Vor fünf Jahren sorgte die kleine, feine Schaffhauser Uhrenmanufaktur H. Moser & Cie. im Vorfeld des noblen Salon Internationale de la Haute Horlogerie, der heute Watches & Wonders heisst, für Aufsehen. Moser präsentierte eine Uhr, die Elemente von diversen Uhrenikonen grosser Marken in sich vereinte. Da wurden Rolex zitiert, Patek Philippe, Girard-Perregaux, Breguet, Hublot, Panerai, Audemars Piguet. Und natürlich die Kollegen aus Schaffhausen, IWC.
Der Moser-Remix mit dem passenden Namen «Swiss Icons Watch» (siehe Bild unten) war, wie es Chef Edouard Meylan damals klarmachte, als Appell an die Industrie gedacht, als Kritik, als ironischer Einwurf. «Viele Marken kreieren und produzieren nur noch einen Hype, der die Substanz ersetzt», gab er zu Protokoll.
Kommerzielle Pläne verfolgte Meylan mit seinem Uhren-Frankenstein keine. Das recht unansehnliche Einzelstück sollte eigentlich versteigert werden, der Erlös an eine Uhrmacherschule gehen. Doch daraus wurde nichts, da nicht alle Marken Freude an Meylans uhrmacherischem Einwurf hatten. Die «Swiss Icons» wurde, kaum präsentiert, zurückgezogen und weggeschlossen. Sie wurde «leider manchmal missverstanden», so Meylan.
Wenig Missverständnisse dagegen können bei einer neuen Frankenstein-Uhr aufkommen. Denn sie hat einen klar kommerziellen Hintergrund. Die Rede ist von einer Kreation, die zwei der wichtigsten und begehrtesten Uhrendesigns von Maestro Gérald Genta zusammenrührt: die Nautilus von Patek Philippe und die Royal Oak von Audemars Piguet.
Doppel-Kopie wird als Kollision von Designs bezeichnet
Lanciert wurde sie von einer Tessiner Firma unter dem Label Genius Watches. Diese macht keinen Hehl daraus, dass sie die beiden Uhren reichlich schamlos kopiert. Sie verkauft das Abkupfern allerdings in fast magisch klingenden Worten: «Genius ist die Kollision von Designs, eine Kunstform, die aus dem kosmischen Einfluss von Formen geboren wurde», steht da auf der Verkaufs-Website. Obwohl die Uhren mit einem Allerweltsuhrwerk von Sellita ausgestattet sind, kosten sie eine Stange Geld: 2550 Franken. Die Version in Tiffany-blau (Bild) kostet nochmals 400 Franken mehr. Wahrscheinlich, weil mit der ikonischen Farbe des amerikanischen Juweliers ein weiterer Brand mitkopiert wird.
Hinter Genius steckt eine Aktiengesellschaft namens GG, früher Genta, aus Lugano. Eingetragen im Handelsregister wurde sie im September 2020. Einziger Zeichnungsberechtigter ist der in der Schweiz wohnhafte Italiener Saviano Damato, der mit drei weiteren Firmen in diversen Branchen aktiv ist.
Den Zwitter gibt es doppelt
Interessanterweise gibt es die von GG verkauften Uhren auch noch unter einem anderen Label zu kaufen: Ingenieux. Diese Marke verkauft der in Italien und Deutschland aktive, unautorisierte Uhrenhändler Paradiso Luxury aus Mailand.
Ob Genius oder Ingenieux: Die Produkte scheinen die gleichen zu sein. Paradiso verkauft seine Frankensteins allerdings für satte 5000 Euro.
1 Kommentar
Scheinbar bringen einige Firmen nicht fertig eigene Kreationen zu realisieren. Passend dazu wäre noch ein funkgesteuertes Quarzwerk.