Was haben eine Rolex und eine Apple Watch gemeinsam? Auf den ersten Blick scheinen sie grundverschieden – hier das feinmechanische Kunstwerk und prestigeträchtige Statussymbol, dort das funktionale, technologische Werkzeug aus dem Silicon Valley. Doch beide lenken die Aufmerksamkeit zurück auf das Handgelenk und spielen damit eine Rolle in der Wiederentdeckung der Uhr als unverzichtbares Accessoire.
Wie Marcel Speiser in seinem Artikel in der «Handelszeitung» im September betonte, wird Rolex dieses Jahr die Krone als umsatzstärkste Uhrenmarke der Welt von Apple zurückerobern. Doch anstatt hier von einem Kopf-an-Kopf-Rennen zu sprechen, stellt sich mir die Frage, wie sehr das Schweizer Flaggschiff der Uhrenindustrie vom Giganten aus dem Silicon Valley sowie der Popularität von Smartwatches wie der Apple Watch profitiert hat. Das Tech-Gadget von Apple, das 2015 erstmals auf den Markt kam, machte Uhren zwar nicht direkt wieder «interessant», war aber sicher einer der vielen Faktoren, die den Uhrenhype der letzten sieben Jahre befeuerten und Handgelenksschmuck wieder ins mediale Rampenlicht rückten. Vor allem in den USA, wo die Smartwatch-Dichte mit Abstand am höchsten ist, knallte auch der Uhrenboom besonders laut. Ein schneller Blick auf Google Trends zeigt zudem, dass die Suchinteressen für Apple Watch und Rolex Anzeichen einer Korrelation aufweisen.
Fast ein Jahrzehnt nach dem Launch der Apple Watch sind Apple und Rolex, zwei der wertvollsten Marken der Welt, zu Konkurrenten geworden – oder vielmehr zu einer produktiven Ergänzung. Denn obwohl beide am Handgelenk getragen werden, sind sie so unterschiedlich wie, verzeihen Sie mir die billige Anspielung, Äpfel und Birnen. Eine Rolex ist ein faszinierendes, feinmechanisches Statussymbol – ein Schmuckstück, das man zur Zeiterfassung eigentlich gar nicht mehr braucht und das zeitlose Werte sowie Handwerkskunst verkörpert. Eine Apple Watch hingegen ist ein funktionaler Computer für das Handgelenk, entwickelt für digitale Konnektivität, Fitness-Tracking und alltägliche Effizienz.
Vielleicht sollte man deshalb nicht von Konkurrenz sprechen, sondern von Synergie.
Tim Stracke
Diese Unterschiede verdeutlichen, dass Uhren mehr als ein funktionales Instrument zur Zeitmessung sind. Sie bringen ein allgemeines Kulturgefühl zum Ausdruck – sei es die Pflicht zur digitalen Selbstoptimierung oder die Freude an zeitüberdauernden Werten.
Vielleicht sollte man deshalb nicht von Konkurrenz sprechen, sondern von Synergie. Apple Watches faszinieren Jung und Alt und sensibilisieren sie zugleich für das Thema Chronographie. Wer regelmässig auf sein Handgelenk schaut, und sei es nur, um dort Mails, WhatsApp-Nachrichten oder Insta-Reels zu checken, für den ist die Uhr nicht mehr ein Item unter vielen. Von da aus ist es nur ein kleiner Schritt zum Interesse für Uhren als Kunst- und Meisterwerke, Uhren wie die von Rolex zum Beispiel. Die Erweiterung von Interessenten und Käuferkreisen ist (vor)programmiert. Die Uhrenindustrie hat dabei viel mehr Sorge vor leeren Handgelenken als vor der Konkurrenz durch Smartwatches.
Das führt mich zu folgender Frage: Hätte der enorme Uhrenhype zu Beginn der 2020er Jahre auch ohne die Einführung der Apple Watch stattfinden können? Ein interessantes «Was wäre, wenn …». Mein Bauchgefühl sagt mir: Ja, wahrscheinlich schon, aber wer weiss. Sicherlich war Apple ein wichtiger, vielleicht unterschätzter Faktor, um die Uhrenbranche kulturell dorthin zu bringen, wo sie heute steht. Für mich ist die eigentliche Geschichte kein Wettkampf zwischen Apple und Rolex und auch kein «Krieg ums Handgelenk». Es geht vielmehr darum, wie zwei der wertvollsten Marken der Welt gemeinsam einander und die gesamte Uhrenkategorie in den Mainstream gerückt haben.