Es sieht gerade nicht sehr gut aus für Watches of Switzerland, den britischen Uhrenhändler und Hauptkonkurrenten von Bucherer, also Rolex. Die Aktie des Unternehmens ist seit Jahresbeginn rund 30 Prozent im Minus. Das jüngste Jahresergebnis per Ende April zeigt bei einem stabilen Umsatz einen heftigen Gewinneinbruch von 40 Prozent. Und im jüngsten Update, das anfang September publiziert worden ist, hat das Unternehmen gleich ganz auf konkrete Zahlen verzichtet.

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Das dürfte kein gutes Zeichen sein. Denn der sogenannte «SO8 Composite Index» der Schweizer Beratungsfirma The Mercury Project, der die Entwicklung der konsolidierten Einzelhandelsumsätze für Uhren und Schmuck in den acht wichtigen Märkten (USA, China, Hongkong, Japan, Singapur, Grossbritannien, Deutschland und Frankreich) misst, zeigt die Krise der Uhrenindustrie mittlerweile sehr deutlich. Seit Mai sind die Verkäufe rückläufig. Und sie dürften es, wie Thierry Huron von The Mercury Project festhält, vorderhand auch bleiben: «Die Party ist vorbei!»

Mit Rolex wird Watches of Switzerland nicht mehr wachsen

Der Chef von Watches of Switzerland, Brian Duffy, hat noch ein weiteres Problem. Er wird sich nicht mehr auf seinen bisherigen Wachstumstreiber verlassen können: Rolex.

Seit die Marke mit der Krone mit der Übernahme von Bucherer selbst zum grössten Uhrenhändler der westlichen Welt geworden ist, ist in der Rolex-Distribution alles anders. Diverse Händler klagen darüber, sie würden nicht mehr gleich viele Rolex-Uhren bekommen wie vorher; und dazu die tendenziell unbeliebteren Modelle. Sprich: Rolex verkauft die heissesten Uhren nun am liebsten selbst - in den Bucheer-Läden. Ein langjähriger Partner wie Duffy muss zurück ins zweite Glied.

In dieser ungemütlichen Situation ist es naheliegend, dass sich ein Mann wie Duffy, Vorsteher eines kotierten Unternehmen, nach Objekten umsieht, mit denen er seine Abhängigkeit von Rolex reduzieren kann, dass er das Angebot von Watches of Switzerland diversifizieren will. Die wichtige Frage aber ist: Ist die heute kommunizierte Übernahme der Uhren-Fansite «Hodinkee» der richtige Move? Zumal diese ihre besten Zeiten bereits hinter sich hat und längst nicht mehr so einzigartig ist wie bei ihrer Lancierung.

Branchenkenner Oliver Müller von Luxeconsult hat dazu eine klare Meinung - und sie ist vernichtend: «Das ergibt alles keinen Sinn. Viel Glück!»

Logisch, sieht es Duffy selbst fundamental anders: «Unsere Strategie konzentriert sich darauf, an der Spitze der Luxusindustrie zu bleiben und uns mit Marken zusammenzuschliessen, die uns inspirieren und deren Partnerschaft für beide Seiten vorteilhaft ist», wird er in einer Mitteilung zitiert. «Die Übernahme von Hodinkee unterstützt direkt unser E-Commerce-Geschäft, indem sie den Traffic und die Markenbekanntheit in unseren Märkten, insbesondere in den USA, steigert und unsere Branchenführerschaft im Internet weiter stärkt.»

Der Deal funktioniert nur, wenn Watches of Switzerland für «Hodinkee» wenig bezahlt hat

Um zu beurteilen, ob Müller oder Duffy recht behalten wird, müsste man wissen, wie viel Geld Watches of Switzerland für den Deal bezahlt hat. Doch genau das halten die Parteien geheim.

Hat Duffy «Hodinkee» für eine Summe erhalten, die man als Kleingeld bezeichnen könnte, würde seine Lesart zum Deal zum Tragen kommen. Noch immer nutzen gut 20 Millionen Menschen pro Jahr die Website mit ihren kostenlosen Inhalten, viele von ihnen dürften die besprochenen Uhren dann auch kaufen wollen. Zudem kauft sich Duffy mit «Hodinkee» auch die Daten von Usern, die eine sehr hohe Affinität zu den Produkten haben, die er verkauft. Das passt.

Hat Duffy aber zu viel bezahlt, ist «Hodinkee» für ihn eine Marketingmaschine, die sich kaum rechnet. Aussagen, die «Hodinkee»-Gründer Ben Clymer gegenüber der «New York Times» gemacht hat, lassen zumindest aufhorchen. «Wir haben im Laufe der Jahre einige Dutzend Anfragen zu Übernahmen erhalten, von anderen Detailhändlern, von Luxuskonzernen, von Medienunternehmen und von Private-Equity-Gesellschaften», berichtet Clymer. «Diese Übernahme aber ist die erste, die sich wirklich gut anfühlt.»

Wenn das darauf deutet, dass Duffy eine stattliche Summe in die Hand genommen hat, dann wird sich Oliver Müllers Lesart zum Deal bewahrheiten.

Zifferblatt der Chronomaster Original Triple Calendar von Zenith

«Hodinkee» lanciert gerne exklusive Sondereditionen mit Uhrenmarken: Zifferblatt der Chronomaster Original Triple Calendar von Zenith.

Quelle: ZVG

«Hodinkee»: Neue Bewertung, neue Konkurrenz

Klar ist: 2020 wurde «Hodinkee» mit rund 100 Millionen Dollar bewertet. Damals beteiligten sich unter anderem ein LVMH-Inkubator, der Football-Superstar Tom Brady und der Musiker John Mayer an dem Medienunternehmen und investierten rund 40 Millionen Dollar.

Ein solche Bewertung ist heute unrealistisch hoch. Erstens, weil die Uhrenbranche eine andere ist als damals, als sich der grosse Hype um Luxusuhren gerade aufbaute. Zweitens, weil sich auch die Medienbranche verändert hat. Lange Jahre war «Hodinkee» in Sachen Coolness im Uhrensegment nicht zu überbieten. Was die Fan-Site gross machte, ist heute weit verbreitet. Nämlich die multimediale Berichterstattung über Uhren als kulturell aufgeladene Luxusgüter, die eben mehr sind als mechanische Zeitanzeiger.

Unabhängigkeit? Der Kern von «Hodinkee» ist in Gefahr

Heute wirkt der Content von «Hodinkee» aber nicht mehr so frisch wie in den Nullerjahren, sondern ist teilweise vorhersehbar, teilweise langweilig geworden. Andere Uhrenfans, insbesondere Frauen wie Brynn Wallner von «Dimepiece» oder Eleonor Picciotto - sie ist die Tochter des legendären Pariser Uhrenhändler Laurent Picciotto von Chronopassion - von «The Eye of Jewelry», produzieren mindestens so coolen oder cooleren Uhren-Content wie Clymer und sein Team.

Mit dem Verkauf an Watches of Switzerland riskiert «Hodinkee» nun selbst das, was lange als der Kern des Angebots galt: unabhängige Berichte und Kommentare zur Branche. Dies nachdem Clymer im vergangenen Juli mehrere Leute entlassen und sein eigenes Retail-Business hat geschlossen hat.

Es wird sich also erst zeigen müssen, ob die Verbindung von zwei Firmen, deren Zukunftsaussichten derzeit alles andere als rosig sind, die in Aussicht gestellten Resultate bringen wird.