Vom Tessin nach St. Moritz

Unser erster Stopp ist Bellinzona. Das kann man bequem mit dem Zug erreichen, aber natürlich auch über die klassische Nord-Süd-Strassenverbindung oder die ausgedehntere Route über den Lukmanierpass. Der Lukmanier bietet sich für Motorräder und etwas sportlichere Autos an: Viele Kurven und gute Überholmöglichkeiten – liegt auf der Hand, dass wir diese Strecke wählen und unsere Fahrzeuge im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten etwas ans Limit bringen.

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In Bellinzona angekommen, beziehen wir direkt unser Hotel. Es gibt sicher bessere Unterkünfte, trotzdem enttäuscht das Hotel & SPA Internazionale nicht: einfache, aber gute Zimmer, nettes Frühstück und durchaus günstige Preise.

Einen ersten Snack, ein paar Bier und einen oder zwei Correttos später nehmen wir das Postauto: zur Canyoning-Basis Osogna-Cresciano Stazione. Hier kann man für 160 Franken pro Person rund vier Stunden lang die Canyoning-Route «Boggera» im Valle di Cresciano begehen. Der Aufstieg ist auch für Untrainierte machbar, und keine der folgenden Herausforderungen (Abseilen von Klippen, Naturrutschbahnen und Sprünge aus rund zehn Metern) ist ein Muss. Unsere Gruppe hält sich gut – bis auf zwei Ausreisser, die sich im Schlussdrittel dann eine Blösse geben und das letzte Abseilen und den letzten Sprung auslassen. Schwimmen sollte man schon können, ansonsten kommt da jeder runter. Und mit jeder meine ich: jeder. 

Nach diesem netten Nachmittag, an dem wir alle Biere und Correttos entweder durch Schweiss oder Adrenalin wieder kompensierten, gehen wir wieder zum Postauto zurück – wenn wir aber gewusst hätten, wie pingelig die dort auf den Alkohollevel schauen und wie intensiv wir die Biere wieder rausschwitzen würden, hätten wir wohl das Auto genommen.

Am Abend haben wir im Ristorante Pedemonte am Bahnhof reserviert, über eine kleine Fussgängerbrücke vom Bahnhofplatz erreichbar. Steht zwar im «Gault&Millau», aber meiner Meinung nach ein echter Geheimtipp: Inneneinrichtung sehr speziell, der kleine Aussenbereich nett, aber die echten Highlights sind das Essen und vor allem die Weinkarte. Wir nehmen einen Balin von der Cantina Kopp von der Crone für damals 85 Franken, ein absoluter Hammerpreis. Okay, wir nehmen 13 davon, plus einen Franciacorta. An den Weisswein kann ich mich leider nicht mehr erinnern.

Die letzten Absacker gibts in der Folk Bar in Bellinzona. Auch da werden wir nicht enttäuscht.

Am nächsten Morgen, nach einem ausgiebigen Frühstück, treffen wir uns wieder auf dem Bahnhofplatz in Bellinzona, in der Snackbar Viale. Weil dem einen oder anderen noch der Vortag im Kopf herumschwirrt und die Fahrer eine ordentliche Strecke nach Scuol vor sich haben, sind nicht alle bei Corretto und Bier dabei.

Wir fahren los. Die Strecke: San Bernardino–Thusis–Bivio–Zernez–Scuol. Grundregel Nummer eins: Der Weg ist das Ziel, Grundregel Nummer 2: Es ist egal, wo man anhält, aber keinesfalls auf der Passhöhe, denn da sind die schlechten Restaurants. Nach einigen Kurven den San Bernardino hoch muss ich zwei Gänge zurückschalten, da die Magensäure einer meiner Passagiere uns zwingt, die Fenster etwas zu öffnen und ich Angst um meinen damals noch ziemlich neuen Mercedes AMG GLC habe, zumindest um das Interieur. Dadurch leider etwas eingebremst, kommt der erste Anruf, man habe angehalten und ein nettes Lokal gefunden. Na, wo wohl: auf der Passhöhe! Ich rege mich auf, man versichert mir allerdings treuherzig, es sei sehr nett …

Das Cordon bleu noch kalt, die Bratwurst nicht richtig gebraten, an den Murmelieintopf wagt sich niemand, der Service lausig und die Preise nicht günstig für das, was geboten wird. Tja, ich hatte es ja gesagt: Man geht nicht kurz vor, auf und nach der Passhöhe in ein Restaurant. Es heisst übrigens «Capanna Genziana». Hier geniessen die armen Haubitzen-Soldaten und Minenwerfer, wenn sie am Hinterrhein Schiessübungen machen, ihren Fak-«Ausgang» (für die Zugewanderten: Das ist der militärische Ausdruck für den langen freien Abend in der Militärdienst-Woche) – oder eben nicht.

Das Restaurant Capanna Genziana.

Das Restaurant Capanna Genziana.

Quelle: PD

Weiter bis Thusis. Dann eine schöne und sportliche Passfahrt über Bivio, auch hier hätte es tolle Restaurants gegeben, durch St.  Moritz, Zernez bis nach Scuol, dem Tagesziel. Dort haben wir in der Jugendherberge gebucht; richtig, in der Jugi. Ein moderner Bau direkt am Bahnhof, neben dem grossen Parkplatz, wo wir Stellplätze vorreserviert haben. Nicht viel Komfort, dafür umso mehr Gastfreundschaft.

Entsprechend der späten Anreisezeit und der allgemeinen Müdigkeit machen wir uns in eine einfache, aber echt lustige Pizzeria auf – «La Terrassa» an der Stradun 400 (wobei alles an der Stradun liegt), wo wir uns mit der Dorfjugend dann doch noch messen müssen – und unserer Meinung nach auch gewonnen haben.

Am nächsten Tag war relativ früh Tagwacht. Nach einem hervorragenden Frühstücksbuffet treffen wir uns an der Talstation der Bergbahnen bei der River-Rafting-Basis. Eine kurze Instruktion und ein mehrfacher Hinweis, dass auch beim Mittagessen kein Alkohol erlaubt sei, und es geht los. Erste Etappe ist die «Scuol-Strecke», relativ gemütlich, trotzdem nehmen es die Instruktoren sehr ernst – besonders bei Männergruppen im Alter zwischen 35 und 45, wie mir scheint.

Danach geht es per Shuttlebus wieder zurück, netter Grillplausch mit ein paar heimlichen Bieren, um dann am Nachmittag die Giarsun-Schlucht zu erkunden. Je nach Wasserstand ist auch das nur halb so Adrenalin-geladen wie das Canyoning, trotzdem recht lustig. Danach Duschen, Umziehen und Bereitmachen für die Fahrt nach St. Moritz. In Bad haben wir das altehrwürdige Hotel Reine Victoria gebucht. Meiner Meinung nach ein Klassiker. Nette Zimmer und top Hotelbar, zu welcher ich noch einen kleinen Schwank erzählen muss.

Nachdem alle sich frisch gemacht haben, treffen wir uns in der «Vic’s Bar» im Hotel auf einen kleinen Pre-Dinner-Drink. Wir sind uns relativ einig, landen schnell bei zehn Negroni, nur einer muss aus der Reihe tanzen und bestellt einen Amaretto sour. Der Barkeeper lässt dann gleich einen Spruch à la «Ich dachte, ihr habt hier Männerwochenende» fallen. Das alleine ist noch keine Reaktion wert. Dann aber kommen die Nachzügler, die noch mal vier Negroni bestellen, doch der Letzte im Bund dann wieder einen Amaretto sour. Darauf blitzschnell der Barkeeper: «In dem Fall seid ihr zwei zusammen im Zimmer.» Okay, in Zeiten von Woke und he/him und so weiter vielleicht nicht mehr der angemessenste Spruch, aber wir müssen herzhaft lachen. Auch der Schwule aus unserer Gruppe mit dem Negroni in der Hand.

«Vic’s Bar» im Hotel Reine Victoria, St.  Moritz

Die «Vic’s Bar» im Hotel Reine Victoria in St. Moritz.

Quelle: PD

Dann angeheitert ins «Dal Mulin». Ist eigentlich unsere zweite Wahl, weil aber die Besitzer vom «La Baracca» irgendwo in Zürich einen Pop-up-Vertrag verhandelten, sind wir durch einen Freund aufs «Dal Mulin» gekommen. Und wir werden nicht enttäuscht. Weil die Gruppe relativ gross ist, überlassen sie uns die angrenzende Weinhandlung mit Hochtisch, sechzehn Leute haben da locker Platz. Das vorbestellte Menü: Aufschnitt, Salat und ein Entrecôte am Stück. Highlight ist aber das Weinsortiment – den Aalto PS gibt es als Grossflasche, Magnum und Doppelmagnum zum Hammerpreis aus der Weinhandlung mit kleinem Zapfengeldaufschlag.

Ausserdem verstehen wir uns hervorragend mit der Kellnerin, die uns noch einen Tipp für den folgenden Absacker gibt: Die «QN Bar» im Hotel Schweizerhof sei zu dieser Zeit im Jahr wohl das, was am besten zu uns passen würde. Sie kommt dann auch gleich mit uns mit. Die Bar ist proppenvoll, und nach 45 Minuten kennen wir so ziemlich alle – gross ist sie nicht. Die Bar dort heisst heute anders.

Nach einigen Techtelmechteln und etwa zehn weiteren Drinks sowie einem Intermezzo mit unserem Gruppen-Peruaner als Wirt hinter der Bar bestellen wir uns ein Grosstaxi, um ins Hotel zu fahren. Es ist schon etwa vier Uhr, und wir haben etwas Hunger. Der Taxifahrer bringt uns zum Hintereingang einer Bäckerei, den Namen weiss ich nicht mehr, wo wir direkt über die Gasse Backwaren kaufen können. Somit müssen wir nicht beim Frühstück parat stehen. Ich könnte sowieso nicht sagen, wie es schmecken würde.

Für mich war das ein perfektes Wochenende.

Ob Flims

Dieses Mal geht es nach Flims. Da das «Waldhaus» geschlossen ist, gehen wir ins Hotel The Hide. Trendige Unterkunft mit kleinem Spa-Bereich, schlechtem Restaurant und super Bar.

Am Freitag ist Anreisetag. Und weil im Sommer der Stau auf der A13 überschaubar ist, kann man getrost auch erst gegen Abend losfahren. In Flims haben wir im Restaurant Chesa reserviert. Das Essen ist wirklich sehr gut, die Weinkarte macht richtig Spass, und die Preise sind sehr angemessen. Am Morgen treffen wir uns dann nach dem netten Frühstück im «Hide» an der Bergstation Flims. Die angegebene Route kann man auch umgekehrt machen, ich laufe aber lieber bergab als bergauf. Also erst mal auf die Bergbahn Richtung Plaun, dann umsteigen und Richtung Nagens.

Unsere Wanderroute heisst «Trutg dil Flem» und führt von der Quelle des Bachs Flem im oberen Segnesboden bis nach Flims. Um die Homepage von Flimslaax.com zu zitieren: «Dabei eröffnen sich dir die schönsten Seiten des Wasserwanderns in der Schweiz. Du überquerst sieben zum Teil kühn angelegte Brücken des berühmten Bündner Brückenbauers Jürg Conzett.»

Nach zirka zwei Dritteln der Wanderroute der Flem entlang und durch den Flimserbergsturz kommt ein weiteres kulinarisches Highlight der Region, die Ustria Startgels. Früher mit Ueli Grand, mittlerweile in Pension, als Gastgeber, ist die Ustria immer noch ein Mekka für Grillspezialitäten, feine Polenta und tolle Desserts. Da es von der Ustria nicht mehr weit nach Flims ist, kann man durchaus auch den Weinkeller geniessen, welcher einiges zu bieten hat.

Wir gönnen uns nebst Markbein einen Startgelser-Teller, danach einen Salat und bestellen einmal die Grillkarte durch, die Polenta als Beilage tausche ich gegen die Rosmarinkartoffeln, lasse mir aber von denen, die Polenta mögen, versichern, sie sei hervorragend. Der anschliessende Kaiserschmarrn ist leider zu viel, da leiden wir auf der letzten Wanderpassage etwas.

Die paar Meter sind aber durchaus auch in diesem Zustand noch zu machen, und so kommen wir dann nach leicht über viereinhalb Stunden reiner Laufzeit in Flims an der Talstation an. Dort geniessen wir in der «Legna Bar » noch die letzten Sonnenstrahlen.

Danach eine kurze Massage und Treffpunkt unten im «Hide» in der Bar. Die Negroni sind auch hier ganz o.k. Wir bestellen ein Gruppentaxi bei Mario, theoretisch geht das Ganze aber auch ganz bequem per Postauto Richtung Laax Murschetg. Murschetg war früher mal ein riesiger Parkplatz. Heute ist dort eine ansprechende Überbauung, genannt «Rocks Resort».

In Murschetg ist für den eher ruhigeren Genuss die «Tankstelle» ein absolutes Muss für den Apéro. Angenehme Gäste, sehr nettes Personal, witzige Einrichtung, die ebenfalls gleich als Shop dient. Wer es etwas lauter und jünger mag, muss die «Indy Bar» besuchen. Da sind wir dann meist nach dem Essen anzutreffen.

Für das Abendessen haben wir uns im Restaurant Grandis angemeldet. Das Essen hier ist eher rustikal, vom Grill, viel Käse. Ich bin ein grosser Fan von Paillard mit Raclette. Der Grund allerdings, wieso wir hier reserviert haben: Das Restaurant hat eine riesige Auswahl an Weinen, welche man auch direkt beziehen kann, fungiert also auch als Weinshop. Im Restaurant kann man die gesamte Auswahl inklusive einer riesigen Auswahl an Grossformaten ebenfalls verköstigen und bezahlt den Ladenpreis plus ein Zapfengeld. Extrem spannend, hier auch mal etwas Ausgefalleneres zu probieren, denn der gute Rechner findet heraus – je teurer die Flasche, desto besser der Deal.

Alternativ bin ich schon bei anderen Gelegenheiten im «Mulania» in Laax Murschetg gewesen. Für mich das absolute Highlight der Dreifaltigkeit Flims/Laax/Falera: hochpreisig, aber absolut top, Essen und Weinkarte einen Besuch wert.

Am nächsten Tag Ausschlafen und dann noch an den von Instagram bekannten Caumasee. Nun etwas im Training, laufen wir vom «Hide» zur Postautostation Waldhaus, direkt hinter der Station befindet sich der grosse Parkplatz (der meistens besetzt ist), von da aus kann man entweder mit der kleinen Standseilbahn oder zu Fuss zum Caumasee.

Für mich war es das perfekte Wanderwochenende.