Vor ziemlich genau einem Jahr erreichte die jahrelang anhaltende Phase rasch steigender Preise auf dem Sekundärmarkt für Uhren ihren Höhepunkt. Zuvor hatte die Pandemie den Boom der Luxuszeitmesser befeuert, wodurch die Marktpreise für Occasionsstücke nach oben geschossen waren. Seit Ende März 2022 zeigt der Trend aber deutlich in die gegenteilige Richtung.
In dieser Zeitspanne hat der von Watchcharts erstellte Index für den Luxusuhrenmarkt um über einen Viertel an Wert verloren. Der Index umfasst 60 Uhren der 10 wichtigsten Marken nach Transaktionswert. Besonders stark gefallen sind dabei die Preise für die hochpreisigen Zeitmesser in der Preisspanne von 20’000 bis 100’000 Dollar.
Der Rückgang ist hauptsächlich auf die fallenden Preise bei den drei grössten Brands des Secondhand-Markts zurückzuführen: Rolex, Patek Philippe und Audemars Piguet. Der Watchcharts-Index für den Branchenkönig mit der goldenen Krone hat seit Mitte März 2022 rund 25 Prozent eingebüsst. Jene für Patek und AP haben jeweils 22 Prozent verloren.
Auf diesen nun schon länger anhaltenden Trend hat kürzlich der grosse britische Online-Händler Watchfinder reagiert. Die Verkaufsplattform für gebrauchte Uhren senkte im letzten Monat die Preise im Schnitt um rund 15 Prozent. Arjen van de Vall, der seit 2021 die Geschicke von Watchfinder verantwortet, bezeichnete die Massnahme jüngst in einem Interview als «schmerzhaft». Das Angebot für Modelle, für die die Kundschaft noch vor ein paar Monaten «buchstäblich getötet hätte», habe deutlich zugenommen.
Uhrenangebot auf dem Zweitmarkt ist 2022 stark angestiegen
Diesen Befund des Watchfinder-Chefs bestätigen auch die Daten. Das Uhrenangebot auf dem Zweitmarkt nahm im letzten Jahr stetig zu. Im Dezember 2022 lagen die verfügbaren Bestände 50 Prozent über jenem zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr, wie Watchcharts ausweist.
Uhrenhändler und Investorinnen haben den Markt in den letzten Monaten mit Occassions-Zeitmessern überschwemmt. Selbst begehrte Renner wie Daytona-Modelle von Rolex, die Nautilus von Patek und die Royal Oak von AP sind vermehrt zum Verkauf angeboten worden.
Die Folge war, dass einzelne Rolex-Uhren aus zweiter Hand Ende Jahr eine psychologisch wichtige Schwelle unterschritten. Auf Zweitmarkt-Portalen tauchten Angebote für Uhren der Genfer Manufaktur auf, deren Preise unter den von Rolex empfohlenen Verkaufspreisen lagen. Als erstes Modell ereilte dieses Schicksal die Milgauss mit schwarzem Zifferblatt. Diese Entwicklung war insofern bemerkenswert, als Secondhand-Rolex-Uhren zuvor jahrelang stets teurer gewesen waren als die neuen Stücke bei den offiziellen Händlern.
Zur Uhrenschwemme auf dem Zweitmarkt hat der letztjährige Zusammenbruch der Kryptowährungen wesentlich beigetragen. Die Kryptomillionäre, die in den Jahren vor 2022 wie Pilze aus dem Boden geschossen waren und sich gerne mit Luxusaccessoires am Handgelenk schmückten, sahen wegen des Preiszerfalls der Cyberdevisen ihre Felle davonschwimmen, weshalb sie ihre Sammlerstücke reihenweise auf den Markt brachten.
Die Rezessionsängste und die Inflationssorgen – hervorgerufen durch die Energiekrise wegen des Kriegs in der Ukraine – verstärkten diesen Trend und beeinträchtigten den Wert der Uhren ebenfalls.
Preiszerfall könnte bald ein Ende haben
Am Horizont mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass der nun bereits ein Jahr anhaltende Preiszerfall am Secondhand-Markt ein Ende finden könnte. Dafür gibt es einige gute Gründe:
Erstens scheint der Abwärtstrend beim Branchenprimus Rolex, dessen Modelle geschätzte 40 Prozent am Gebrauchtmarkt ausmachen, langsam die Talsohle erreicht zu haben. Im letzten Monat ist der entsprechende Watchcharts-Index bloss noch um 0,1 Prozent gesunken, ausgeweitet auf drei Monate betrug der Rückgang 1,2 Prozent. Die Trendwende bei Rolex ist breit abgestützt: Bei 17 der 30 im Index enthaltenen Rolex-Uhren hat sich im Februar der Wert weniger als 1 Prozent nach unten oder oben verschoben.
Zweitens hat der Rückgang über alle Marken gesehen an Schwung verloren. Im Februar ist der Gesamtmarktindex um 1,0 Prozent und in den letzten drei Monaten um 3,1 Prozent gesunken, was tiefere Werte sind als noch 2022. Dass der Index indes weiter einbüsst, hat vor allem mit dem anhaltenden Preisverlust bei den zwei anderen grossen Sekundärmarkt-Brands, Patek und AP, zu tun.
Und drittens hat sich das Gesamtangebot an Secondhand-Uhren, der entscheidende Treiber der Preisentwicklung nach unten, seit Dezember 2022 nicht mehr erhöht und ist seit kurzem sogar rückläufig. Wie sich die Bestände weiterentwickeln werden, ist noch nicht abzusehen. Zwei Varianten sind aktuell vorstellbar. Entweder kehren die Gesamtangebote wieder auf das Niveau von Dezember 2021 zurück, wodurch die Preise erneut ansteigen könnten. Oder dann nähern wir uns einem neuen Gleichgewicht – mit noch nicht einschätzbarem Einfluss auf die Marktpreise auf dem Secondhand-Markt.