Frühmorgens war Stefan Bollinger am 9. Januar im Büro. Er hatte sich ja auch viel vorgenommen für seinen ersten Arbeitstag bei seinem neuen Arbeitgeber, der altehrwürdigen Bank Julius Bär. Erstes Vorhaben: sich persönlich an die wichtigsten Kunden zu wenden – um 7 Uhr gingen 438 E-Mails raus. Dann stand der «Walk the Floor» an – zunächst am Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofstrasse, am Nachmittag dann an der Aussenstelle in Altstetten, mit dem Ziel, jedem anwesenden Mitarbeiter persönlich die Hand zu schütteln, also mehr als 500 Shakehands, die meisten davon noch vor dem Townhall Meeting um 11 Uhr.
Nicht wenige Mitarbeiter bei Julius Bär waren überrascht vom Besuch ihres neuen CEO – manche hatten seit Jahren keinen hohen Boss mehr persönlich zu Gesicht bekommen. Für viele ein Beispiel für den Zustand der Bank, die in den letzten Jahren zunehmend mit sich selbst beschäftigt war. Und dabei offenbar auch sonst etwas den Fokus aufs Business verloren hatte: So soll sich Bollinger gewundert haben, dass die Bank die Liste der wichtigsten Kunden nicht auf Knopfdruck zur Verfügung hatte, sondern dass diese mühsam zusammengesucht, zusammengestellt und angepasst werden musste, wie er Vertrauten erzählte. Da waren die Erwartungen des Mannes, der zuletzt 20 Jahre in Diensten der toughen US-Bank Goldman Sachs gestanden hatte, an Bär offenbar höher gewesen.