Das südkoreanische Songdo ist das Vorzeigeprojekt in Sachen Smart City. Der Stadtteil der Millionenstadt Incheon im Grossraum Seoul setzt den weltweiten Standard, was digitale Vernetzung und computergesteuertes Ressourcenmanagement betrifft.

Doch was einige Techkonzerne als «Stadt der Zukunft» anpreisen, ist für andere Leute ein Horrorszenario. Jeder Schritt der Bewohner wird überwacht, überall sind Kameras. Bis in die eigenen Wohnungen sind die Menschen in eine kontinuierliche Datenerhebung eingebunden, dank welchen die Abläufe ressourcenschonender und effizienter gestaltet werden sollen.

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Planstadt ohne Leben

In Songdo passen sich so zwar Lichtsignale und Strassenbeleuchtung dem Verkehrsaufkommen an und fast alle Erledigungen des Alltags können vom heimischen Sofa aus getätigt werden. Die Kehrseite: Der Planstadt fehlt jegliches Leben. Nur wenige Autos bevölkern die breiten Strassen und von den typischen Märkten und Streetfood-Ständen fehlt jede Spur.

Auch Schweizer Städte setzen zunehmend auf Vernetzung und effizienten Ressourceneinsatz. Als werdende Smart Cities verstehen sich unter anderem Zürich, Basel und Genf. Eine Unterordnung des Menschen unter die Technologie wie in Songdo sei dabei aber sicher nicht geplant, sagt Benjamin Szemkus, Programmleiter von Smart City Schweiz.

Energieeffizienz und Ressourcenschonung

Eine Smart City müsse in erster Linie die Wünsche der Bewohner berücksichtigen, so Szemkus. «Für uns ist totale Vernetzung und totale Kontrolle keine Smart City.» Denn das Ziel sei nicht nur der effiziente Ressourceneinsatz, sondern auch die Lebensqualität der Stadtbewohner.

Wegen des politischen Systems mit weitreichenden Mitspracherechten für Bürger wären solche Top-Down-Ansätze in der Schweiz auch kaum erfolgreich, ist Szemkus überzeugt. Die Smart-City-Projekte hierzulande sind deshalb vor allem auf das Thema Energie fokussiert und eng mit dem Konzept der sogenannten «Energiestadt» verbunden.

Dieses Label des Bundesamtes für Energie bezeichnet Gemeinden, die eine nachhaltige Energiepolitik umsetzen. Eine Smart City ist in diesem Zusammenhang als Weiterentwicklung gedacht, bei dem die Situation bezüglich Effizienz und Ressourcenschonung mit Hilfe von technologischer Vernetzung verbessert werden soll.

Daten als wertvoller Rohstoff

Wie das konkret aussehen soll, lässt sich beispielsweise in Winterthur erahnen. Smart City Winterthur wurde 2013 von verschiedenen Institutionen als gemeinsame Initiative lanciert, um einen Beitrag zu den 2000-Watt-Zielen der Stadt zu leisten. Zu den Projekten gehören etwa die energetische Optimierung des Rechenzentrums der Stadt oder die gebäudespezifische Energiedatenbank in Winterthur-Wülflingen, die auf die ganze Stadt ausgedehnt werden könnte.

Auch in Winterthur seien Daten für die Realisierung einer Smart City ein zentraler Baustoff, sagt Christoph Zech, Hauptabteilungsleiter Projects und Digital Transformation der Stadt. «Die Menge der Daten wird durch die zunehmende Digitalisierung und die damit verbundene Vernetzung von intelligenten Gegenständen und Sensoren exponentiell wachsen.»

Dennoch: «Der Datenschutz und die Datensicherheit müssen jederzeit gewährleistet werden können», so Zech. «Allerdings müssen Verwaltungen lernen, sich im Zusammenhang mit nicht schützenswerten Daten zu öffnen.» Dieser Rohstoff müsse der Öffentlichkeit in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden. Nur so könnten neue Lösungen auch durch Dritte entstehen.

Entscheidend sei die Transparenz, meint Zech. Es müsse bekannt sein, welche Informationen welchen Akteuren zur Nutzung zur Verfügung stehen. «Im Idealfall kann dies die einzelne Person selber bestimmen.»

«Sehr viel weiter als wir selber glauben»

Szemkus von Smart City Schweiz ist sich sicher: «Wir sind in der Schweiz in den Städten auch dank dem weit verbreiteten Energiemanagement-System Energiestadt sehr viel weiter, als wir oft selber glauben.» Tatsächlich haben seit 1991 rund 400 Städte und Gemeinden das Energiestadt-Label erhalten. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt in einer solchen Ortschaft.

Was im internationalen Vergleich noch fehle, seien die aussergewöhnlichen Vorzeigeprojekte, sagt Szemkus. Mit Blick auf die an George Orwells «1984» erinnernden Beispiele aus Asien ist das vielleicht auch gut so.

Smarte Überwachung in China

In China boomen inzwischen sogenannte Safe-City-Programme, in denen Städte digitalisiert und Kontrollmechanismen wie zum Beispiel die Auswertung von Überwachungsvideos zentralisiert werden. Die Behörden wollen so potenzielle Gefahren und Unruheherde schnell erkennen und entsprechend neutralisieren können.

Das langfristige Ziel der Regierung: Bis 2020 soll jeder Bürger einen «social credit» erhalten, der die Glaubwürdigkeit und das Sozialverhalten klassifiziert. Dieser soll helfen, die Stabilität und Sicherheit der Regierung auch im digitalen Zeitalter langfristig zu sichern. Auf der Strecke bleibt dabei die Privatsphäre.