Herr Stern, was sind Ihre Erwartungen für 2024?

Generell kehren wir zur Normalität zurück. Im mittleren Preissegment sehe ich aktuell eine kleine Verlangsamung, aber nichts wird zusammenbrechen. Für Patek erwarte ich, dass das Geschäft wie gewohnt weitergeht. Das Einzige, was mich ein bisschen besorgt, ist der Preisanstieg beim Gold. Andererseits: Wir erleben das nicht zum ersten Mal und wissen, dass es eines Tages wieder kehrt.

Also alles easy.

Für uns ja. Wir haben aber auch viel dafür getan, wie unser Vertriebsnetz zu dezimieren. Wir hatten schlicht zu viele Einzelhändler, respektive wir hatten zu wenige Uhren, die wir ihnen hätten liefern können. Für Kunden ist es nicht sehr angenehm, wenn sie in ein Geschäft kommen, und nichts ist da.

Warum fahren Sie nicht einfach die Produktion hoch?

Wir stellen im Jahr 72'000 Uhren her. Unsere Kapazitäten sind voll ausgeschöpft. Deshalb haben wir entschieden, die Zahl der Verkaufsstellen zu verringern.

Können Sie konkretisieren?

Vor 20 Jahren hatten wir 700 Einzelhändler, 2024 sind es noch 297 – für mich eine gute Zahl. Alle haben die Grösse der Fläche für Patek Philippe erhöht, weil sie stolz darauf sind, unsere Uhren zu verkaufen.

Mehr Platz, mehr Uhren – und weg ist der Schrumpfeffekt.

Ja, man müsste mehr Uhren liefern, wenn die Verkaufsflächen grösser werden. Das ist oft nicht möglich.

Nachfragesteuerung via Preisstrategie?

Wir sind nicht bereit, das zu tun. Wir bewegen uns nicht mit der Nachfrage, sondern mit den Preisen, die für uns relevant sind. Unsere Uhren sind teuer, aber es steckt auch die Arbeit von über 3000 Mitarbeitenden drin.

Wie entscheiden Sie, wen Sie nicht mehr beliefern?

Zusammen mit den Leuten, die für den jeweiligen Markt zuständig sind. Wir teilen ihnen mit, um wie viele Einzelhändler wir verkleinern wollen, sie machen eine Liste mit Kandidaten. Und wir hier in Genf prüfen dann, ob es sich richtig anhört, und bitten sie schliesslich, es zu tun.

In deren Haut will man nicht stecken.

Das ist eine schwere Aufgabe, da das alles persönliche Beziehungen sind mit gegenseitigem Vertrauen. Man ist in regem Austausch, weil es für uns ja sehr wichtig ist, dass sie verstehen, wie wir als Familienunternehmen arbeiten, welches unsere Strategie ist.

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Nun redet alle Welt vom Luxusmarkt Indien, Patek ist da noch nicht präsent.

Das bleibt auch so. Ich kann auf keinen Fall einen neuen Markt in dieser Grösse eröffnen. Wir haben zahlreiche Kunden aus Indien, sie kaufen in London.

Eine komfortable Situation.

Wir haben effektiv recht viel Glück. Aber das ist nicht gesichert. Eine grosse Krise, und das Geschäft bricht ein. Das ist auch der Grund, warum ich es mit der Erhöhung der Produktion nicht so eilig habe. Zudem bräuchte ich dafür eine Menge neuer Flächen und eine Menge neuer Mitarbeitender.

Die Mittel dafür hätten Sie.

Ich könnte es tun, aber es würde bedeuten, dass ich ein weiteres grosses Gebäude bauen müsste. Das letzte hat uns mehr als eine halbe Milliarde gekostet. Und man braucht auch eine Menge Zeit.

Ein neues Kaliber zu entwickeln, auch …

Stimmt. Aktuell planen wir neue Kaliber für 2038 und 2039.

Werden Sie dann noch Präsident sein?

Ich hoffe es. Und sonst sind dann meine beiden Söhne in der Verantwortung, beide sind inzwischen bereit, mit mir zu arbeiten, was mich sehr freut, weil ich sie nicht gedrängt habe. Der ältere, er ist 22, wird im Januar anfangen, und ich schätze, seine Ausbildung hier wird etwa fünf Jahre dauern. Sein jüngerer Bruder wird jetzt erst einmal studieren und kommt dann zu uns.

Was wünschen Sie sich von der Branche als Ganzes?

Dass alle erfolgreich sind, es gibt Platz für alle. Und das ist, denke ich, sehr wichtig. Ich sage auch, dass sich die Leute vielleicht mehr auf das Produkt und weniger auf die Zahlen konzentrieren sollten.

An wen geht diese Message?

Ich meine das ganz generell: Wenn das Produkt gut ist, stimmen auch die Zahlen. In dieser Branche muss das Produkt im Mittelpunkt stehen. Es gibt hier sehr viele intelligente und talentierte Leute. Aber sie kennen ihr Produkt nicht.

Bei Luxusuhren gilt auch der sogenannte After-Sales als lukrativ. Wie sind Sie da aufgestellt?

Der Service kostet, wirft aber keinen Gewinn ab und muss das auch nicht. Unsere 17 autorisierten Service-Center in 16 Ländern sind dafür da, unsere Uhren zu reparieren, von denen es seit Anbeginn 1839 inzwischen etwa zwei Millionen gibt, und jedes Jahr kommen 72'000 hinzu.

Sie machen ja nicht nur Uhren, die die Zeit messen, sondern auch Uhren, mit denen Sie die Métiers d’art zelebrieren.

Auch sie sind kein Geschäft, sondern Leidenschaft. Etwas, das unglaublich viel Freude macht. Ich pflege das, weil es zur DNA von Patek gehört und Patek ein Teil meiner Familie ist. Ich kenne unsere Kunsthandwerksmeister teils, seit ich ein Kleinkind war, und verstehe mich als Hüter dieses Savoir-faire.

Wer kauft diese Unikate?

Bis vor 15 Jahren waren es mehrheitlich Kunden aus speziellen Märkten wie Südostasien. Heute verkaufen wir diese Preziosen in die ganze Welt an Kunden in allen Altersgruppen – dank unserer immensen Vielfalt in Sachen Kreativität.