Es sind die Details, die bei Uhren den Unterschied ausmachen, manchmal gerade auch dort, wo man es nicht unbedingt erwartet – im Fall von Nomos Glashütte zum Beispiel bei den Zahnrädern im Uhrwerk. Oder genauer: bei der Geometrie der Zahnrad-Zähne.

Wir kommen darauf zurück. Nomos, dies zunächst zur Einordnung, ist diese deutsche Manufaktur in Glashütte, welche 1990 gegründet wurde und seither mit Uhren auffällt, die einen ganz eigenen, unverwechselbaren Stil pflegen – eine fröhliche Spielart der Bauhaus-Schule, oft kombiniert mit Geist und Witz. «Ahoi» heissen zum Beispiel die Modelle, die bis 200 Meter tief abtauchen können, für welche die Marke den Begriff Taucheruhr allerdings vermeidet. Es gibt dafür auch keine typische Taucheruhr-Lünette, hingegen allerlei spezielle Farben, vom knalligen Signalblau bis zum zurückhaltenden hellbraunen Sandton.

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Zur Raison d’être der Marke gehört aber ebenso die feine Mechanik. Will heissen: Man bezieht zwar Zifferblätter, Zeiger, Gehäuse und Bänder von Zulieferern, die Uhrwerke aber baut Nomos von A bis Z selber, inklusive Hemmung. Auch Federhäuser, Triebe, Kronen, Brücken, Platinen werden intern gefertigt – und eben die Zahnräder.

Warum diese Zahnräder so wichtig sind? Das fragen wir Uwe Ahrendt, Mitbesitzer, Managing Director und General Partner der Marke. Er sitzt auf einer kleinen Bank neben der ehemaligen katholischen Kirche von Glashütte, heute im Besitz von Nomos und gerne etwa für Seminare genutzt. Und er muss nicht lange überlegen: «Wir hatten uns die Verzahnung speziell vorgenommen, als wir das Kaliber DUW 3001 entwickelten, weil dieses besonders flach sein sollte.» Bei der Verzahnung, so müsse man wissen, gehe viele Kraft oder Drehmoment verloren – bei den Übersetzungsstufen vom Federhaus zu Minutenrad, Kleinbodenrad, Sekundenrad bis hin zum Ankerrad, in die Hemmung und zur Unruh. Je mehr Kraft man brauche, desto grösser aber müsse natürlich das Federhaus sein – und umgekehrt. «Wir haben versucht, die Verluste zu minimieren, und es auch geschafft», sagt Ahrendt. Dank einer neuen Geometrie der Zähne habe der Wirkungsgrad auf 94,6 Prozent gesteigert werden können – vorher hatte man zwischen 80 und 90 Prozent gelegen, wie die meisten andere Marken auch. Das brauchte dann auf die Bauhöhe bezogen Einsparungen von mehreren Zehntelsmillimetern.

Uwe Ahrendt ist Mitbesitzer, Managing Director und General Partner der Uhrenmarke.

Uwe Ahrendt ist Mitbesitzer, Managing Director und General Partner der Uhrenmarke.

Quelle: ZVG

Die Entwicklung war Frucht eines elf Millionen Euro schweren Investitionsprogramms, zu dem auch die Entwicklung der eigenen Hemmung gehörte. 3,2 Millionen Euro seien in die Forschung und Entwicklung geflossen, sagt Ahrendt, der Rest in neue Vorrichtungen, Maschinen und in die Fertigung.

Uwe Ahrendt, gerne leger in schwarzes Tuch gekleidet, ist durch und durch ein Glashütter Gewächs. Und mithin ein in der Wolle gefärbter Uhrenmann. Sein Vater war Uhrmacher in Glashütte und sein Grossvater ebenso, er baute Unruhen für verschiedene Marken im Tal, darunter auch für Lange. Es lag auf der Hand, dass auch Uwe Ahrendt in die Uhrmacherei einsteigen würde, er lernte zunächst den Beruf des Werkzeugmachers und studierte dann Feinmechanik. Erste berufliche Etappe war IWC in Schaffhausen, wo Ahrendt den legendären Patron Günter Blümlein kennenlernte. Und als Blümlein nach der Wende die Marke A. Lange & Söhne in Glashütte wieder zum Leben erwecken wollte und dafür einen Produktionsleiter suchte, ergab es sich sozusagen von selbst: «Sie kommen doch von da», fragte Blümlein, «wollen Sie wieder dahin zurück?»

Uwe Ahrendt wollte. Und lernte in Glashütte bald auch Roland Schwertner kennen, den Gründer von Nomos Glashütte. Die beiden wurden Freunde und schliesslich Geschäftspartner: Nomos gehört heute Roland Schwertner, Uwe Ahrendt und Judith Borowski – das Trio huldigt gemeinsam einer Grundphilosophie, deren Kernsatz wie ein Mantra immer wieder zu hören ist: «Man muss den Mut haben, sich nicht zu verändern», sagt Ahrendt. «Nicht meinen, alles machen zu müssen, Taucheruhren, Fliegeruhren und weiss ich was alles. Und nicht irgendwelchen Trends nachrennen, sondern im Gegenteil seiner Linie treu bleiben.»

Das gilt für die Technik ebenso wie für das Design, an dem nur ganz behutsam geschraubt wird. Deutlich wird diese Haltung beim eben vorgestellten Modell Club 701: «Wir haben eine neue Uhr gemacht, aber im Grunde genommen ist sie gar nicht so sehr neu», sagt Uwe Ahrendt. Tatsächlich sieht man die Veränderungen zum Vormodell, ein gutes Dutzend sind es, erst auf den zweiten Blick: etwas grössere Ziffern, blau nachleuchtende Stundenziffern und -Indexe aus Super-LumiNova, grössere Sekundenziffern, Sekundenziffern, Bezifferung bei 20, 40 und 60 Sekunden, leicht gekürzte Minutenindexe, grössere, feinere und mit rotem Super-LumiNova ausgelegte Zeiger sowie ein leicht grösseres Logo.

Es sind kleine Eingriffe einer Marke also, die in Glashütte übrigens eine grosse Präsenz hat – auch architektonisch. Nomos erwarb im Städtchen nicht nur die Kirche, die Marke besitzt auch sonst ein paar symbolträchtige Häuser: die ehemalige Chronometrie zum Beispiel, wo einst Marinechronometer gebaut wurden, und den ehemaligen Bahnhof, heute Hauptsitz der Marke. Dazu kommt ein Produktionsgebäude in Glashütte-Schlottwitz. Und genau dort, man ahnt es, werden unter anderem die Zahnräder gefertigt.

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Zwei eher kleine, mehrere Jahrzehnte alte Berner Wahli-Maschinen stehen dafür im Atelier. Sie werden von Hand bedient – die Rädchen sind für die automatische Bearbeitung an den grossen CNC-gesteuerten Drehmaschinen zu klein. Aber der Aufwand zahlt sich aus: «Wir erhalten so unsere eigene Qualität und Form, wie man sie von aushäusigen Firmen nur schwerlich bekommt», sagt Kommunikationschef Florian M. Langenbucher. Am Ende des Tages rechne sich der Aufwand, denn je präziser beispielsweise die Teile des Assortimentes gefertigt würden, desto einfacher sei am Ende die Arbeit der Regleure.

Zur ökonomischen Logik gehört auch eine zweite Maxime der Marke: «Wir machen wenig Neues, aber wir prüfen täglich, ob und wie wir das Bestehende besser machen können, in Bezug auf die Qualität, die Technologie und die Prozesse.» Ein Beispiel: Die Magnetfeld-Resistenz der Werke bewegte sich vor Jahren eher im konventionellen Bereich. Doch inzwischen wurde sie stark verbessert: «Nicht um 100 Prozent», so Uwe Ahrendt, «aber doch, je nach Modell, um 70 bis 90 Prozent.» Davon profitiert, wer seine Uhr in den Service bringt. Gibt es für das Werk inzwischen verbesserte Komponenten, werden diese eingebaut.

Nomos schweigt zur Zahl der produzierten Uhren. Unbestritten ist aber, dass ihr keine andere deutsche Marke diesbezüglich das Wasser reichen kann. Das hat klar auch mit den Preisen zu tun, die Uhren kosten in der Regel irgendwo zwischen 1300 und 5000 Franken. Das sei möglich, weil man die Prozesse im Griff habe, sagt Ahrendt. Und, ein bisschen auch, weil man auf einen Aussendienst verzichte. «Wir haben keine Mitarbeiter, die herumfahren und Händler besuchen. Wir setzen auf eine schlanke Vertriebsorganisation und laden bei Bedarf auch mal Kunden zu uns ein.» In die Kirche etwa, mit Blick über das Städtchen Glashütte.

Frage an Uwe Ahrendt: Was macht die Schweizer Uhrenindustrie besser als Nomos? Antwort: «Es gibt Schweizer Marken, die einen echt herausragenden Job machen. Ich denke dabei an die Markenpflege, an die Ingenieurleistung und an die Fachhandelstreue. Und die Schweizer halten die mechanische Uhr am Leben. Das könnten wir nicht, dafür sind wir viel zu klein.»

Und was macht Nomos besser? «Ich finde, wir sind mit unserem demokratischen Luxus ganz gut unterwegs. Und auch mit unserem Preis-Leistungs-Verhältnis. Sie kriegen ziemlich viel Uhr bei Nomos – da haben wir einen Tick die Nase vorn.»

Dieser Artikel erschien zuerst bei «Watch Around».