Der Bitcoin-Kurs zieht ungebremst an. Plus 20 Prozent in wenigen Tagen. Ein Bitcoin kostet jetzt nach Neujahr über 1000 Dollar. Der wichtigste Grund für den nun seit einem guten Jahr anhaltenden Aufwärtstrend ist ein überall einsetzender Wechsel in der Wahrnehmung von Bitcoin: Die Internetwährung galt lange und zu recht als hochriskante Währung.
Jetzt wird sie zunehmend als «sicherer Hafen» benutzt, als Wertaufbewahrungsmittel, als Alternative zu Landeswährungen vor allem in China, wo der Yuan dauernd abwertet. Oder in Russland, wo nicht alle dem Rubel und dem Regime trauen. Oder in Venezuela mit seiner Hyperinflation. Oder in Indien, wo die wertvollsten Banknoten von der Regierung als ungültig erklärt wurden. Bitcoins Eigenschaften üben in dieser Situation offensichtlich eine beträchtliche Anziehungskraft aus: global, unzensierbar und mit fix einprogrammierter Geldpolitik.
Doch Bitcoin weist weiterhin beträchtliche Risiken auf. Acht kritische Punkte:
1. Verbot, zum Beispiel aus China
Bitcoin kann man nicht verhindern. Aber Regierungen können die Währung kriminalisieren. Jedes Land kann Gesetze erlassen, die den Besitz oder den Handel in Kryptowährungen verbietet oder einschränkt. Angesichts der zunehmenden Kapitalflucht ist eine repressive Regulierung zum Beispiel in China durchaus denkbar. Mehr noch: Die grössten Serverfarmen, die das Bitcoin-Netzwerk unterstützen und sicher machen, stehen in China. Ein plötzlicher Ausfall derselben würde die Verarbeitung von Bitcoin-Transaktionen über Wochen verlangsamen. Bitcoin ist extrem widerstandsfähig und würde darob nicht zugrunde gehen. Aber die Turbulenzen wären enorm.
2. Höhere Volatilität
Bisherige Investoren in Bitcoin sind meistens risikofreudig und risikofähig. Sie haben einen Langzeithorizont und können auch saftige Korrekturen beim Preis aussitzen. Allerdings: Je populärer Bitcoin wird, desto mehr Leute werden die neue Internetwährung kaufen, die sich grössere Verluste nicht leisten können oder wollen. Das dürfte dann der Fall sein, wenn begonnen wird, Vorsorge-Gelder in Bitcoin anzulegen. Der Trend geht eindeutig in diese Richtung. In den USA gibt es bereits erste derartige Finanzinstrumente, ein ETF wartet zudem auf Zulassung. Solange der Preis steigt, ist das natürlich kein Problem. Aber bei einem gröberen Kurssturz werden solche Anleger aussteigen müssen. Das wiederum verstärkt Korrekturen. Die Volatilität steigt.
3. Unreif für die Masse
So revolutionär öffentliche Blockchains wie jene von Bitcoin sind, so ungeeignet sind sie für den Massengebrauch. Zumindest heute. Maximal können heutzutage rund 300 000 Bitcoin-Transaktionen pro Tag stattfinden. Das ist nichts. Bereits heute wird dieses Limit erreicht. Derzeit wird an Lösungen zur Kapazitätserhöhung gearbeitet, doch ob sie taugen und auch akzeptiert werden, ist ungewiss. So sind etwa Payment Channels am Entstehen. Sie brächten eine gigantische Kapazitätssteigerung. Allerdings wird dabei eine Bitcoin-Überweisung nicht mehr automatisch auf der Blockchain unveränderbar verewigt. Stattdessen tauschen die beteiligten Parteien so etwas wie Bitcoin-Checques aus. Die sind zwar fälschungssicher und können auch eingelöst, also als Transaktion auf der Blockchain festgeschrieben werden. Aber das alles verkompliziert Bitcoin. Einen Teil seiner Anziehungskraft verdankt Bitcoin seiner bisherigen schlichten Architektur. Kurz: Eine verlässliche, einfache und akzeptierte Skalierungslösung steht noch aus. Das kann problematisch werden, sollten plötzlich im Boom deutlich mehr Leute Bitcoin brauchen wollen.
4. Zentralisierung
Die Leute messen Bitcoin Wert zu, weil sie an die Zensurresistenz von Bitcoin glauben. Zu Recht. Nur ist Zensurresistenz nicht per se in Stein gemeisselt. Schon heute befinden sich eben die meisten Serverfarmen, welche die Transaktionen in der Blockchain festschreiben und das Netzwerk sichern, in China. Damit haben es staatliche Behörden zumindest theoretisch in der Hand, diese Akteure unter Druck zu setzen. Auch sonst stellt die Oligopol-Bildung eine Gefährdung des ursprünglich dezentralen Charakters von Bitcoin dar. Die Chef-Programmierer von Bitcoin könnten zwar den Code ändern, um bestehende Oligopole quasi ins Leere laufen zu lassen. Aber das würde die Bitcoin-Welt massiv erschüttern.
5. Spam-Attacken
Rasche Bitcoin-Überweisungen sind schon heute nicht mehr gratis. Das Netzwerk verarbeitet jene prioritär, die mit einer freiwilligen Gebühr versehen sind. Je höher die Gebühr, desto rascher wird die Transaktion in die Blockchain integriert. Ein böswilliger Akteur könnte nun das Netzwerk mit Millionen von Transaktionen fluten. Bezahlt er die entsprechenden Gebühren, so würden seine Transaktionen automatisch prioritär behandelt. Das kostet ihn zwar schnell einmal einige Millionen Dollar. Aber dies sind kleine Beträge zum Beispiel für staatliche Akteure oder Spekulanten, die auf sinkende Kurse setzen. Zumindest der temporäre Schaden solcher Attacken wäre beträchtlich, denn Transaktionen der regulären Nutzer würden über Tage, wenn nicht länger, liegenbleiben. Das wiederum würde das Image von Bitcoin als zuverlässiger Bezahlplattform empfindlich ankratzen.
6. Fehlende Benutzerfreundlichkeit
Bitcoin ist vom Handling her weit davon entfernt, narrensicher für Laien zu sein. Schwierig ist vor allem der Umgang mit den sogenannten Private Keys, welche einem die Kontrolle über die eigenen Bitcoins geben. Apps verwalten zwar diese Schlüssel (lange Passwörter) zunehmend benutzerfreundlich. Doch trivial ist das alles im Alltag trotzdem noch nicht. Verlust oder Diebstahl dieser Keys führt irreversibel zum Verlust der Bitcoins. Je mehr Laien-Investoren nun im Boom einsteigen, desto mehr werden sich Klagen und Meldungen über individuelle Desaster häufen.
7. Gefahr von Programmierfehler
Bitcoin ist auch Software. Und diese erhält ab und zu von den Chefentwicklern ein Update. Das geschieht zwar alles in grosser Transparenz und mit Bedacht. Aber der Programmcode ist zum Teil komplex. Und nie kann man ausschliessen, dass bei einem Update einmal etwas schief läuft. Solches führte unweigerlich zum Kurssturz. Würden Vertrauensverlust und sinkender Preis sich gegenseitig verstärken und in einer Negativspirale münden, dann stiegen zahlreiche sogenannte Miner aus, die das Netzwerk sichern. Ihre Arbeit würde sich für sie nicht mehr lohnen, weil sie in Bitcoin entschädigt werden. Damit würde das Bitcoin-Netzwerk angreifbarer und in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt. (Klauen könnte man die Bitcoins deswegen trotzdem nicht.)
8. Konkurrenz
Heute ist Bitcoin aus guten Gründen die unangefochtene Nummer 1 der neuen digitalen Währungen. Das muss nicht immer so bleiben. Geschäftsbanken und Zentralbanken tüfteln an eigenen Coins. Und auch in der Krypto-Welt entstehen fortlaufend neue Projekte. Ether, die Währung des Weltcomputer-Projekts Ethereum, kämpft zwar aktuell mit Problemen. Was in fünf Jahren ist, weiss niemand. Bitcoin hat einen enormen Vorsprung in Sachen Bekanntheitsgrad, und der Netzwerk-Effekt spricht für die Währung. Trotzdem gilt: Bitcoin hat nur Wert, so lange die Leute einen Wert darin sehen und eine Nachfrage danach besteht.
Edit: Kurs aktualisiert.