Die zwei Firmen könnten unterschiedlicher kaum sein: Die eine stellt Injektionssysteme her, die andere vegane Würste. Doch Ypsomed und Planted Foods haben eines gemeinsam: Sie gehören zu den innovativsten Unternehmen der Schweiz. Das zeigt eine für BILANZ erstellte Auswertung von Statista.
Das Marktforschungsinstitut beurteilte die Firmen nach qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten. Kriterien waren unter anderem die Anzahl Patente, das Umsatzwachstum der vergangenen Jahre und die Produktinnovationen. Zudem wurden über 8000 Personen befragt. Sie konnten sich zur Innovationskraft der eigenen Firma äussern, aber auch andere Firmen nennen, die aus ihrer Sicht besonders innovativ sind.
Das Resultat: Ypsomed führt die Liste der innovativsten Schweizer Unternehmen knapp vor Planted an. Das Burgdorfer Unternehmen ist Weltmarktführer bei Injektionsgeräten. Dabei können sich Patienten Medikamente mit vorgefüllten Spritzen selber verabreichen. So haben beispielsweise Zuckerkranke die Möglichkeit, sich zu Hause mit Insulin zu versorgen. Die sogenannten Pens von Ypsomed sehen auf den ersten Blick wie Schreibstifte aus. Die Nadel lösen die Patienten per Knopfdruck aus.
Umsatzschub für Ypsomed
Das Unternehmen zählt zahlreiche Pharmakonzerne zu seinen Kunden. Jüngst hat Ypsomed einen grossen Fisch an Land gezogen. Es geht um einen Grossauftrag der dänischen Novo Nordisk. Der Pharmamulti sorgt derzeit für Schlagzeilen als Hersteller von Abnehmspritzen. Solche neuen Medikamente gegen Fettleibigkeit ermöglichen gegen 30 Prozent Gewichtsverlust innerhalb von sechs Monaten.
Das löste eine riesige Nachfrage aus. Ypsomed-CEO Simon Michel erwartet auch deshalb bis Ende des Jahrzehnts eine Verdoppelung des Gesamtumsatzes von Ypsomed. Das hat er jüngst in einem Interview mit der «Finanz und Wirtschaft» angekündigt.
Novo Nordisk erlebt dank der Abnehmspritze Wegovy einen Höhenflug. Ursprünglich war der enthaltene Wirkstoff für Diabetiker gedacht. Er wird aber in den USA und anderen Ländern insbesondere zur Behandlung von Fettleibigkeit eingesetzt. So soll Elon Musk dank dem Medikament 13 Kilo abgenommen haben.
Die Nachfrage ist so gross, dass der Konzern mit der Produktion kaum nachkommt. Es gibt Engpässe in der Belieferung. Nach einem Kurssprung der Aktien gehört Novo Nordisk zu den wertvollsten Unternehmen Europas. Davon profitiert auch der Aktienkurs von Ypsomed.
Ypsomed ist schon in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Allein 2022 lag das währungsbereinigte Plus bei zehn Prozent. In einer stark wachsenden Organisation innovativ zu bleiben, sei eine Herausforderung, sagt Andreas Schneider, Leiter Innovation für den Geschäftsbereich Delivery Systems. Interdisziplinäre Teams aus Ingenieuren und Marketing arbeiten bei Ypsomed gemeinsam an Neuerungen.
Vom operativen Tagesgeschäft sind diese Mitarbeitenden befreit. 400 Angestellte arbeiten laut Schneider im Bereich Forschung und Entwicklung. Allein im letzten Jahr reichte das 1984 gegründete Unternehmen laut eigenen Angaben 24 Erstanmeldungen für Patente ein.
Der vegane Braten
Erst seit 2019 existiert die Firma Planted. Der Hersteller von Fleischersatzprodukten fokussierte sich zu Beginn auf Alternativen zu Poulet. Mittlerweile produziert Planted im zwischen Zürich und Winterthur gelegenen Kemptthal Produkte vom Kebab über Würste bis zum Sonntagsbraten – alles aus pflanzlichen Inhaltsstoffen. Die veganen Produkte sollen im Geschmack dem Original möglichst nahe kommen.
Im Fokus hat Planted nicht in erster Linie Veganer oder Vegetarierinnen. Diese Zielgruppe ist viel zu klein und damit nur am Rande interessant. Die wichtigste Käuferschaft sind Teilzeitvegetarier. Diese auch Flexitarier genannte Kundschaft will den Fleischkonsum verringern, aber nicht vollständig darauf verzichten.
In der Umfrage von Statista konnten die 8900 teilnehmenden Personen Unternehmen nennen, die ihrer Ansicht nach innovativ sind. Das ETH-Spin-off Planted wurde dabei besonders häufig erwähnt. Und wie fördert das Jungunternehmen neue Ideen? Laut Mitgründerin und Geschäftsleitungsmitglied Judith Wemmer muss man bereit sein, Risiken einzugehen. «Einfach einmal ausprobieren und umsetzen, Fehler machen, aus Misserfolgen lernen», nennt Wemmer als Erfolgsfaktor.
Bei Planted sind die Hierarchien flach. Ein hohes Tempo bei der Entwicklung neuer Produkte ist wichtig. «Um Innovationen schnell zur Marktreife zu bringen, bauten wir in Kemptthal ein Labor, eine Werkstatt mit 3-D-Druckern, eine Versuchsküche und eine Pilotanlage auf», sagt Wemmer.
Das Geschäft mit Fleischkopien geriet branchenweit zuletzt teils ins Stocken. Die Aktien von Beyond Meat, Hersteller von pflanzlichen Burgern und Würsten, sind eingebrochen. In der Schweiz kam das Segment der pflanzenbasierterten Burger zuletzt unter Druck und verlor gegenüber dem Original aus Fleisch Marktanteile.
Diese Bank dutzt alle
Planted wächst dennoch weiterhin im prozentual zweistelligen Bereich. Das Unternehmen produziert über eine Tonne pflanzliches Fleisch pro Stunde. Eine Erweiterung der Produktion ist geplant. Zudem hält das Management nach einem zusätzlichen Produktionsstandort innerhalb der EU Ausschau.
Für weiteres Wachstum soll unter anderem die Entwicklung eines Planted-Steaks sorgen. Das gilt unter den Herstellern von Fleischkopien als Königsklasse. Die Textur eines Steaks nachzuahmen, ist viel schwieriger als beim Hackfleisch.
Ein Start-up aus einer ganz anderen Branche hat den ersten Rang im Bereich der Innovationskultur erreicht: Die Smartphone-Bank Yuh. Statista hat in den Befragungen unter anderem herauszufinden versucht, wie stark Firmen Kreativität und Unternehmergeist fördern und wie sie Freiräume schaffen, um Innovationen entstehen zu lassen.
Dabei schnitt Yuh, ein Joint Venture der Onlinebank Swissquote und Postfinance, am besten ab. Yuh, die ihre Kundschaft «Yuhser*innen» nennt und duzt, setzt laut CEO Markus Schwab auf flexible Arbeitsmodelle und bewusste Zeitfenster für innovatives Denken. «Wir haben einen Vorteil gegenüber traditionellen Finanzinstituten, die oft an ihre bestehenden Strukturen gebunden sind», sagt Schwab.
Patentkönig Logitech
Seit dem Start der App im Mai 2021 hat Yuh über 160 000 Kundinnen und Kunden gewonnen. Ein gebührenfreies Konto und attraktive Zinssätze sorgen für Geldzuflüsse. Nicht wenige davon kommen wohl von der Miteigentümerin Postfinance. Dort hat man mit der Gründung von Yuh offensichtlich auf Konkurrenten wie Revolut reagiert. Das britische Fintech ist dank günstiger Fremdwährungskurse in der Schweiz beliebt. Wenn die kostenbewusste Kundschaft von Postfinance zur Konkurrenz wechselt, dann besser zu dem Anbieter, an dem man selbst beteiligt ist.
Und wo stehen die Schweizer Grosskonzerne in Sachen Innovation? Für die im Leitindex SMI aufgeführten Unternehmen erstellte Statista eine separate Liste. Diese führt Logitech an. Der Hersteller von Computerzubehör machte zuletzt Schlagzeilen mit dem abrupten Abgang von CEO Bracken Darrell im Juni.
Er stand zehn Jahre an der Spitze des Unternehmens und verlässt es in einer schwierigen Phase. Nach dem Boom während Corona schrumpfte der Umsatz. Das Unternehmen lieferte enttäuschende Gewinnzahlen. VR-Präsidentin Wendy Becker steht unter Druck, eine geeignete Nachfolge für Darrell zu finden.
Bei der Innovationskraft steht Logitech weiterhin gut da. Der Gadget-Hersteller hat gemäss PatentSight und deren Analyseplattform LexisNexis über 400 Patente registriert. Neuerungen stehen im Bereich Gaming und Streaming an. Dazu gehören beispielsweise spezielle Mäuse und Tastaturen für Spieler sowie Kameras und Mikrofone für virtuelle Wettkämpfe.
In der Rangliste der innovativsten Schweizer Ableger von internationalen Konzernen stehen zwei US-Tech-Giganten an der Spitze: Microsoft liegt vor Google. Microsoft hat demnach eine höhere Anzahl von Patenten und Marken gemeldet und auch eine leicht positivere Bewertung bei den Umfragen erzielt. Allerdings ist der Vorsprung gering. Es war laut Statista ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
«Top innovative Unternehmen der Schweiz 2024» – Die Methodik
In dem Ranking «Top innovative Unternehmen 2024» zeichnen BILANZ, «PME» und Statista insgesamt 185 Unternehmen in der Schweiz aus, welche sich als besonders innovativ hervorgetan haben. Für das Ranking wurden Unternehmen aus dem Schweizer Börsenindex SMI, Schweizer Töchter von internationalen Unternehmen und alle anderen Schweizer Unternehmen berücksichtigt.
Es wurden die folgenden drei Innovationsbereiche betrachtet:
Allgemeine Innovativität
Dies umfasst die Einschätzung der generellen Innovationskraft der Unternehmen. Ausserdem wurde für Schweizer Unternehmen das Umsatzwachstum als Indikator für erfolgreiche Innovationstätigkeit berücksichtigt.
Produktinnovation
Hier wurden die gewerblichen Schutzrechte eines Unternehmens betrachtet: Patente, Marken, Muster. Darunter fallen Innovationen im Bereich F&E, Produktion, Vertrieb und Marketing – insbesondere die Entwicklung, die Herstellung und die Vermarktung neuer Produkte sowie die Diversifizierung von Produkten.
Innovationskultur
Hierzu zählen vorrangig eine Unternehmenskultur, die Kreativität und Unternehmergeist fördert, sowie die Schaffung von Innovationsfreiräumen. Zudem Massnahmen zur Erhöhung der Sicherheit am Arbeitsplatz und das Gesundheitsmanagement.
Vorgehen
Für das Ranking wurden insgesamt 8900 Personen befragt. Teilgenommen haben Schweizer Arbeitnehmende sowie Experten und Expertinnen im Bereich Innovationen.
Im Bereich der Produktinnovation wurden die angemeldeten Patente und Marken der jeweiligen Firmen berücksichtigt. Daten zur Anzahl der in der Schweiz angemeldeten Patente und ihrer Technologierelevanz wurden von unserem Kooperationspartner PatentSight zur Verfügung gestellt. Für die Erstellung des Rankings wurde der auf der Analyseplattform LexisNexis veröffentlichte Patent Asset Index berücksichtigt, der die Gesamtstärke des Patentportfolios von Unternehmen misst.
Scoring und Erstellung der Listen
Basierend auf den Ergebnissen der Befragungen und den objektiven Kriterien wurde für jeden Innovationsbereich ein Score ermittelt. Diese Scores gingen dann zu gleichen Teilen in einen Gesamtscore ein. Die Unternehmen mit den besten Scores in ihrer Kategorie (SMI-Unternehmen, Schweizer Töchter von internationalen Unternehmen, andere Schweizer Unternehmen) wurden in die Toplisten aufgenommen.
Die Bewertung der Unternehmen erfolgte branchenübergreifend. Die Branchenzuordnung erfolgte im Anschluss an die Analyse.
BILANZ-Partner Statista R
Das Unternehmen ist weltweit führend bei der Erstellung von Unternehmens-, Marken- und Produktrankings und Top-Listen, die auf umfassender Marktforschung und Datenanalyse basieren: Statista R zeichnet die Besten ihres Fachs aus. Mit einem Expertenteam von über 100 Analysten und Partnerschaften mit mehr als 40 Premium-Medienmarken auf allen Kontinenten schafft Statista R Transparenz für Verbraucher und Unternehmensentscheider und unterstützt die ausgezeichneten Unternehmen in einer Vielzahl von Branchen und Produktkategorien so, Vertrauen und Ansehen aufzubauen. Weitere Informationen über Statista R und unsere Rankings finden Sie auf r.statista.com.