Erklärt ein Wissenschaftler, was passiert, wenn eine Keramiktasse auf den Boden fällt, kann es kompliziert werden. Doch bei Bernhard Heidenreich wird es unterhaltsam: «Die Tasse bekommt einen Riss», sagt er, «und dieser Riss saust mit Schallgeschwindigkeit durch das Material.» Profaner formuliert: Die Tasse zerbirst rasend schnell in tausend Teile. 

Bernhard Heidenreich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung für keramische Verbundstrukturen im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). Und er ist der vielleicht profundeste Kenner, wenn es um einen besonderen Werkstoff geht, um faserverstärkte Keramik. 
Doch was hat das alles mit der Uhrenindustrie zu tun? Die Antwort: normalerweise nichts, aber im Fall von IWC einiges. Denn seit 2013 pflegt IWC mit dem DLR eine Partnerschaft. Das Ziel im übertragenen Sinn: Die fallende Keramiktasse soll ganz bleiben. Konkreter auf IWC bezogen: Uhren sollen ein Gehäuse erhalten, das härter im Nehmen ist als alles, was man bisher kannte. «Ein Technologietransfer der besonderen Art», hiess es dazu an einem Anlass beim DLR in Stuttgart. 

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Die Innovation vom DLR und IWC: keramischer Faserverbundwerkstoff.

Die Innovation vom DLR und IWC: keramischer Faserverbundwerkstoff.

Quelle: PR

Es gibt für das Projekt einen zweiten federführenden Akteur, dessen Name man sich ohnehin merken sollte: Lorenz Brunner, Chef der Innovationsabteilung bei IWC Schaffhausen. Schon als Jugendlicher war er fasziniert von Technik und Wissenschaft im Allgemeinen sowie von Werkstoffen im Besonderen – er doktoriert zum Thema thermoplastische Polymere. Nebenbei war er auch von Zeitmessern fasziniert. Auf dem Weg zur ETH in Zürich blieb er an der Bahnhofstrasse jeweils vor Schaufenstern mit IWC-Uhren stehen. «Dort», sagte er sich, «würde ich gerne arbeiten.»

Und so geschah es auch. Brunners Motivation: «Unsere Antriebsfeder ist es seit je, Neues zu machen. Etwas, das bisher noch nie gemacht worden ist.» 

Zum Beispiel das Gehäuse aus einem völlig neuen Werkstoff. Die Meisterleistung war in diesem Fall der Transfer einer Technik, die normalerweise für grosse Raketenteile ausgelegt ist, auf die Dimensionen einer Uhr. Denn faserverstärkte Keramik hat nicht nur den Vorteil, als Werkstoff besonders hart, bruch- und verschleissfest zu sein, sie ist auch äusserst beständig gegen Thermoschocks und mithin geeignet für Wärmeschutzsysteme und Raketenteile, für die Expansionsdüsen zum Beispiel. Schon lange suchte das DLR aber auch nach Anwendungen für sehr kleine Teile und spannte deswegen gerne mit IWC zusammen. Das Ergebnis ist die IWC Big Pilot’s Watch AMG G 63. Es ist das erste Modell von IWC mit einem Gehäuse aus keramischem Faserverbundwerkstoff – was die mattschwarze Optik auch offenlegt. Denn die Struktur des Gehäuses ist durch die Fasern vorgegeben und wird nach der Endbearbeitung mit Diamantwerkzeugen sehr gut sichtbar.

IWC

Die IWC Big Pilot’s Watch AMG G 63.

Quelle: PR

Begonnen hatte alles vor elf Jahren mit einer E-Mail von Bernhard Heidenreich, wie IWC-Mann Lorenz Brunner berichtet: «Er hatte die Werbung für eine Karbon-Uhr gesehen, die wir damals eben lancierten. Und er dachte sich, da könnte es doch spannend sein, keramischen Faserverbundwerkstoff zu verwenden.» Brunner war begeistert, da er ähnliche Ideen auch schon gewälzt hatte. Und IWC ohnehin neben Stahl, Gold und Titan auch schon Keramik als Gehäusematerial einsetzte.

Auf dem Weg zum Ergebnis gab es einige Hürden, wie Brunner berichtet. Erstens, wie erwähnt, die Grösse: «Unser Gehäuse ist mit Abstand das kleinste Teilchen, das damit gebaut wurde. Somit war der Bereich Dimensionstoleranz extrem herausfordernd.» Zweite Knacknuss war der optische Aspekt: «Ein Teil, das in den Weltraum fliegt, muss nicht zwingend ästhetisch überzeugen. Doch bei uns muss jede Komponente schön sein.» Und das sei immer wieder eine Herausforderung bei solchen Projekten.

Belohnt wurde das Kopfzerbrechen der Ingenieure mit ein paar schlagenden Vorteilen des Materials: zunächst der Härte, üblicherweise in Vickers gemessen. Stahl erreicht auf der Vickers-Skala den Wert 200, Keramik kommt auf 1200 bis 1300, und die faserverstärkte Keramik verdoppelt nochmals auf 2400. Dazu kommt eine verblüffende Leichtigkeit: Das Material ist halb so schwer wie das als besonders leicht geltende Element Titan und immer noch leichter als Aluminium.

Ausgangspunkt für den Prozess, dies als Information für technisch Interessierte, ist ein herkömmlicher, kohlenfaserverstärkter Kunststoff. Die Kohlenstofffasern werden zerschnitten, mit einem Harz infiltriert, in eine Form gepresst und gebrannt. Vereinfacht gesagt wird das Ganze dann in einem Hochtemperatur-Prozess, der sogenannten Pyrolyse, in eine Kohlenstoffmatrix umgewandelt. Die ist porös und kann im letzten Prozess in den winzigen Hohlräumen Siliziumkristalle aufnehmen, die chemisch mit dem Kohlenstoff reagieren. Ab jetzt hat das Gehäuse den gesuchten Härtewert und lässt sich nur noch mit Diamantwerkzeugen bearbeiten.

Das Endprodukt ist ganz nach dem Gusto von IWC-CEO Christoph Grainger-Herr: Im Grunde genommen, erklärte er in Stuttgart, verkaufe die Uhrenbranche etwas, «das niemand braucht, aber viele haben wollen». Dafür müsse man die Leute allerdings immer wieder begeistern können. Und dazu gehöre zweifelsfrei herausragendes Design gepaart mit technischen Meisterleistungen.

Steckbrief IWC Big Pilot’s Watch AMG G 63

Gehäusedurchmesser: 46,5 Millimeter

Werk: Manufakturkaliber 52010

Gangautonomie: 7 Tage

Preis: 44’000 Fr.

Besonderes Merkmal: Gehäuse aus faserverstärkter Keramik

IWC
Quelle: PR
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