Raynald Aeschlimann ist seit 2016 Chef von Omega. Und kaum war er auf dem Posten, gab er dem Online-Uhrenmagazin «Hodinkee» ein aus heutiger Sicht denkwürdiges Interview. Gefragt, ob er das explizit formulierte Ziel seines Vorgänger Stephen Urquhart, Rolex zu überholen, teile, sagte Aeschlimann: «Ich bin ehrgeizig, wir sind ehrgeizig, und ich will nicht leugnen, dass das Ziel dasselbe bleibt.»

Nun: Mit Ehrgeiz allein kommt man in der Uhrenindustrie nirgends hin. Um Rolex zu überholen, bräuchte Omega – genau wie jede andere Uhrenmarke – ein Wunder. 2019 war Rolex noch gut doppelt so gross wie Omega, damals die Nummer zwei im Markt. Letztes Jahr setzte Rolex fast 10,6 Milliarden Franken um, doppelt so viel wie 2019. Omega dagegen konnte die Umsätze im gleichen Zeitraum bloss um 1 Prozent steigern – und ist, hinter Cartier, nun die Nummer drei, bedrängt von Audemars Piguet.

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Die besten der dreissig grössten Uhrenmarken – und die schlechtesten

Vorjahresvergleiche sind in der Uhrenindustrie gefährlich und wenig aussagekräftig. Ein Marke kann mit einem Modell floppen oder Erfolge feiern, kurzfristige Konsumabstinenz – wie aktuell in China – kann die Verkäufe spürbar drücken. Langfristige Vergleiche dagegen zeigen, wer sich im Markt nachhaltig behauptet und wer nicht, wer nach dem Pandemieeinbruch locker wieder auf die Beine gekommen ist und wer nicht.

Schauen wir zuerst, wie sich die aktuell dreissig grössten Uhrenmarken der Schweiz – immer gemäss den Daten von Morgan Stanley und Luxeconsult – im Vergleich zu 2019 geschlagen haben.

In den Top 30 gibt es 19 Gewinner und 11 Verlierer. 5 Uhrenmarken haben den Umsatz verdoppelt können: Rolex, Audemars Piguet, Swatch, Hermès und Chanel. Insgesamt haben die 30 Topmarken 2024 gut 9,5 Milliarden Franken mehr umgesetzt als 2019.

Von diesem stattlichen Plus gehen aber 5,3 Milliarden Franken allein auf das Konto von Rolex. Im Klartext: 56 Prozent des Umsatzwachstums der Branche hat Rolex für sich beanspruchen können.

In Franken und Rappen haben – neben Rolex – nur Cartier und Audemars Piguet den Umsatz um mehr als 1 Milliarde Franken steigern können (siehe Grafik unten).

In einer Betrachtung nach Konzernen hat Richemont seit 2019 um rund 1,3 Milliarden Franken zugelegt. Diese Summe entspricht genau dem Plus, das Cartier erwirtschaftet hat. Anders formuliert: Die Gewinne und Verluste bei den anderen Richemont-Marken summieren sich zu einer glatten Null.

Bei der Swatch Group sieht es noch weniger erfreulich aus: Es türmt sich ein Minus von 800 Millionen Franken auf. Insbesondere die Umsatzverluste von Longines, Tissot und Breguet ziehen die einst grösste Uhrenfirma der Welt nach unten. Dies auch deshalb, weil das Zugpferd der Swatch Group, Omega, in den letzten Jahren schlicht nicht vom Fleck kam. Dies im Gegensatz zum Richemont-Zugpferd Cartier.

Auch bei LVMH steht unter dem Strich ein Minus. Konkret sind es 233 Millionen Franken. Die Negativperformance bei Hublot und TAG Heuer hat die positive Entwicklung bei Bulgari deutlich überkompensiert.

Die unabhängigen Uhrenmarken dagegen – also Rolex, Tudor, Breitling, AP, Patek, Richard Mille, Chanel, Chopard, Franck Muller und Hermès – sind alle im Plus. Zusammen kommen sie auf Mehrumsätze von fast 9,3 Milliarden Franken. Dies müsste den Strategen bei Richemont, LVMH und der Swatch Group zu denken geben.

Hermès mit dem grössten Wachstum, Breguet mit der grössten Schrumpfung

Wenn wir nun Franken und Rappen beiseitelassen und das Wachstum der Uhrenmarken in Prozenten betrachten, ist nicht mehr Rolex top, sondern Hermès. Die Marke, die vor allem für ihre Handtaschen bekannt ist, ist im Uhrensegment seit 2019 um 156 Prozent gewachsen. Hermès dicht auf den Fersen ist eine weitere Marke, für die Uhren bloss ein Nebengeschäft sind: Chanel. Dann erst folgt ein Trio aus eigentlichen Uhrenmarken: Rolex, AP und Swatch. Der Erfolg von Swatch ist in den letzten Jahren überwiegend auf den Erfolg der Moonswatch – der Swatch-Version der Omega-Speedmaster – zurückzuführen.

Am anderen Ende der Skala stehen Breguet, Rado, IWC und Longines. Sie alle sind seit 2019 massiv geschrumpft, im Fall von Breguet hat sich das Geschäft mehr als halbiert.