Audemars Piguet steigt in den boomenden Secondhand-Markt ein. Bis Ende 2023 soll die Luxusuhrenmarke ein eigenes Programm für zertifizierte Gebrauchtuhren (Certified Pre-Owned, kurz: CPO) auflegen, wie das Pariser Online-Medium «Miss Tweed» berichtet. Es stützt sich dabei auf Aussagen von Noch-CEO François-Henry Bennahmias während eines Anlasses in der französischen Hauptstadt.
«Das CPO-Geschäft wird grösser werden als das Neugeschäft», sagte Bennahmias in Paris. «Wir werden unser Geschäft gegen Ende des Jahres starten.»
Bennahmias führt die Marke, die nach wie vor mehrheitlich in Besitz der Gründerfamilien ist, seit einem Jahrzehnt. Er hat sie vom Nischenplayer zu einem der gefragtesten und umsatzstärksten Schweizer Luxusuhrenbrands gemacht. Zugpferd ist die Kollektion Royal Oak, deren 50-Jahr-Jubiläum 2022 umtriebigst gefeiert wurde.
Ende 2023 wird Bennahmias das Unternehmen verlassen. Der Eintritt in den CPO-Markt wird sein letzter Wurf sein. Und er folgt auf die Ankündigung von Branchenführer Rolex vom Dezember. Die Marke mit der Krone kommunizierte Ende 2022, dass sie gebrauchte Uhren zertifiziert – und dafür in einem ersten Schritt mit Bucherer zusammenarbeitet.
Erste Versuche vor der Pandemie
Erste Tests mit gebrauchten Uhren machte Audemars Piguet bereits in den Jahren 2018 und 2019. Die Geschäfte in Genf, Singapur, Tokio und New York dienten als Versuchsfeld. Die Logistik dahinter war gross, wie Bennahmias im Interview mit der «Handelszeitung» sagte. «Wir verkaufen zunächst nur, weil wir sehen wollen, ob die Leute darauf reagieren», sagte er seinerzeit. «Stellen Sie sich vor, wir öffnen morgen die Tür und sagen, dass wir gebrauchte Uhren annehmen.»
«Nehmen wir an, wir bekommen 2000 gebrauchte Uhren», so Bennahmias weiter. «Ein Uhrmacher kann etwa 200 Uhren pro Jahr erneuern. Wir bräuchten also zehn Uhrmacher mehr. Dafür benötigen wir mehr Platz, mehr Logistik und die Uhrmacher müssen auch erst einmal geschult werden. Heisst: Wir können nicht einfach sagen: ‹Jawohl, lasst uns CPO starten, öffnet die Türen und los gehts!›, ohne dafür bereit zu sein. Das wäre fatal.»
Rolex will die Kontrolle über den Sekundärmarkt zurück, indem sie Gebrauchtuhren zertifiziert. Ein Signal an Betrüger – und an die Konkurrenz. Mehr hier.
Ein zentrales Problem bei CPO-Uhren: Die Preisgestaltung. «Das lernt man nicht in 24 Stunden», so Bennahmias. Es braucht Echtzeitdaten für den Markt, Spezialisten müssen in kurzer Zeit sagen können, wie werthaltig ein Objekt ist. «Gebrauchte Uhren anzunehmen, ist ein komplett anderes Geschäft», sagte Bennahmias.
Milliardenmarkt CPO
Jetzt scheint der Konzern kurz vor der CPO-Reife zu stehen. «Im Moment sind wir noch nicht so weit, aber wir werden es sein», sagt Bennahmias in Paris. «Was CPO betrifft, so werden wir bis Ende 2023 eine Testphase starten», ergänzt eine Sprecherin.
Im Gegensatz zu Rolex dürfte Audemars Piguet auch im CPO-Markt auf das eigene Netz setzen. Das sorgt zwar für einen erheblichen Mehraufwand, gibt der Marke aber mehr Kontrolle über Wiederverkaufspreise und Storytelling, was Bennahmias in der Vergangenheit ein zentrales Anliegen war.
Uhren aus Vorbesitz sind ein Milliardenmarkt. Die Boston Consulting Group schätzte den CPO-Umsatz unlängst auf 21 Milliarden Euro und den Zuwachs auf 8 Prozent pro Jahr. Konkurrent McKinsey rechnete vor, dass 10 Prozent drin lägen. Zum Vergleich: Im Neuuhrengeschäft wird mit Wachstumsraten von 1 bis 3 Prozent gerechnet.
2025, so rechnen die Berater, soll ein CPO-Umsatz von um die 35 Milliarden dem mit Neuware über 45 Milliarden gegenüberstehen. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis der CPO-Markt Oberwasser hat. CPO-fähig sind grundsätzlich alle je hergestellten Uhren, zahllose liegen in Safes und Schubladen. Die Schätzwerte hierzu sind höchst vage, wabern zwischen 500 und 900 Milliarden Franken.