Pierre, wie geht es Ihnen?

Es geht mir sehr gut, obschon alles sehr intensiv ist, einerseits das mit der Uhrenmarke mit meinem Vater, dann habe ich geheiratet, und im Sommer werde ich Vater. 

Sie sind ein Biver – haben endlos Energie.

Was am meisten hilft, ist die Leidenschaft. Ich habe meinen Vater zeitlebens davon reden gehört. Und muss zugeben, er hatte recht. Wenn man liebt, was man tut, dann erscheinen einem auch die grössten Herausforderungen machbar. Und ich meine: Ich habe die grossartige Möglichkeit, mit meinem Vater diese Uhrenmarke aufzubauen und eines Tages das Unternehmen hoffentlich auch zu führen – das ist bereits, wie ein Kind zu haben: Man geht durch alles durch, hält vieles aus, weil man es liebt und es das alles wert ist.

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Sie sind im Februar 2022 zusammen gestartet. Was war in dieser Zeit Ihr grösstes Learning?

Demut – gegenüber dem, was wir machen, gegenüber meinem Vater und gegenüber den Leuten, die mit uns arbeiten und uns helfen, die Dinge so zu tun, wie wir uns das vorstellen. Wir arbeiten auf einem sehr hohen Level an Savoir-faire, unsere Leute haben so viel Erfahrung und Kenntnis – ich bin der mit am wenigsten von allem und kam mir erst einmal wirklich klein vor. Humility ist der Kern unseres Unternehmens, das weiss ich heute, musste es lernen, manchmal auf die harte Tour.

Harte Tour?

Zum Beispiel, weil ich Dinge erzwungen habe – entgegen dem, was die Kollegen vorgeschlagen hatten. Ich hatte nicht immer unrecht, aber genug oft, um daraus zu lernen. Es hat letztlich auch dazu geführt, dass wir noch viel enger zusammenhalten.

Welche Rolle spielt dabei Ihr Vater?

Er ist ein sehr guter Teamleader, und seine Philosophie ist, dass man, wenn man ein gutes Team aufbauen will, die Leute auch Fehler machen lassen soll. Ich mit meinen jungen Jahren und meinem Enthusiasmus wollte ab und zu einfach das machen, was ich im Kopf hatte und wovon ich absolut überzeugt war. Inzwischen weiss ich, dass das nicht die beste Art ist, die uns vorwärts bringt. 

Heisst, Sie haben gelernt, Fragen zu stellen statt Forderungen?

Etwas in der Richtung, ja. In den zwei vergangenen Jahren hat sich vieles darum gedreht, Ideen neu zu formulieren. Meine Philosophie hat sich auch verändert, meine Art, die Dinge zu sehen. Ich würde sagen, es ist allen so ergangen.

Worauf sind Sie am meisten stolz?

Ich bin ein Produktmensch. Mich interessieren vor allem Design und Ingenieurskunst. Stolz bin ich auf das Atelier und das Team, das wir um uns haben, viele sind jung und leidenschaftlich, wir haben auch einige sehr Erfahrene, ein grossartiger Mix. Wir sind nun 20 Leute. Und wissen Sie was? Die Art, wie wir hier strukturiert sind, ist der Beziehung zwischen mir und meinem Vater sehr ähnlich. Ein Mix aus Jugend und Enthusiasmus sowie Erfahrung und Ruhe. 

Ihre Uhren kosten ab einer halben Million aufwärts, ergo bewegen Sie sich geschäftlich in sehr wohlhabenden Kreisen. Wie passen Sie da rein? 

Von Fall zu Fall verschieden. Es gibt Kunden, die sind meinem Vater näher bezüglich Alter, Sichtweisen und finanzieller Möglichkeiten. Aber unabhängige Marken sind gerade bei jüngeren vermögenden Kunden sehr im Kommen, daher haben wir auch Kunden, die mir näher sind als meinem Vater. Aber Hineinpassen ist eh das falsche Wort. Der Schlüssel ist, jeden Kunden genau richtig zu bedienen. Die einen kommen zu meinem Vater nach Hause zum Essen, andere wollen, dass ich nach Hongkong komme, um ihnen die Uhren zu zeigen. 

Ich bin ganz klar ein Produkt meiner Generation und er von seiner.

Pierre Biver: «Ich bin ganz klar ein Produkt meiner Generation und er von seiner.»

Quelle: François Wavre / lundi13

Wie viele Uhren machen Sie?

Minute Repeater 15 pro Jahr. 

Die sind verkauft, bevor sie gemacht sind.

Ja. Und wir haben inzwischen weniger einzigartige Uhren. Es gibt auch Kunden, die uns und unsere Zulieferer challengen. 

Sie machen Uhren auf Bestellung?

Ja, das Werk bleibt, aber in Sachen Design versuchen wir zusammen mit unseren Zulieferern Kundenwünsche zu erfüllen. 

Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen Ihnen und Ihrem Vater?

Es sind alles Generationenfragen. Ich bin ganz klar ein Produkt meiner Generation und er von seiner. 

Das heisst?

Die Einstellung meines Vaters zur Arbeit ist old school: Er wacht um vier Uhr morgens auf, ist um halb sechs Uhr hier und am Abend der Letzte, der nach Hause geht. Er beantwortet jede E-Mail innerhalb von zehn Minuten, ist immer auf Zack. Bei mir ist alles etwas entspannter, auch wenn ich gleich intensiv arbeite, aber einfach etwas flexibler mit einem anderen Blick auf die Arbeit.

Ihr Vater sagte in einem Interview, das wir vor zwei Jahren geführt haben, dass er mit dieser Uhrenmarke sein Lebenswerk beschliessen und sich dann zurückziehen wolle. 

Seine Haltung ändert mit der Zeit. Er bleibt dabei, bis das Baby laufen kann, wird dann aber nicht zwangsläufig ausscheiden, sondern weiterhin nahe sein. Heute ist er der CEO, er führt die Firma, er checkt alles, die Buchhaltung, die Businesspläne, die Qualitätskontrolle – das hat er langsam ein bisschen gesehen. Ich denke, wir werden eine hybride Art und Weise finden, wie wir in fernerer Zukunft arbeiten.

Wo sehen Sie sich denn in fünf Jahren?

Wir werden einen ziemlich interessanten Katalog an spannenden Komplikationen haben – mit modernem Twist, wie wir ihn uns verordnet haben. Ich selber werde immer noch da sein, das Gleiche tun, mit einem grösseren Team und wohl auch mit mehr Platz. Ich hoffe, mein Vater ist dann noch an meiner Seite und so aktiv, wie er es jetzt ist. Ich nehme jedes Jahr, in dem er noch aktiv sein will, als Geschenk und als Möglichkeit zu lernen. Wenn er findet, dass wir nun bereit sind, und er sich zurückziehen kann, verdient er das auch. Interessant ist der Zehn-Jahres-Horizont: Wir wissen von anderen Unabhängigen, dass die ersten zehn Jahre oft sehr fruchtbar sind und die zweiten zehn Jahre schwieriger werden, und erst wenn man die geschafft hat, dann kommt man wirklich in Fluss. 

Werden Sie auch günstigere Uhren herstellen? 

Wir sind sehr hoch positioniert, und daran wird sich nichts ändern. Es ist auch nicht der Preis, der uns vorgibt, wohin wir uns entwickeln, sondern es sind das Design und Komplikationen. 

Steht Wachstum auf der To-do-Liste?

Ganz klar, dafür braucht es die Leute. Die 20 Leute zu finden, die wir jetzt sind, war recht einfach dank dem Projekt, dem Namen meines Vaters und weil wir einige der besten Uhrmacher und Dekorateure anlocken konnten. Jetzt erreichen wir eine gläserne Decke beim Recruiting und spüren, dass der Arbeitsmarkt recht angespannt und ausgetrocknet ist. 

Was tun Sie?

Wir probieren es einfach. Wir haben einige gute Argumente im Wettbewerb um die Besten. Unsere Uhrmacher machen alles selber an einer Uhr. Es gibt keine Segmentierung, die können arbeiten, wie sie wollen, haben viel Freiheit und ein tolles Arbeitsumfeld, unsere Konditionen sind interessant. Wir bezahlen jedem das bestmögliche Salär – ein Überbleibsel aus der Hippiezeit meines Vaters: Wenn man den Leuten gibt, was sie für ihre Arbeit auch verdienen, dann ist das ein Zeichen von Respekt. 

Wie gross ist Ihr Ehrgeiz auf einen Preis am Grand Prix d’Horlogerie de Genève?

Wir wollen unbedingt eine, zwei, drei dieser Auszeichnungen in verschiedenen Kategorien erreichen – aber es ist aktuell nicht unsere Priorität.

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