Das neue Modell geriet zum Turbo für die Marke – man könnte sogar sagen: zum Rettungsring. Im Jahr 2023 lancierte Raymond Weil die hyperklassisch-puristische Linie Millesime, heute macht sie schon 25 Prozent der Verkäufe aus. «Letztes Jahr lief für uns gut, dank dieser Modellreihe konnten wir Rückgänge in anderen Märkten auffangen und unter dem Strich sogar mit einem leichten Plus abschliessen», freut sich CEO Elie Bernheim, der die Genfer Marke in dritter Generation leitet.
Die Aussage ist darum bemerkenswert, weil die Branche bereits 2024 wirtschaftlich mit starkem Gegenwind zu kämpfen hatte: Die Exporte sanken im Schnitt um 2,8 Prozent. Und wenn man weiss, dass ein paar Branchenlokomotiven wie Rolex und einige andere vorwärtsmachten, kann man sich ausmalen, wie schwierig das Jahr gerade für viele kleinere Marken war.
Elie Bernheim, der 2014 das Ruder des familiengeführten Schiffs übernahm, hat die Marke schon zuvor geschickt durch allerlei unruhige Gewässer navigiert. Er reduzierte nach und nach den damals noch beachtlichen Anteil von Quarzuhren (bei Herrenuhren auf fünf Prozent), regulierte die Produktionsmenge auf rund 80’000 Uhren jährlich ein, hob den Durchschnittspreis an, verschlankte das Verkaufsnetz – und lancierte neue Modelle.
Elie Bernheim ist seit 2014 CEO der Marke.
Mit Erfolg: Erstmals figuriert Raymond Weil dieses Jahr im Top-Ranking der 50 grössten Schweizer Uhrenmarken. Der Finanzdienstleister Morgan Stanley und das Beratungsunternehmen LuxeConsult setzen die Marke mit einem geschätzten Umsatz von 65 Millionen Franken auf Rang 42.
Fest steht: «Wir haben 2021, 2022, 2023 und 2024 ein Wachstum erzielen können», sagt der Chef, nebenbei ein talentierter Cello- und Klavierspieler. Auch wenn es nicht immer rosig aussah: «Ich kann Ihnen sagen, dass ich wirklich Schweissausbrüche hatte, als die Covid-Pandemie begann.» Seine Antwort war die Entwicklung und Lancierung des erwähnten Millesime-Modells – mit einer klaren Strategie: «Mir ging es darum, Märkte zu erobern, in denen wir nicht oder nur schwach vertreten waren.»
Eine Rechnung, die aufging: Raymond Weil punktete mit der Uhr unter anderem in Frankreich und Italien, der Markt Japan wurde «dynamisiert», wie Bernheim es formuliert. Und auch in Korea, Taiwan und anderen Ländern zeige die Verkaufskurve nach oben.
Dieses Jahr kommt Millesime neu im kleineren 35-Millimeter-Gehäuse. Ein Bestseller bleibt daneben das Modell Freelancer, das überarbeitet wurde und 40 Prozent der Verkäufe ausmacht. Und in der Pipeline ist eine neue Uhr im ellipsenförmigen Gehäuse, Toccata genannt, die noch dieses Jahr lanciert werden soll.
Dass China im Ländermix für Raymond Weil weniger als ein Prozent schwer ist, war in den jüngeren Jahren ein Vorteil; von den Problemen in diesem Markt war man kaum betroffen. Schwieriger könnte es fortan in den USA werden, dem grössten Markt der Marke. Doch Elie Bernheim will nicht auf Panik machen, er blicke «vorsichtig, aber dennoch optimistisch» in die Zukunft. Preisaufschläge wegen Zöllen seien in seiner Preisklasse – 1000 bis 4000 Franken – noch einigermassen verkraftbar. Und ohnehin gehe jede Krise einmal vorbei. Schliesslich habe er einen nicht zu unterschätzenden Geschäftsvorteil: «Als Familienunternehmen habe ich keine Aktionäre im Nacken, die auf Teufel komm raus nach Wachstum gieren.»
Für die langfristige Zukunft hat Elie Bernheim einen Herzenswunsch: «Glücklich wäre ich, wenn dereinst die vierte Generation willens ist, auf die Kommandobrücke zu kommen.»