Gibt es Drohungen von ausländischen Investoren, US-Staatsanleihen zu verkaufen? Die jüngsten Turbulenzen am US-Kapitalmarkt befeuern diese Gerüchte. Mitten im Crash an den Aktienbörsen haben Anleger Treasury-Bonds in grossem Stil verkauft und damit den stärksten Renditeanstieg seit 20 Jahren ausgelöst.
Doch es ist unwahrscheinlich, dass hinter den Verkäufen eine Drohgebärde an die Zollpolitik steht. Investoren haben vielmehr Angst vor einem deutlichen Anstieg der Inflation und einem wachsenden US-Haushaltsdefizit. «Man kann davon ausgehen, dass die Steuersenkungen grösser sein werden als die zusätzlichen Einnahmen aus Zöllen», sagt Anja Hochberg, Head Multi-Asset Solutions bei der ZKB. Das Budgetdefizit werde also wachsen und damit die US-Staatsverschuldung, die bereits einen astronomischen Wert von mehr als 36 Billionen Dollar erreicht hat. Die Staatsschuldenquote liegt damit bei über 120 Prozent.
Ob vor allem ausländische Gläubiger Treasuries abgebaut haben, wird man erst rückblickend in den Daten des US-Finanzministeriums sehen. In den vergangenen Jahren hat sich die Rangliste der grössten ausländischen Gläubiger kaum verändert: Japan hält mit Abstand die meisten US-Bonds, gefolgt von China und dem Vereinigten Königreich. Die Schweiz rangiert auf Platz 10 relativ weit oben. Das überrascht nicht, ist sie doch ein wichtiger Finanzplatz. In den Portfolios, die Banken von Zürich und Genf aus für ihre Kunden aus der ganzen Welt verwalten, haben US-Treasuries ein grosses Gewicht. Hinzu kommt die hohe Zahl grosser Versicherungen in der Schweiz. Diese investieren in US-Obligationen, um ihre Liquidität zu managen und auch weil sie Dollars für Schäden in den USA benötigen. Generell sind die sogenannten TIC-Daten, die das US-Finanzministerium jeden Monat zur Struktur ihrer Gläubiger erhebt, nicht sehr genau. Sie erfassen nur, in welchen Ländern die Staatsanleihen in Depots gehalten werden, nicht aber, wer die Eigentümer sind.
Fed-Chef Jerome Powell könnte mit Rettungskäufen korrigierend einspringen.
Bei den Verhandlungen mit dem US-Präsidenten über Zölle werden grosse Bestände an US-Zinspapieren weder Japan noch China und schon gar nicht der Schweiz nützen. Sollte eine erneute Verkaufswelle zu einem weiteren Anstieg der Renditen bei US-Staatsanleihen führen, würde Donald Trump den Vorsitzenden der Fed, Jerome Powell, dazu bewegen, mit Notkäufen von Vermögenswerten einzugreifen. Denn wenn sich der US-Präsident eines nicht leisten kann, dann sind es noch höhere Finanzierungskosten für neue Schulden.
Was Trump und Powell hingegen nicht kontrollieren können, ist der Dollar. «Für viele ausländische Investoren werden US-Staatsanleihen auch wegen der Angst vor einer unkontrollierten Abwertung des Dollars zum Risiko», sagt Anlageexpertin Hochberg. Bei Anleiheninvestments spielen Währungsschwankungen eine grosse Rolle, und Anleger reagieren sensibel auf Anzeichen einer Dollarschwäche. Vor allem für Schweizer Investoren ist eine Absicherung gegen Währungsverluste bei Dollaranlagen sehr teuer und hat sich in den vergangenen Jahren nicht gelohnt.