 2003 an Investoren verkaufte, angeführt von der Familie Ziviani mit Giampaolo Ziviani.
Dessen Neffe, Federico, wurde 2018 CEO und gleiste eine neue Strategie auf. Er will, wie er sagt, die Geschichte der Marke öffnen, und setzt zunächst vor allem auf das von Gérald Genta entwickelte «Maestro»-Gehäuse, das an barocke Architektur erinnere. Als externer Designer unterstützt Octavio Garcia die Marke, er war zehn Jahre für Audemars Piguet tätig und arbeitete auch mit Gérald Genta zusammen. «Octava Garcia wird uns helfen, die Marke in die Zukunft zu bringen», sagt Federico Ziviani.
Heute seien 30 bis 40 Personen auf der Payroll der Marke, 1500 Uhren wolle man pro Jahr bauen, so Ziviani. In Lugano sind die Assemblage und die Administration daheim, die Werke kommen von der Vaucher Manufacture Fleurier, und in Genf wird die Edelsteinfassung vom Unternehmen Salanitro übernommen.
In den Archiven gebe es noch viele Entwürfe, sagt Federico Ziviani zur Zukunft: «Wir werden die Seele der Marke pflegen und etwas Modernität beifügen – die Grundlagen dafür sind alle da.»
Dieser Artikel erschien zuerst bei «Watch Around».