Vivian Stauffer, CEO der Marke Hamilton, gibt es gerne zu – und zwar mit einem breiten Lachen im Gesicht: «Wir wussten gar nichts.» Zwar hatte die Bieler Marke mit amerikanischen Wurzeln dem Filmregisseur Christopher Nolan ein paar Dutzend komplexe und speziell auf die Wünsche des Filmemachers angefertigte Uhren geliefert – wir kommen auf die Details zurück –, doch dazu, was Nolan im geplanten Film namens «Tenet» damit machen wollte, war man am Hauptsitz an der Bieler Länggasse 85 zunächst total ahnungslos.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Und das ist ziemlich typisch für den ungezwungenen, aber gleichzeitig effizienten Umgang Hamiltons mit dem Thema Uhren im Film: Zwar sind Zeitmesser der Marke bisher in über 500 Streifen sichtbar getragen worden, oft in einer tragenden Rolle, doch man verfolgt dabei einen sehr eigenen Ansatz. Wichtiger Punkt dabei: «Wir haben noch nie einen Rappen für Product Placement bezahlt», sagt Vivian Stauffer.

Das Prinzip: Es ist nicht die Marke, die den Filmemachern ihre Produkte anpreist, es sind die Filmemacher, die bei Hamilton mit einem spezifischen Anliegen anklopfen. So war es etwa bei der Uhr, die Schauspieler John David Washington in «Tenet» trug. Gefragt war ein Zeitmessgerät, das einerseits die Zeit ganz normal analog anzeigt, zweitens aber zusätzlich über eine stark leuchtende Digitalanzeige quer über die ganze Zifferblattbreite verfügt – und zwar mit einer Countdown-Funktion, welche im Science-Fiction-Action-Spionage-Film entscheidend ist und immer wieder prominent aufscheint. Mit diesem Stück lernt ein Rekrut im Plot, gespielt von John David Washington, zwischen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft zu navigieren, um in einer verdeckten Mission den Dritten Weltkrieg zu verhindern.

Oft verstünden die Filmleute nichts von Uhren, sagt Vivian Stauffer – «und genau das ist ein Vorteil». Wer sich nicht um Machbarkeit und uhrmacherische Traditionen schere, sondern unbekümmert out of the blue Ideen entwickle, komme mitunter zu höchst originellen Wünschen. «Unsere Teams setzen das dann in ein Produkt um, was einiges Kopfzerbrechen verursachen kann, aber immer auch viel Spass macht.»

Sonderanfertigung einer Khaki Navy Belowzero für den Film «Tenet».

Sonderanfertigung einer Khaki Navy Belowzero für den Film «Tenet».

Quelle: ZVG

So war es bei der Uhr für «Tenet». In der Schublade hatte man so etwas nicht bei Hamilton, also musste die Uhr von Grund auf neu entwickelt werden. Die analogen Zeiger sind bei dieser Sonderanfertigung einer Khaki Navy Belowzero unbeweglich fix montiert und zeigen jeweils die in der entsprechenden Szene benötigte Zeit an. Das gibt Raum im Gehäuse für die Elektronik, ohne dass sie mittig von einer Achse durchbohrt werden muss. Dank einer grossen externen Batterie leuchtet die digitale Anzeige dann richtig flashy in Rot oder Blau. Gegen 100 Stück mussten geliefert werden.

«Prop Watches» heissen solche Uhren, die speziell für einen ganz bestimmten Film als Unikate entwickelt und hergestellt werden. Manchmal kommt als Folge ein Derivat davon auf den Markt – so war es zum Beispiel bei der Uhr, welche 2014 im Kultfilm «Interstellar» ihren Auftritt hatte. Sie war von Hamilton in enger Zusammenarbeit mit Regisseur Christopher Nolan entwickelt worden, um genau in die Filmhandlung zu passen.

Zu kaufen gab es das Stück in Fliegeruhr-Anmutung allerdings nicht, was viele Fans bedauerten. Erst fünf Jahre später, 2019, änderte sich dies, Hamilton präsentierte das jetzt käufliche Modell unter dem Namen Khaki Field Murph. Es sah genau aus wie die Uhr im Film und hatte auf dem Sekundenzeiger, kaum sichtbar, die Inschrift «Eureka» – passend zum Film in Morsezeichen. Der Erfolg sei gross gewesen, erzählt CEO Stauffer, «aber es gab auch eine Kritik». Sie betraf die Grösse der Uhr im 42-Millimeter-Gehäuse: «Macht einfach eine 38-Millimeter-Version», schrieben viele Fans per Mail und in den sozialen Medien. Und so kam es zur neuen Khaki Field Murph 38 MM – «same watch but smaller», wie es in der Werbung hiess.

Diese Hamilton-Uhr hatte im Kultfilm «Interstellar» ihren Auftritt.

Diese Hamilton-Uhr hatte im Kultfilm «Interstellar» ihren Auftritt.

Quelle: ZVG

Prop Watches sind für Hamilton der aufwendigste Weg in die Kinosäle, es geht aber mitunter auch einfacher: Immer wieder kommt es vor, dass von Hollywood Modelle aus existierenden und aktuellen Kollektionen als Requisit erbeten werden. Mitunter ist auch eine ältere Uhr gesucht, etwa für einen Film, der in den 1920er oder 1930er Jahren spielt, Hamilton übernimmt dann das Vintage-Watch-Sourcing. «Und manchmal erscheinen unsere Uhren auch in Filmen, etwa auf Netflix, ohne dass wird etwas davon wissen», sagt Vivian Stauffer.

Bis vor ein paar Jahren, dies nebenbei, glaubte man bei Hamilton, dass der erste Film mit einer Uhr der Marke 1951 gedreht worden sei, nämlich der US-amerikanische Kriegsfilm «Frogmen» von Lloyd Bacon. «Erst später wurde klar, dass wir schon 1932 einen Weg auf die Leinwände gefunden hatten», sagt Stauffer. «Und wir können nach wie vor nicht ganz ausschliessen, dass es schon früher eine Hamilton-Uhr in einem Film gab.»

Aktuellstes Beispiel ist «Indiana Jones» von und mit Harrison Ford, der erst kürzlich in Cannes gefeiert wurde. Der Schauspieler selber hat dafür das Modell ausgewählt, eine Hamilton Boulton. Die in den 1940ern lancierte Uhr ist heute als Modell mit einem Quarzkaliber nach wie vor erhältlich. Nebenbei: Indys treuer Freund Renaldo trägt im Film ebenfalls eine Hamilton, eine speziell angefertigte Khaki Navy Scuba.

Hamilton-Uhr in Indiana Jones

Harrison Ford als «Indiana Jones» trägt die Hamilton Boulton.

Quelle: ZVG

Die Liste der Filme mit Hamilton-Uhren ist endlos lang. Hier die wichtigsten Meilensteine im Zeitraffer – neben den bereits erwähnten «Interstellar» (2014) und «Tenet» (2020):

1932: «Shanghai Express» mit dem 1930 produzierten Modell Flintridge. Die Uhr, die Schauspieler Clive Brook als Captain Donald «Doc» Harvey am Handgelenk trägt, spielt im Film eine romantische Rolle. Denn im Sprungdeckel der Uhr hat der Mann ein Foto seiner angehimmelten Shanghai Lily platziert, gespielt von Marlene Dietrich. Ein Liebesbeweis, den die Frau nach längerer Trennung sieht und der sie überzeugt.

«Shanghai Express» mit dem 1930 produzierten Modell Flintridge.

«Shanghai Express» mit dem 1930 produzierten Modell Flintridge.

Quelle: ZVG

1961: «Blue Hawaii» mit einer Hamilton Ventura, die damit zur Elvis-Uhr wurde. Elvis Presley hatte in diesem Musikfilm seine wohl erfolgreichste Rolle. Die gezackte Linie quer über das Zifferblatt der dreieckigen Uhr mit einem hälftig schwarzen und goldenen Uhrenband sowie der Hinweis «Electric» wiesen auf das damals innovative Kaliber des Modells hin. Hamilton hatte 1957 die erste elektrische Uhr der Geschichte entwickelt, äusserlich gestaltet wurde sie vom amerikanischen Industriedesigner Richard Arbib. Die gleiche Uhr, diesmal mit einem schwarzen Bändeli, hatte auch 1997 im Film «Men in Black» eine Schlüsselrolle – an den Handgelenken von Agent J (Will Smith) und Agent K (Tommy Lee Jones). Die Ventura ist seither in jedem «Men in Black»-Film dabei, als Teil ihrer Uniform.

«Blue Hawaii» mit einer Hamilton Ventura, die damit zur Elvis-Uhr wurde.

«Blue Hawaii» mit einer Hamilton Ventura, die damit zur Elvis-Uhr wurde.

Quelle: ZVG

1968: «2001: A Space Odyssey» – und ein historischer Moment in der Geschichte der Marke. Denn für diesen monumentalen Science-Fiction-Film von Regisseur Stanley Kubrick baute Hamilton ihre erste Prop Watch überhaupt. 2006 wurde ein leicht verändertes Modell unter dem Namen ODC X-01 kommerzialisiert.

Erste Prop Watch von Hamilton überhaupt – für Kubriks «2001: A Space Odyssey».

Erste Prop Watch von Hamilton überhaupt – für Kubriks «2001: A Space Odyssey».

Quelle: ZVG

2006: Behind the Camera Awards. Keine Uhr, sondern ein inzwischen bereits zwölf Mal verliehener Preis für Leute, die hinter der Kamera arbeiten, zum Beispiel für die Konstümdesignerin Janie Bryant. Mit Folgen: Für Hamilton gestaltete sie 2021 als Folge eine «Capsule Collection» mit verschiedenen Modellen.

2023: «The Wandering Earth II». Ein wichtiger Schritt für die Marke, weil für diesen Science-Fiction-Action-Abenteuer-Film von Regisseur Frant Gwo erstmals eine Prop Watch nicht für Hollywood, sondern für einen chinesischen Filmemacher entwickelt wurde. Die Uhr ist ein transparentes Futuro-Seventies-Modell mit einem Konzept aus der chinesischen Philosophie: ein runder Himmel, der eine quadratische Erde umfasst. 122 Stück wurden davon auch kommerzialisiert, dazu ist auch unlimitiert eine adaptierte Jazzmaster Thinline The Wandering Earth II.

Die erste Hamilton für einen chinesischen Film; «The Wandering Earth II».

Die erste Hamilton für einen chinesischen Film; «The Wandering Earth II».

Quelle: ZVG

Jährlich gibt es zehn bis zwölf Filme mit einer Hamilton-Uhr, nur zwei oder drei darunter werden von der Marke dann auch aktiv beworben.

Kleine Anekdote zum Schluss: Obwohl Elvis Presley ein Fan des Modells Ventura war und diese «Elvis-Uhr» auch gerne verschenkte, trägt er in der im letzten Jahr angelaufenen Filmbiografie «Elvis» ein anderes Modell. Die Ventura sei derart ikonisch und bekannt, sagte die Produktedesignerin Catherine Martin gegenüber der «New York Times», «dass wir sie nicht zum Hauptbestandteil der Geschichte machen wollten». Das klang wie eine Befürchtung – als hätte man Angst, die legendäre Uhr könnte Hauptdarsteller Austin Butler plötzlich in den Schatten stellen.

 

Dieser Text erschien zuerst in «Watch Around».

BILANZ Watches Newsletter abonnieren
Erhalten Sie jeden Freitagnachmittag unseren BILANZ Watches Newsletter und erfahren Sie alles über aussergewöhnliche Zeitmesser, die Macherinnen und Macher hinter den Marken, Branchengeflüster und Trends.
BILANZ Watches Newsletter abonnieren