Oris ist eine der wenigen bekannten Schweizer Uhrenmarken ennet dem Röstigraben. Und eine der wenigen in Privatbesitz. Gegründet 1904 in Hölstein BL, lautet der strategische Leitsatz für die 240-köpfige Belegschaft: «Dinge müssen Sinn ergeben». Heisst, keine art pour l’art. Heisst aber nicht, ehrgeizfrei in Sachen Uhrmacherei. Im Gegenteil.
Oris macht zwar keine Komplikationen, die alle bewundern, aber keiner braucht, sondern profiliert sich immer wieder einmal mit Add-ons, auf die alle gewartet haben, ohne es zu wissen. Beispiel: Das Manufakturkaliber 400, das nur alle zehn Jahre in den Service muss.
Oris-Zeitmesser – ausschliesslich mechanische Uhren – gelten als bezahlbar, Luxus sind sie alleweil, denn sie kosten ab 2000 Franken aufwärts. Und werden tendenziell immer teurer. Darüber, sowie über den Geschäftsverlauf 2022 und die Erwartungen für 2023, haben wir mit Rolf Studer, Co-CEO von Oris, gesprochen. Er führt die Uhrenmarke zusammen mit Claudine Gertiser – mit hübschem Credo.
Herr Studer, welches ist Ihre Bilanz zum vergangenen Geschäftsjahr?
Zahlen geben wir keine bekannt. Was ich sagen kann: Das Jahr ist das Beste in unserer Geschichte. Wir sind trotz allem zweistellig gewachsen.
Zweistellig – ginge es etwas genauer?
Nein, es sind einfach mehr als 10 Prozent.
Und was bedeutet «trotz allem»?
Es war ein anspruchsvolles Jahr: Die Pandemie prägte das Geschehen, je weiter östlich desto mehr. Dann der Ukraine-Krieg plus sich abschwächende Konjunktur und die Inflation. Das waren schwierige Rahmenbedingungen. Kam dazu, dass wir selbst auch keinen einfachen Weg gewählt haben, als wir uns entschieden, statt neuer Modelle in bestehenden Kollektionen eine ganz neue Produktfamilie zu lancieren, die ProPilot X. Es braucht Zeit, bis ein von Grund auf neues Produkt Erfolg hat. Wir haben unser Ziel, zweistellig zu wachsen, erreicht, sind leicht unter Budget, aber deutlich über dem Vorjahr.
Sie sind bekannt für Ihre Statements in Sachen Nachhaltigkeit. Wie passen da Pilotenuhren dazu, die Sie ja auch verkaufen?
Unser Ansatz heisst: Purpose in Aviation. Fliegen kann auch sinnhaft sein, wie im Fall von Rega oder Coulson, den Firefighters in den USA, denen wir 2022 unsere erste Uhr mit Carbongehäuse im 3D-Druckverfahren gewidmet haben.
Was erwarten Sie für 2023?
Das billige Geld der Pandemie ist langsam aber sicher ausgegeben, die Post-Pandemie-Euphorie in Europa ist verflogen. Entwicklung von Inflation, Ukrainekonflikt und Pandemie in China sind schwer abzuschätzen. Kurzum: Es bleibt anspruchsvoll, aber wir bleiben zuversichtlich insbesondere falls sich die Situation in China über die nächsten Monate erholt.
Ihre Vorkehrungen für 2023?
Die gleichen wie letztes Jahr. Fokus. Weniger, aber davon mehr und besser – auf der ganzen Linie.
Wie wird Oris distribuiert?
Wir haben rund 2’100 Verkaufspunkte, davon sind 30 unsere eigenen Boutiquen. Eine einstellige Prozentzahl verkaufen wir online.
Lohnen sich eigene Läden denn für Oris?
Wenn sie wegen der Pandemie geschlossen sind, nicht. Aber der Schritt hat sich für uns gelohnt, es läuft gut – und ist vor allem auch gut für die Marke.
Mir scheint, Oris-Uhren werden immer teurer. Richtig?
Die Konsumenten werden immer anspruchsvoller und erwarten immer mehr von ihrer mechanischen Uhr, das ist auch bei Oris so. Dass das die Uhren teurer macht, ist klar. Bei Oris wird die Preisentwicklung von den eigenen Kalibern geprägt.
Kommen die Uhren mit dem eigenen Kaliber an?
Wir haben damit Erfolg und das ist ermutigend. Das Kaliber 400, das wir im Oktober 2020 lanciert haben, hat viel bewirkt in unserem Unternehmen. Kommerziell, aber auch grundsätzlich: Wir wollten ja nicht einfach ein weiteres Manufakturwerk herstellen, sondern eines, das genau das bietet, was wir selbst von einer Uhr erwarten. Was herausgekommen ist, ist ein Automatikwerk, das antimagnetisch ist, eine Gangreserve von 120 Stunden hat und auf dem wir eine Garantie von 10 Jahren bieten können. Das hat uns viel Aufmerksamkeit und Geschäft eingespielt. Darauf bauen wir nun auch auf.
Ein anderes Steckenpferd von Ihnen: Nachhaltigkeit. Der Begriff ist abgegriffen und schwammig. Worum geht es da bei Ihnen?
Wir sind die erste klimaneutral zertifizierte Uhrenfirma.
Das Zertifikat kann man kaufen.
Stimmt. Ist aber ja auch nicht alles! Wir reduzieren unseren Ausstoss über drei Jahre um 10 Prozent jährlich. Das ist die eigentliche Herausforderung für uns als wachsende Organisation.
Inwiefern ist das schwierig?
Was heisst schwierig. Es ist ein Effort, den wir leisten müssen. Wir setzen da die Hebel bei den drei grössten CO2-Emissions-Verursachern an: Bei der Reiserei, der Logistik und beim Pendeln. CO2-Reduktion ist nur etwas. Wir machen noch viel mehr mit dem Ziel, eine positive Veränderung zu bewirken. Besonders stolz bin ich darauf, dass wir es als Luxusmarke schaffen, von China bis Mexiko Leute zu mobilisieren für unsere Clean-up-Initiativen. Das wäre vor wenigen Jahren undenkbar gewesen.
Wie bekommen Sie das hin?
Dank unserer Community. Sie ist unser stärkster Treiber. Wir interagieren mit den Fans unserer Marke über Social Media und sind in engem Austausch.
Ihre Marketingstrategie?
Neben der Pflege der Community fahren wir auch klassische Plakatkampagnen und schalten Werbung in den Medien. Zu eruieren, was sie bringen, ist nicht immer einfach. Das Wichtigste bei allem ist: Wir haben unseren Weg gefunden.
In einem Satz?
Make people smile.
Zum Auftakt des Uhrenjahres 2023 ein Meilenstein
Das Uhrenjahr 2023 startet Oris mit einem ikonischen Zeitmesser: Mit einer Big Crown Pointer Date mit Handaufzug. Das Design datiert in den 1930-er Jahren. Der Meilenstein liegt im Innern des 38-mm-Stahlgehäuses: Das neue Kaliber 473. Es ist das zehnte hauseigene Uhrwerk, das die Hölsteiner in den vergangenen zehn Jahren herausgebracht haben; ein abgewandeltes Kaliber 403, das ein Automatikwerk ist.
Von Automatik auf Handaufzug – mag wie eine Rückentwicklung klingen, ist es aber nicht. Einmal aufgezogen bietet Kaliber 473, was Kaliber 403 bietet: 120 Stunden Gangreserve. Ein Anzeige auf der Unterseite des komplett antimagnetischen Herzstücks zeigt den Stand der Energiereserve an. Überdrehen beim Aufziehen ist ausgeschlossen, dank einer Inhouse-Konstruktion, die zum Patent angemeldet ist – und daher noch offengelegt wird. Das Ganze ist verpackt in ein 38-mm-Stahlgehäuse. Auf dem puderblauen Zifferblatt folgen ein Stunden- und Minutenzeiger sowie eine kleine Sekunde bei 6 Uhr dem Lauf der Zeit und der Zeiger mit der typisch roten Spitzen dem Datum.
Zur Uhr gehört ein Armband von Cervo Volante mit stufenlos verstellbarer Schmetterlingsschliesse.
Das 2016 in Zürich gegründete Unternehmen Cervo Volante verarbeitet Leder von wild lebenden und zwecks Bestandsregulierung in der Schweiz erlegten Rothirschen. Deren Fleisch wird verzehrt, der Rest entsorgt. Cervo Volante (Link: https://cervovolante.com/) sammelt nun die Häute ein, lässt sie giftfrei gerben und färben und macht daraus abgesehen von Uhrenbändern für Oris auch coole, im Wortsinn wertvolle Schuhe und Accessoires wie Taschen und Gürtel.
Die Uhr kostet 4200 Franken.