Wird eine Behörde der US-Regierung – in diesem Fall die United States International Trade Commission (USITC) – der Schweizer Uhrenindustrie zu Hilfe eilen und den Verkauf der Apple Watch ab dem 26. Dezember verbieten? Es scheint nämlich, dass Apple eine durch ein Patent geschützte Technologie verwendet hat, die vom Medizintechnologie-Unternehmen Masimo hergestellt wurde. Diese Technologie – ein Oximeter – ermöglicht es, den Sauerstoffgehalt im Blut auch dann zu messen, wenn sich der Träger der Uhr bewegt. Diese Messung ist sehr nützlich, um die Sauerstoffwerte im Blut zu bestimmen, insbesondere bei Menschen, die von einer Atemwegserkrankung betroffen sind (zum Beispiel von einer Covid-19-Infektion).
Da die USITC kein Papiertiger ist, dürfte das Vermarktungsverbot für die Apple-Uhren voraussichtlich am 26. Dezember 2023 in Kraft treten. Es könnte das komplette Aus für ein für Apple äusserst lukratives Geschäft bedeuten. Nicht betroffen vom Verbot wäre das Einstiegsmodell Apple Watch SE, da es nicht über die Funktion der Blutsauerstoffmessung verfügt.
Der Gastautor
Oliver R. Müller ist Gründer von Luxeconsult. Bevor er die Beratungsfirma startete, arbeitete er unter anderem in Kaderstellen für Omega und Chopard, war er CEO von Leroy und Laurent Ferrier, und er lancierte die Uhrenmarke Villemont.
Um die Tragweite der Entscheidung der USITC zu verstehen, muss man wissen, dass Apple im vergangenen Jahr rund 42 Millionen Smartwatches verkauft hat. Diese Stückzahl entspricht mehr als dem 2,5-Fachen des Outputs der gesamten Schweizer Uhrenindustrie. Apple hält etwa ein Drittel des Marktes für Smartwatches, aber fast die Hälfte des High-End-Segments, und erzielt einen Umsatz von etwa 12 Milliarden Dollar (10,8 Milliarden Franken). Rolex – mit einem Marktanteil von fast 30 Prozent die Nummer eins unter den Luxusuhrenherstellern – erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 9,3 Milliarden Franken.
Fakt ist ausserdem, dass die Exporte von Schweizer Uhren im günstigen Marktsegment seit der Lancierung der Apple Watch stagniert haben oder gar geschrumpft sind (siehe Grafik). Erst die Lancierung der Moonswatch durch die Swatch Group hat diesem Segment wieder etwas Schwung verliehen.
Die Apple Watch ist Teil des Cloud-Ökosystems von Apple
Apple hat es erst ab der vierten Uhrengeneration geschafft, die Verkaufszahlen markant zu steigern. Weil es das Unternehmen ab dann verstanden hat, sich auf einen bestimmten Anwendungsbereich zu konzentrieren, nämlich die Gesundheitsüberwachung. Durch die Integration der Datenerfassung des Uhrenträgers und die Verwaltung der Daten in der eigenen Cloud ist die Apple Watch zu einem fantastischen vernetzten Instrument geworden, das zufällig auch die Uhrzeit anzeigt, und zwar viel genauer als jede mechanische Uhr. Zwar mit weniger Emotionen, aber mit viel mehr potenziellen Interaktionen.
Der zweite Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt, ist die Tatsache, dass der Verkauf von Smartwatches ein Plateau erreicht hat und dass nur das High-End-Segment (Exportpreis höher als 400 Dollar) und das Einstiegssegment (Exportpreis tiefer als 100 Dollar) weiterhin signifikant wachsen. Und wie bei den traditionellen Uhren werden die Gewinnmargen umso bedeutender, je höher man ins Sortiment einsteigt. Die Verwendung von Titan in der Ultraversion der Apple Watch ist nicht unbedeutend, da sie die Codes von hochwertigen Sportuhren wie der Tissot T-Touch Connected aufgreift.
Apple kopiert «schamlos»
Apples Unternehmenskultur hat nie viel Wert auf die Achtung des geistigen Eigentums von Konkurrenten gelegt, und seine Ausgaben für Rechtsstreitigkeiten in diesem Bereich belaufen sich jährlich auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Steve Jobs, Mitgründer von Apple, sagte 1996: «Picasso hatte ein Sprichwort. Er sagte: ‹Gute Künstler kopieren, grosse Künstler stehlen›. Und wir haben, wie Sie wissen, immer schamlos von grossen Ideen gestohlen.»
Dieser Satz ist nicht unbedeutend, wenn man bedenkt, dass die Drag-and-drop-Technologie, die den Macintosh – den ersten von Apple vermarkteten Personal Computer – so erfolgreich gemacht hat, von Xerox entwickelt worden war. Steve Jobs hatte die Gelegenheit gehabt, das Forschungs- und Entwicklungszentrum von Xerox zu besuchen, und war durch «Zufall» auf diese Technologie gestossen.
Die berühmte Krone der Apple Watch, mit der man von einer Funktion zur anderen wechseln kann, wurde – und es ist eine Untertreibung, dies zu sagen – stark von einer patentierten Multifunktionskrone der Uhrenmarke Ventura inspiriert. Aber wenn man Apple ist, kann man mit seiner finanziellen Feuerkraft fast alle rechtlichen Hindernisse aus dem Weg räumen, und so war es Apple, das gegen die kleine Uhrenmarke gewann.
Legt Joe Biden sein Veto gegen die USITC ein?
Übrigens: Die einzige Person, die das Verbot der Apple Watch noch beeinflussen kann, ist Joe Biden. Der Präsident der Vereinigten Staaten hat ein Vetorecht gegen die Entscheidungen der USITC.
2 Kommentare
Jobs erhielt Zugang zu Xeroxs IP nicht durch Zufall, sondern durch einen Deal:
"Apple was already one of the hottest tech firms in the country. Everyone in the Valley wanted a piece of it. So Jobs proposed a deal: he would allow Xerox to buy a hundred thousand shares of his company for a million dollars - its highly anticipated I.P.O. was just a year away - if PARC would 'open its kimono.'
https://zurb.com/blog… was already one of,'
War die Multifunktionskrone nicht schon Hauptbestandteil der Tissot TwoTimer 1986?