Mit David Beckham hatte man gerechnet: Der Botschafter der «Born to dare»-Kampagne der Rolex-Tochter Tudor war bei der Lancierung der neuen Uhr in London in aufgeräumter Stimmung – und nach seinem Kurzauftritt, in dem er über sich und Tudor parlierte, stand er für Selfies parat, bis auch der hinterste und letzte sein Bild mit dem Idol im Smartphone hatte.
Dass Jean-Frédéric Dufour, CEO von Rolex, da war, hat hingegen viele überrascht. «I shouldn’t be here»– ich sollte eigentlich gar nicht hier sein –, sagt er, als wir ihn begrüssen. Dass er da ist, blauer Anzug, weisses Hemd mit Schlips, weisse Sneakers, frischer Haarschnitt, gibt denen Recht, die schon seit einiger Zeit behaupten, er drücke bei der Rolex-Tochter derzeit aufs Gas und nehme Einfluss auf alles. Ist verständlich für einen, der es sich gewohnt ist, Dinge wenn nicht zu forcieren dann doch mindestens zu bewegen.
Beides steht bei Rolex nicht auf dem Plan: Ein Schlüssel zum Erfolg der grössten und erfolgreichsten Uhrenmarke der Welt ist es ja genau, auf der ganzen Linie Kurs zu halten. Bei Tudor sitzt Dufour im Verwaltungsrat und er ist Präsident der neuen Produktionsstätte, die die Rolex-Tochter zusammen mit dem Werkebauer Kenissi in Le Locle gebaut und 2023 offziell eröffnen wird. Der eigentliche Tudor-Chef ist Eric Pirson. Er steht – unbemerkt – neben Dufour.
Beim Debriefing dieses Lancierungs-Events wären wir gern dabei gewesen. Die Geschichte, die rund um die neue Uhr erzählt worden ist, ist zwar spannend, aber mit gar viel Druck zurechtgebogen: Vor genau 70 Jahren brachen Forscher zur britischen Nordgrönland-Expedition auf. Sie hat von 1952-1954 stattgefunden. Mit dabei waren 26 Uhren von Tudor, aber keine Ranger, sondern Oyster Prince Ref. 7808, die Rolex-Gründer Hans Wilsdorf 1952 mit folgendem Statement lanciert hat: «Ich habe den Entschluss gefasst, der TUDOR Prince zwei Merkmale von Rolex zuteilwerden zu lassen, die keine andere Uhr besitzen darf: das legendäre und einzigartige Oyster-Gehäuse und den unverwechselbaren Perpetual-Rotor mit Selbstaufzugsmechanismus». Sämtliche Tudor Oyster Prince Modelle werden fortan mit diesen beiden einzigartigen Vorzügen ausgestattet sein, die bis dato den Rolex Uhren vorbehalten waren. «Damit möchten wir unser Vertrauen in diese neue Uhr zum Ausdruck bringen.»
Die Grönlandforscher unterzogen die Uhr den ersten Langzeittests unter Extrembedingungen: Sie verglichen die stündlichen Signale der BBC mit ihrer Uhr und protokollierten. 1953 startete er eine Kampagne, bei der die Robustheit der Tudor Oyster Prince unter schwierigsten Bedingungen getestet wurde: Hier ein 252-stündiger Dauereinsatz am Handgelenk eine Grubenarbeiters während manuellen Schürfarbeiten, dort ein dreimonatiger Einsatz am Handgelenk eines Steinhauers. Alles war da und sauber dokumentiert bei der Ranger- Lancierung im Tobacco Dock in London, die Protokolle aus dem Eis, die Plakatkampagne mit den Schwerarbeitern – und die Tudor Oyster Prince.
Sie hat rein äusserlich rein gar nichts mit der Neulancierung zu tun, denn anders als man hätte erwarten mögen, kommt es zum Gedenken der Expedition von vor 70 Jahren nicht zu einem Remake des Originals, sondern zur einer neuen Ranger. Diesen Namen hat Hans Wilsdorf bereits 1929 schützen lassen, wurde aber erst in den 1960-er Jahren zu einer eigenen Produktlinie. Die Brücke zu Uhren der Männer im Grönlandeis schlägt das Storytelling so: Die Ranger-Familie atmet den Geist der Oyster-Prince. Die Ranger habe das «Konzept der Expeditonsuhr beibehalten», «welches zu jener Zeit bei Tudor entstand», so der offizielle Brückenschlag.
Na gut. Die Ref von 2022 sieht aus wie die Ref. 7995 von 1965, ist dem Vorbild technisch aber natürlich überlegen: Das Manufakturkaliber MT5402 ist COSC-zertifiziert, also von der Genfer Prüfstelle als hoch präzise und verlässlich abgestempelt. Das Gehäuse ist mit 39 mm ein Fit für jede und jeden. Der Style ist cool. Und anders als andere Top-Brands, nutzt Tudor diese zeitgeistige Kombi nicht für Preissteigerungen, im Gegenteil: Mit 2600 Franken ist die neue, Ref, 79950, am untersten Preisband positioniert. Was weiter stärkt, was Dufour dem Vernehmen nach auch am Pushen ist: Viel Uhr fürs Geld. Man darf gespannt sein, welcher Konkurrent sich als erster davon inspiriert fühlt…