«Was man selbst nicht beherrscht, kann man nicht managen», sagte einst Christian Tissières, Leiter von Mestel. Das Zitat ist seit Jahren das Leitmotiv des Unternehmens, welches eher bescheiden angefangen hat. Denn Mestel war 2008 lediglich Zulieferer von synthetischen Uhrenbändern, die Besitzerfamilie wollte das Unternehmen eigentlich loswerden. In der Freiburger PQH-Gruppe, die sich auf den Kautschukspritzguss spezialisiert hatte, fand man einen Käufer. 2011 wurde die vollständige Übernahme eingeleitet und die gesamte Aktivität unter der Marke Mestel zusammengefasst. Die Devise: «Ein Unternehmen, ein Mindset.»
Nach der Übernahme konnte Mestel sofort einflussreiche Uhrenmarken als Kunden gewinnen und sich international einen hervorragenden Ruf machen. Zwar will die Firma nicht alle Kunden nennen, aber bekannt ist, dass Panerai bei den Zeitmessern auf Armbänder aus recycelten Polymeren setzt – eine Mestel-Erfindung, die unter dem Markennamen Reebber vertrieben wird.
Ein strahlendes KMU im Nischengebiet
Massgeblich für die Transformation und den Sprung in die höhere Liga verantwortlich ist Christian Tissières. Der Walliser ist seit 2015 im Unternehmen tätig und hat 2018 die Leitung übernommen. Innerhalb weniger Jahre ist aus einem kleinen lokalen Unternehmen mit einigen Dutzend Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ein strahlendes KMU mit einer Belegschaft von 200 Personen geworden. Der Umsatz hat sich verdoppelt, der Konkurrenz wurden Marktanteile abgenommen.
Unter der Leitung von Tissières erarbeitete Mestel ein neues Innovationsprogramm für die Uhrenarmbänder. Das Ergebnis übertraf die Erwartungen und das Unternehmen konnte 2017 einen weiteren italienischen Produktionsstandort bauen. Auch in der Schweiz wird derzeit eine weitere Produktionsstätte errichtet, die Einweihung ist für den Sommer 2024 angekündigt, und Christian Tissières behauptet schon jetzt, dass die zusätzlichen Kapazitäten des Werks (30 Prozent) immer noch nicht ausreichen werden.
Dass die Nachfrage bei Mestel so extrem hoch ist, liegt auch an der Nischenbespielung von Mestel: Wer Armbänder aus der Schweiz will, hat nur zwei Adressen, Biwi in Neuchâtel und Mestel in Freiburg. Auf der letzten Mikrotechnikmesse EPHJ in Genf war der Mestel-Stand überlaufen von Anfragen.
Trendbewegung spielt Mestel in die Hände
Der Aufstieg von Mestel ist natürlich mit dem Aufstreben der Uhrenindustrie verbunden. Die Branche erlebte in nur wenigen Jahren einen rasanten Aufschwung – und paradoxerweise setzte sie immer mehr auf Plastikarmbänder. Siehe grosse globale Marken, wie Hublot und Patek Philippe, die ihre Kataloge damit aufgestockt haben. Auch Rolex implementierte 2015 ein Elastomerarmband, das in Anlehnung an das für die Marke typische Stahlarmband Oysterflex getauft wurde.
Was vor einem Jahrzehnt noch ein weicher, schwarzer Kunststoffstreifen war, ist heute ein Feld der Kreativität.
Der Grund: Das Kautschukarmband ist am Puls der Zeit. Als Alternative zu Lederarmbändern gilt es als umweltfreundlich und bietet neue Möglichkeiten für Kreativität, wie das Beispiel Richard Mille zeigt.
Mestel freut sich über den Trend und ist auch dafür gerüstet. Das Freiburger Unternehmen verschmilzt umfassendes Materialwissen aus Italien mit Schweizer Hochpräzision. Ein Beispiel dafür ist die additive Fertigung. Die Metalleinsätze, die traditionell mit einer 5-Achsen-Fräsmaschine bearbeitet werden, werden hier mit einem 3D-Drucker hergestellt; das spart Zeit und Kosten.
Und die Innovation geht noch weiter: Mestel entwickelt ein eigenes Armband, das ausgetauscht und an jede Uhr angepasst werden kann. Mestel zweifelt nicht am kommerziellen Erfolg, intern hat man dem anpassbaren Armband bereits einen Spitznamen gegeben: «Carnage».
Dieser Artikel erschien zuerst bei PME.ch unter dem Titel «Comment Mestel a changé de ligue» und wurde von Olivia Ruffiner und Pamela Beltrame übersetzt und gekürzt.