An seinem Handgelenk trägt er eine Favre-Leuba Bivouac aus den 1960er Jahren – nicht primär wegen des berühmten Höhenmeters, der sei gewiss hübsch zu haben, Laurent Auberson entschied sich aber vorab wegen des Designs für die Uhr: «Mir gefallen die Gesamtkomposition und die Schlichtheit sowie die Beschränkung auf die Farben Silber, Schwarz und Rot. Da ist nichts überladen.» Zu Favre-Leuba hat der Industriedesigner ohnehin eine spezielle Beziehung: Er gestaltete ab 2019 die Uhren der Marke – «bis die Besitzer den Stecker zogen».

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Laurent Auberson: Begonnen hat der Winterthurer seine berufliche Laufbahn mit einer Hochbauzeichner-Lehre

Laurent Auberson: Begonnen hat der Winterthurer seine berufliche Laufbahn mit einer Hochbauzeichner-Lehre

Quelle: ZVG

Es sind zwei Gründe, die für den 47-Jährigen die Uhr als Arbeitsfeld für einen Designer besonders attraktiv machen. Beim Gehäuse habe man es erstens mit einem dreidimensionalen Objekt zu tun, räumliches Denken und Gestalten sei also gefragt. Beim Zifferblatt wiederum handle es sich weitgehend um eine zweidimensionale Fläche – «hier stehen grafische Fragen im Vordergrund». Solch spannendes Zusammenspiel gebe es bei wenigen Objekten, dazu komme die Mechanik auf kleinstem Raum – «die Faszination dafür hat mich bis heute nicht losgelassen», sagt Laurent Auberson.

Begonnen hat der Winterthurer seine berufliche Laufbahn mit einer Hochbauzeichner-Lehre. Dann habe sich die Frage nach einem Studium gestellt, Auberson dachte zunächst an Architektur, verwarf den Gedanken aber, «irgendwie war mir das zu steif». Schliesslich rutschte er vorübergehend in den Dekorationsbereich, nicht für Schaufenster allerdings, sondern vor allem für Grossanlässe und Events, hauptsächlich mit dem Entwurf und Bau von speziellen Messeständen. «Doch mit der Zeit fehlte mir da die Beständigkeit. Kaum war ein Anlass vorbei, wurde alles abgerupft und weggeworfen.»

Als 27-Jähriger begann Auberson sein vierjähriges Studium für Industriedesign an der Fachschule für Gestaltung und Kunst in Aarau. Und stieg dann in Schaffhausen zunächst bei der Designagentur Id Connect ein, wo er für Zenith – eben hatte dort der heutige Rolex-Chef Jean-Frédéric Dufour das Ruder übernommen – massgeblich beim Redesign der Vintage-inspirierten El Primero beteiligt war, aber auch an den neuen Elite- oder Stratos-Modellen. Vor elf Jahren eröffnete er dann sein eigenes Designatelier.

Es gehört in der Uhrenbranche zum Schicksal der unabhängigen Designer, dass sie weitgehend im Schatten agieren müssen – viele Marken sehen es nicht gerne, wenn man weiss, wer extern am Designprozess beteiligt ist. Laurent Auberson ist da keine Ausnahme, er hat zwar für einige renommierte Marken gearbeitet, zum Beispiel an ikonischen Designs für Taucheruhren, aber man darf ihre Namen nicht nennen. Kleinere Brands sind da weniger empfindlich, es ist deshalb kein Geheimnis, dass Auberson zum Beispiel für Cimier gearbeitet hat, für Andreas Strehler, für Sherpa und Charles Giradier, Vault, Gallet, Chronoswiss, Lehmann oder Lang & Heyne und andere.

Am Anfang steht jeweils das Gespräch mit dem Auftraggeber – was einfacher klingt, als es manchmal ist. «Man spricht nicht immer die gleiche Sprache», sagt der Designer, unter dem Begriff «klassisch» zum Beispiel verstünden verschiedene Menschen mitunter etwas ganz anders. Generell sieht sich Laurent Auberson nicht als «Autoren-Designer», der überall auf Teufel komm raus seinen gestalterischen Stempel aufdrücken muss, sondern als Dienstleister. Wichtig sei, dass die Vorstellungen und Ideen der Kunden auf intelligente Art in das Produkt einflössen.

So war es etwa beim Modell Frømand – dänisch für Froschmann –, einer zeitgemäss interpretierten Taucheruhr für die dänische Marke Atelier Holgur. Co-Gründer Matthew de Bakker, selber passionierter Taucher, redete da entscheidend mit, etwa bei der Wahl eines Uhrenbandes, das mittels Velcro-Technik an das Gehäuse fixiert wird. Herausragendes optisches Merkmal der Uhr mit einem Schwarz-Etienne-Kaliber ist aber vor allem der über 20 Minuten reichende grafische Countdown-Balken auf der Lünette, der alle fünf Minuten schmaler wird. Kein Gimmick, so Auberson: «Je dringender der Taucher an die Oberfläche muss, desto schmaler wird der Balken, auf den der Minutenzeiger weist, ganz analog zum Sauerstoff in der Flasche, der immer knapper wird.» Dazu kommen, bei Taucheruhren selten, eine markante kleine Sekunde sowie massive Super-LumiNova-Klötzchen mit abgerundeten Ecken als Indizes.

Beim Gestalten bewegt sich Laurent Auberson, wie er sagt, zwischen «einem gewissen Rahmen sowie den Codes, die gegeben sind, und der Freiheit, etwas daraus zu machen». Es gehe um Proportionen, Farben und Flächen. Zwar sei die Leinwand immer die gleiche, man habe Zeiger, Indizes, ein paar fixe Punkte, vielleicht ein Datum und eine kleine Sekunde, aber es gebe Milliarden von Möglichkeiten, etwas daraus zu machen. So gesehen sei es wie beim Kochen oder bei der Musik: «Die Zutaten sind stets die gleichen, aber man kann damit mitunter etwas kreieren, das so cool ist, dass es einen glatt umhaut.»

Seine Designphilosophie? Auberson, der sein lichtdurchflutetes Atelier unter dem Dach eines typischen Backstein-Arbeiterhäuschens der Industriestadt Winterthur eingerichtet hat, denkt kurz nach. «Wichtig sind mir Klarheit und Gradlinigkeit, Schlichtheit auch. Dazu soll dann unbedingt auch ein gewisser Twist kommen, ein bisschen Verspieltheit.» Wichtig sei, dass man ein Hauptelement erkenne, welches den Rest mittrage. Und dass man die Sache nicht überlade. Im Grunde genommen sei es auch hier wie beim Kochen: «Bei einem Auberginen-Gericht muss man die Aubergine als wichtigsten Geschmack herausspüren. Dazu braucht es dann aber das gewisse Etwas – ein süsser Hauch dank der Kombination mit einer Reduktion aus Früchten zum Beispiel.»

Dieser Artikel erschien zuerst bei «Watch Around».

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