Er spricht den Satz gelassen aus, aber man hört Stolz aus den Worten von William Germain, Brand Manager der französischen Uhrenmarke Yema: «Sie werden bei jeder französischen Familie», sagt er, «irgendwo in einer Schublade eine Uhr von Yema finden.»
Tatsächlich war Yema, beheimatet in Morteau gleich ennet der Schweizer Grenze, seinerzeit eine ganz grosse Nummer. «1966/67 waren wir der grösste Uhrenexporteur Frankreichs», sagt Germain: 400’000 Uhren wurden in den guten Zeiten jährlich produziert.
Tempi passati. Yema war lange nur noch ein Schatten ihrer selbst. Doch genau das ändert sich gerade. Die Marke hat sich aufgerappelt und meldet sich zurück. Man will wieder das stolze Flaggschiff der französischen Uhrenindustrie werden, welches man einst zusammen mit der Marke Lip war. Und setzt dafür auf drei Säulen: trendiges Vintage-Design, gute Preise und eigene Technik. Heute hat Yema mehrere hauseigene Uhrenkaliber im Programm, «wir verfolgen ganz klar eine Manufaktur-Strategie», sagt William Germain dazu.
Wie zum Beweis führt er den Besucher ein paar Treppen hinunter in den Maschinensaal des Unternehmens im Soussol. Drei CNC-Fräsen stehen da, ein Drei- und zwei Fünf-Achsen-Modelle. Hier werden die Platinen und Brücken für die Uhrwerke hergestellt, die übrigen Komponenten kauft die Marke von Zulieferern in der Schweiz. Zusammengebaut werden die Uhren dann in Morteau.
Für die neue Strategie steht zum Beispiel das Werk CMM.20 mit Mikrorotor und einer modernen Kaliberarchitektur. Entworfen wurde es von Konstrukteur Olivier Mory in La Chaux-de-Fonds, kein Unbekannter in der Uhrenwelt: Mory machte sich zum Beispiel mit der Entwicklung eines Made-in-Switzerland-Tourbillons für die Marke BA111OD einen Namen, die Uhr wurde zunächst für unschlagbar günstige rund 5000 Franken kommerzialisiert und ging als «Volkstourbillon» in die Geschichte ein. Zu finden ist Morys CMM.20 aktuell etwa im Vintage-Ticker Navygraf Slim CMM.20, der für rund 2000 Franken verkauft wird. Das Kürzel CMM, dies nebenbei, steht für Calibre Manufacture Morteau.
Höher positioniert wäre das Tourbillon-Modell – es heisst Yachtingraf Steel Tourbillon Mareographe 75th Anniversary Limited Edition – mit Ebbe-Flut-Anzeige, ebenfalls von Olivier Mory entwickelt. Die Uhr gibt es für rund 8000 Franken.
Erste Gehversuche mit eigenen Kalibern hatte Yema mit dem Werk MBP1000 gestartet. Es basierte weitgehend auf dem legendären Schweizer Motor ETA 2824, die Bauteile dafür wurden allerdings aus Asien bezogen, die Uhr in Morteau zusammengebaut. Aus Asien stammt auch das zwar seltenere, aber nach wie vor gelegentlich verwendete Meca-Quartz-Kaliber Seiko V64 – eingebaut in Uhren der Einsteigerklasse. Es handelt sich hier um ein Hybrid-Uhrwerk, welches für die Hauptfunktionen der Uhr zwar Quarztechnologie nutzt, dazu aber über ein mechanisches Modul für den Betrieb des Chronographen verfügt. Der Vorteil: Für die Anzeige der Zeit bringt der Quarz hohe Präzision, das Chronographenmodul wiederum lässt den Sekundenzeiger sich fliessend wie bei einer mechanischen Uhr bewegen und nicht im Sekundentakt springend wie bei Quarzuhren üblich. Im Katalog zu finden ist der mit diesem Meca-Quartz ausgestattete Yachtingraf, ein Neo-Vintage-Chrono mit Segleranmutung für rund 400 Franken.
Zu tun haben die asiatischen Technikabstecher natürlich mit der Geschichte von Yema: Von 1986 bis 2004 gehörte die Marke zu Hattori-Seiko Co., die Japaner hatten die Aktienmehrheit übernommen.
Gegründet wurde die Marke allerdings viel früher, 1948 nämlich, von einem gewissen Henry-Louis Belmont. Und wer bei diesem Namen aufhorcht, liegt goldrichtig. Belmonts Sohn, Henry-John, betrat 1982 die Kapitänsbrücke des Unternehmens, das allerdings in neue Hände übergegangen war: Als Folge der sogenannten Quarzkrise hatte sich Yema dem französischen Industriekonglomerat Matra an die Brust geworfen. Henry-John Belmont schrieb später Geschichte als «Architekt des spektakulären Turnarounds» von Jaeger-LeCoultre und wurde in der Richemont-Gruppe ein Schwergewicht. Zum Team bei Yema gehörte ein zweiter berühmt gewordener Mann: Das internationale Geschäft wurde einem gewissen Richard Mille anvertraut, der später seine gleichnamige Erfolgsmarke gründete.
Nach dem Seiko-Intermezzo ging die Marke an den französischen Unternehmer Louis-Éric Beckensteiner, der es 2009 an die Groupe Ambre verkaufte. Sie besitzt auch die Uhrenmarke Yonger & Bresson und wird von der Familie Bôle kontrolliert. Lange war man im Private-Label-Geschäft tätig und baute Uhren für Dritte, bis 2016 CEO Christopher Bôle entschied, die Marke Yema wieder zum Leben zu erwecken.
Heute werden etwa 30’000 Uhren gebaut, 40 Prozent werden in Frankreich abgesetzt, 60 Prozent international vermarktet. Grösster Markt bleibt Frankreich, gefolgt von den USA, dann kommen Japan und Grossbritannien.