Eine Banklizenz kostet um die 10 Millionen Franken. Zu teuer für viele Startups, die im Fintech-Bereich entstehen. Wer also mobile Zahlungsdienste oder Social-Trading-Plattformen anbieten will, steht in der Schweiz bisher schnell vor hohen Hürden. Auf Druck der Branche soll sich das jetzt ändern: Der Bundesrat hat am Mittwoch drei Eckpunkte umrissen, die bessere Bedingungen für Fintechs schaffen sollen.

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Kurz zusammengefasst, sähe die schöne neue Welt so aus: Unternehmen dürften Kundengelder, die rein der Abwicklung dienen, länger auf ihren Konten liegen lassen. Nämlich 60 Tage statt wie bisher sieben. Das würde vor allem Crowdfunding-Firmen helfen.

Gelder von unbeschränkt vielen Kunden

Zum zweiten dürften Anbieter künftig Gelder von unbeschränkt vielen Kunden annehmen, statt wie bisher von maximal 20. Das wäre erlaubt bis zu einem Gesamtwert von 1 Million Franken. Eine Banklizenz würde nicht nötig, die Unternehmen müssten ihre Kunden aber aufklären, dass sie nicht von der Finma beaufsichtigt werden.

Drittens soll eine neue Fintech-Lizenz für Unternehmen vergeben werden, die zwar Gelder entgegennehmen, aber anders als Banken zum Beispiel keine Kredit vergeben. Die Publikumseinlagen dürfen dabei maximal 100 Millionen Franken betragen. Ein Einlegerschutz wie im klassischen Bankgeschäft bestünde nicht.

«Kosten dürften sich erheblich reduzieren»

Fintech-Experte Christian Dreyer begrüsst den Vorstoss des Bundesrates – im Interview erklärt er,  warum er ihm nicht weitgenug geht:

Als grösste Hürde für Fintechs wurde bisher die teure Bankenlizenz genannt. Jetzt will der Bundesrat eine spezielle Fintech-Lizenz einführen. Wie viel günstiger wird es dadurch, ein Fintech zu gründen?
Christian Dreyer*: Erwarten Sie als Antwort einen Betrag in Franken? (lacht)

Gerne...
Ohne den konkreten Verordnungstext vorliegen zu haben, ist das schwierig zu beziffern. Und dieser muss ja erst noch entstehen. Zwei von drei Vorschlägen des Bundesrates dürften jedoch dafür sorgen, dass Gründung und Betrieb erheblich günstiger werden: Zum einen durch den grösseren Freiraum der Finma, wann eine Bewilligung überhaupt notwendig ist. Zum zweiten durch die neue, gesonderte Fintech-Lizenz an sich. Denn eine Bankenlizenz bedeutet enormen administrativen Aufwand – zum Beispiel durch die gesonderte bankenrechtliche Revision. Dieser dürfte sich erheblich reduzieren.

Nach Vorstellung des Bunderates ist künftig kein Einlegerschutz mehr bei Fintechs vorgesehen. Steigt also das Risiko für die Kunden?
Ja, das ist sicher so. Und das muss natürlich auch entsprechend kommuniziert werden. Das ist ja auch Bestandteil der angedachten Regelung: Dass Fintech-Unternehmen verpflichtet sind, darauf hinzuweisen, dass Kunden nicht vom banküblichen Einlegerschutz profitieren können. Jedoch bestehen bei Fintechs eben auch keine der klassischen Bankrisiken.

Besteht da nicht die Gefahr, dass der Kunde Risiken eingeht, die er nicht kennt? Für klassische Banken gelten seit der Pleite von Lehman Brothers 2007 strengere Vorgaben, was die Aufklärung der Kunden anbelangt. Können Fintechs die gleiche Sicherheit gewährleisten?
Die Kundenbeziehung zur klassischen Bank ist eine qualitativ andere als bei Fintechs, wo ich es zum Beispiel mit einem Roboadviser zu tun habe. Das kann auch Vorteile haben. Wenn Sie zu einer Bank gehen, sprechen Sie mit einem Menschen und sind in ein Verkaufsgespräch verwickelt, auch wenn das unter Beratung läuft. Der Berater wird versuchen, Ihnen noch das eine oder andere Zusatzprodukt schmackhaft zu machen. Im Fintech-Bereich sind die Produkte üblicherweise viel spezifischer. Wir gehen grundsätzlich ohnehin vom aufgeklärten Kunden aus. Die Tatsache, dass Sie es nicht mit einem Menschen zu tun haben, erhöht ihre Entscheidungssouveränität.

«Gegenüber einem Computer ist es leichter, Nein zu sagen.»

Der Kunde kann einem Algorithmus gegenüber also bessere Entscheidungen treffen, sagen Sie.
Ja, in dem Sinne, dass Sie nicht der Drucksituation ausgeliefert sind, mit der viele Kunden nicht gut umgehen können. Wenn Sie Ihren Bankberater mehr als eine halbe Stunde in Anspruch genommen haben, wächst der Druck, etwas zu unterschreiben. Bei einem Computer ist es leichter, ein Fenster zuzuklicken, als einem Berater gegenüber Nein zu sagen.

Dann wird mit dem Vorstoss des Bundesrates alles besser?
Die drei Säulen, die der Bundesrat vorsieht, gehen in die richtige Richtung. Wie wir allerdings auch früher schon gesagt haben, reichen sie nicht aus, um das regulatorische Rahmenwerk sicherzustellen.

Was ist Ihr Kritikpunkt?
Soweit wir bisher sehen können, wird es auch in Zukunft nicht Teil des gesetzlichen Auftrages der Finma sein, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes zu unterstützen.

Was stört Sie daran?
Anders als die Aufsichtsbehörde FCA in Grossbritannien zum Beispiel muss die Finma bei ihren Regulierungsentscheiden nicht beachten, welche Auswirkungen ihre Vorgaben auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Bankenplatzes haben. Das wäre wichtig.

«Finma zieht sich aus einem Bereich zurück, in dem sie viel lernen könnte.»

Weitere Kritikpunkte?
Nicht alles lässt sich jetzt schon beurteilen. Der Stossrichtung ist sicher richtig, es wird aber entscheidend sein, wie zum Schluss die genauen Formulierungen ausfallen. Schade ist, dass die Finma sich mit der Idee des sogenannten «Sandkastens» aus einem Bereich völlig zurückzieht, in dem viel ausprobiert wird.

Die Idee ist, dass Anbieter bis zu einer Grenze von 1 Million Franken von unbeschränkt vielen Einlegern Geld annehmen darf, ohne dass die Finma eine Bewilligung geben muss.
Genau, und durch diese Schwelle verliert die Finma viele Möglichkeiten, Geschäftsmodelle im Kleinen verstehen zu lernen. Das wäre wichtig, denn haben die Fintechs Erfolg und wachsen über den Schwellenwert, wenden sich die Fintech-Unternehmen ohnehin an die Finma, die dann den richtigen Umgang mit ihnen kennen muss. Ferner besteht eine weitere Chancenungleichheit für Fintechs, die ihren Sitz in der Schweiz haben.

Welche?
Anders als weltweit üblich, richtet sich die Schweizer Aufsicht nicht nach dem Standort des Kunden. Das hat zur Folge, dass jedes Fintech der Welt den Schweizer Markt beackern kann, solange es keine physische lokale Präsenz hat. Wenn Schweizer Fintechs in anderen Märkten aktiv werden wollen, müssen sie sich aber an die dortigen Regeln halten. Hier wurde klar eine Gelegenheit verpasst, einen alten Zopf abzuschneiden und gleich lange Spiesse herzustellen.

Fintechs geniessen also neue Freiheiten, wenn der Vorstoss umgesetzt wird. Welche Risiken birgt das?
Das wird interessant. Die Kernfrage ist: Wie grenzen Sie eine Fintech-Lizenz ab von der konventionellen Banklizenz

Der Vorstoss des Bundesrates lässt diesen Punkt noch offen. Was wäre Ihr Vorschlag?
Der wichtigste Punkt in der Unterscheidung ist, ob ein Unternehmen wirkliche Bankenrisiken eingeht. Die klassischen Bankrisiken sind solche, die Fristentransformationen beinhalten ...

Das heisst, dass ein Unternehmen mit Kundengeldern verdient, zum Beispiel, indem die Bank sie anderweitig einsetzt... Das klassische Bankengeschäft, genau.

Lässt sich denn so einfach sagen, dass ein Fintech kein klassisches Bankengeschäft betreibt?
Hier ist die konkrete Ausformulierung der späteren Vorgabe wichtig. Wer entscheidet zum Beispiel, ob ein Fintech diese Fristentransformation vornimmt? Und wer achtet darauf, dass dies nicht der Fall ist, auch nicht über die Marge, am Rande?

«Es stellt sich die Frage, ob man nicht die Kontrollprozeduren zum Schutz vor Geldwäscherei vereinfachen könnte.»

Nicht in allen Bereichen werden die regulatorischen Hürden gesenkt. Fintechs sollen zum Beispiel weiter verantwortlich sein, zu kontrollieren, ob Kundengelder aus Geldwäsche stammen. Ist das realistisch?
Wo effektiv viel mit Geld umgegangen wird, müssen die Geldwäschegesetze beachtet werden. Unabhängig davon, wie die Unternehmungen institutionell aufgestellt sind. Das  ist heute schon so und soll auch in Zukunft so bleiben.

Aber ist das nicht wieder mit hohem Aufwand für Fintechs verbunden?
Natürlich stellt sich die Frage, ob man nicht die Kontrollprozeduren zum Schutz vor Geldwäscherei vereinfachen könnte. Zum Beispiel, wenn es um Gelder geht, bei denen eine Bank bereits geprüft und festgestellt hat, dass sie sauber sind. Eine Möglichkeit wäre hier, diesen Status «weiterzuvererben», so dass keine zweite Prüfung bei Fintechs nötig würde.

Sehen Sie Fintech als Technologie für die Masse?
Das kann man vielleicht in Analogie dazu beantworten, wie das Online-Banking vor zehn Jahren beurteilt wurde. Damals war es ein Nischengeschäft, aber das hat sich schnell geändert. Ich erwarte ähnliches für Fintech.

«Banken können sich die Fehlerquote der Fintech-Startuos nicht erlauben.»

Und welche Rolle bleibt den klassischen Banken?
Das ist die 64-Milliarden-Dollar-Frage. Denn hier geht es darum, wie die klassischen Banken mit Innovation umgehen, mit Digitalisierung für ihr Kerngeschäft. Meine Hypothese ist, entgegen dem Konsens, dass diese Institutionen kaum fähig sind, Innovation zu betreiben. Allein vom Geschäftsmodell  und von der Fehlerkultur in der Branche her. Nur ein kleiner Teil von Startups überlebt die Anfangsphase, ein noch kleinerer ist wirklich erfolgreich. Eine solche Ausfallquote könnten sich etablierte Banken nicht leisten. Wenn bei ihnen ein Projektveranwortlicher eine solch geringe Erfolgsquote aufwiese, der würde sofort seinen Job verlieren.

Das heisst, die neuen Rahmenbedingungen verbessern vor allem die Ausgangssituation für Fintech-Startups, die ihre Ideen leichter in die Praxis umsetzen können.
Das ist bestimmt so. Aber Sie haben mittelbare Wirkung auf den gesamten Bankenplatz, da sich die etablierten Spieler nach Partnerschaften und Übernahmemöglichkeiten umsehen. Insofern kommen die neuen Bestimmungen allen zugute.

*Christian Dreyer CFA zeichnet als Vorstandsmitglied der Swiss Finance + Technology Association (SFTA) verantwortlich für Advocacy / Regulatory affairs. Er ist Geschäftsführer der CFA Society Switzerland.

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