Unruh – so heisst eines der wichtigsten Teile der Uhr. Aber darum geht es hier nicht. Unruh - so lautet auch der Titel eines Buches über die Geschichte der schweizerischen Uhrenindustrie von Bruno Bohlhalter. Das Buch können wir zur Lektüre wärmstens empfehlen. Aber auch darum geht es hier nicht.
Unrueh – diesmal schweizerdeutsch geschrieben – heisst auch ein Film, der aktuell in den Schweizer Kinos läuft. Es geht um Saint-Imier in den 1870er Jahren, um die Uhrenindustrie und um den Jura als damaliges Zentrum des Anarchismus. Regisseur ist der Zürcher Cyril Schäublin, der die Branche und ihre einstigen Arbeitsbedingungen aus familiären Erzählungen bestens kennt: Seine Urgrosseltern, Grosseltern und Tanten arbeiteten bei Revue Thommen, die Frauen vorab als Regleusen an der Unruh.
Der Film kommt optisch opulent daher, ein harmloser Historienschinken indes ist er nicht, eher ein politisches Epos rund um neue Technologien, welche eine kleine Uhrmacherstadt in der Schweiz des ausgehenden 19. Jahrhunderts veränderten. Ihren Auftritt hat die junge Fabrikarbeiterin Josephine, die sich in anarchistischen Zirkeln zu bewegen beginnt und Pjotr Alexejewitsch Kropotkin trifft, einen russischen Kartografen, Schriftsteller und Anarchisten.
«Eine erstaunliche, sehenswerte Fabel über den Kapitalismus», applaudierte die Zeitung «Le Monde», «der beste Film der Berlinale 2022», urteilte die «New York Times», «wunderbar vielfältig und entschieden gegen den Strich», fand das Schweizer «Filmbulletin».
Ein Disclaimer allerdings sei für Freundinnen und Freunde der schnellen und lauten Actionfilme angebracht: Sie werden wohl eher unruhig auf den Sesseln herumrutschen und sich langweilen. Wer hingegen umgekehrt bereit ist, sich auf einen langsamen Film einzulassen, der nebenbei historische Fakten über technische, wirtschaftliche und soziokulturelle Aspekte der Zeitmessung transportiert, wird den Abend im Kino goutieren. Sowieso: Einen Schweizer Film über die Schweizer Uhrenindustrie darf man sich nicht entgehen lassen.