Der Name ist nur Insidern bekannt, die Produkte hingegen kennen alle, die Uhren mit coolen Werken lieben: Agenhor heisst das kleine Unternehmen, es liefert ausgeklügelte Kaliber für Marken, die bei Kennern einen exzellenten Ruf geniessen. Treuer Kunde war zum Beispiel H. Moser & Cie. aus Schaffhausen, eine Marke, die zur Melb-Luxe-Gruppe gehört (wie auch Hautlence und Precision Engineering).
Die News der Woche in Bereich der kreativen, unabhängigen Marken war nun, dass H. Moser & Cie. finanziell bei Agenhor einsteigt. Und man nahm in der Begründung für diesen Entscheid kein Blatt vor den Mund: «In einer wettbewerbsintensiven Branche, in der die grossen Konzerne die Spielregeln diktieren, ist die Zusammenführung von Agenhor und H. Moser & Cie. durch die MELB Luxe ein wichtiger strategischer Schritt», schreiben die beiden Unternehmen.
Keine Elefantenhochzeit, aber ein spannender Zusammenschlusss
Klar: Das ist keine Elefantenhochzeit. Aber ein hochspannender Zusammenschluss im Segment der kreativen, unabhängigen Brands. Aber auch ein Deal, zu dem keine finanziellen Details kommuniziert wurden.
Konkret nimmt Edouard Meylan, Chef von H. Moser & Cie., Einsitz im Verwaltungsrat: «Die Akquisition wird es uns ermöglichen, uns weiterzuentwickeln und an neuen Werken für H. Moser & Cie. sowie Hautlence zu arbeiten.» Da der Mehrheitsanteil in den Händen der Familie Wiederrecht bleibe, könne sich Agenhor frei entwickeln und dabei bei Bedarf auf die Unterstützung der Familie Meylan zählen. Besonders wichtig: Moser gibt Agenhor neben finanzieller Sicherheit auch einen Zugang zu den Regulierorganen der Precision Engineering – ein strategisch wichtiges Teil im Herzen der Uhr, welches nicht viele Unternehmen produzieren können. Im Gegenzug verstärkt Moser seine Versorgung mit wichtigen Modulen und Uhrwerken.
Agenhor arbeitet für Parmigiani, Hermès, Singer, Harry Winston, Hautlence
Agenhor darf oft nicht sagen, wer ihre Kunden sind, aber im Grunde genommen weiss man es: Es ist zum Beispiel ein Agenhor-Modul, das beim Modell PF GMT von Parmigiani Fleurier die Schleppzeiger antreibt – die Uhr war eines der Paradestücke am letzten Genfer Uhrensalon. Und wenn die Zahlen stimmen, die man hört, handelt es sich um einen Bestseller unter den Bestsellern: die meistgefragte Neuheit in der dynamischsten Kollektion von Parmigiani Fleurier.
Ähnliches gilt logischerweise für H. Moser & Cie. Das begehrteste Modell ist ein Chronograph mit zentraler Anzeige in der Modelllinie Streamliner – ausgestattet mit dem AgenGraphe, dem von Agenhor entwickelten integrierten modularen Kaliber. Derselbe AgenGraphe steht auch im Mittelpunkt des Wachstums von Singer Reimagined. Und auch Hautlence baut auf Mechanik von Agenhor, wie es zuvor Harry Winston und andere taten – oft preisgekrönt.
Zu den Marken, die nie ein Geheimnis aus ihrer Zusammenarbeit mit Agenhor gemacht haben, gehört übrigens Hermès, etwa beim legendären Stück Arceau Le Temps Suspendu, aber auch für andere Modellen.
Familienunternehmen plus Familienunternehmen
Agenhor, das sind heute Nicolas und Laurent Wiederrecht, zwei Brüder und Söhne des Uhrmachers Jean-Marc Wiederrecht, welche die Leitung des Familienunternehmens Agenhor in Genf-Meyrin übernommen haben. H. Moser & Cie. wird von Edouard Meylan geleitet. Die Marke hat sich für Uhren mit feiner Mechanik und einem eleganten und minimalistischen Design einen Namen gemacht. Und dazu für Marketingkampagnen, welche die Branche mitunter herausfordern und provozieren. Zum Beispiel 2017 mit der «Swiss Mad Watch» mit Bestandteilen aus Schweizer Käse sowie einer Schweizer Fahne als Zifferblatt. Man wollte damit die Diskussion darüber ankurbeln, was wirklich eine Schweizer Uhr und Swiss Made ausmacht.
Die Familie Meylan hat H. Moser & Cie. wenige Tage vor dem Stichtag für den Konkurs übernommen und innert zehn Jahren zur strahlenden, bei Sammlern beliebten Vorzeigemarke umgebaut. Jetzt, mit der Minderheitsbeteiligung bei Agenhor, wurde zweifellos ein neues Brikett für die Zukunft aufgelegt.