Die Zentralbank der USA hat die Verkürzung ihrer Bilanz eingeleitet. Sie lässt fällig werdende Schuldtitel auslaufen und ersetzt sie nicht durch neue Ankäufe. In Japan verhält sich die Zentralbank ebenfalls zögerlicher und konzentriert sich darauf, die Zinskurve etwas steiler zu gestalten. Auf der anderen Seite liess die Europäische Zentralbank (EZB) verlauten, dass sie ihre Ankaufspolitik bis mindestens September 2018 fortsetzen und ihre Bilanz somit weiter verlängern wird.
Seit fast zehn Jahren hängen die Finanzmärkte an einem scheinbar unerschöpflichen Tropf. Nun aber soll dieser allmählich abgehängt werden. Dies löst Ängste aus. Daher wird jeder Schritt dieser drei grossen Zentralbanken sowie der Schweizerischen Nationalbank (SNB) mit Argusaugen beobachtet. Im Vergleich dazu scheint die Geldpolitik der People's Bank of China (PBOC) die Gemüter weit weniger zu bewegen. Und doch dürfte der PBOC in den nächsten Jahren eine Schlüsselrolle bezüglich der weltweit zur Verfügung stehenden Liquidität zukommen.
Welche Geldpolitik verfolgt China eigentlich?
Dies bereitet vielen Analysten zunehmend Kopfschmerzen. Der Grund: Bei ihren Recherchen sind sie auf vergleichbare Daten und Informationen angewiesen. Aber anders als die westlichen Zentralbanken, arbeitet die PBOC nicht mit vorauslaufenden Indikatoren. Nur, ohne vorauslaufende Indikatoren lassen sich kaum Annahmen zur chinesischen Geldpolitik und somit zur zukünftigen Entwicklung der weltweiten Liquidität treffen.
Grundsätzlich stützt sich die Geldpolitik auf die folgenden Parameter: Leitzinsen; Wechselkurs (je nach verfolgter Politik); makroprudenzielle Regeln sowie die Bilanz der jeweiligen Zentralbank. In China ergibt sich ein gemischtes Bild. China hat den Leitzins auf Depoteinlagen von 3,5 Prozent im Jahre 2011 auf 1,5 Prozent gesenkt. Auf der Währungsseite scheint die PBOC eine Stabilitätsorientierte Steuerung der Geldmenge zu verfolgen. Seit seinem Höchststand 2016 hat sich der Renminbi um fast 10 Prozent abgewertet, was einer Lockerung der Geldpolitik entspricht. Seit Mai dieses Jahres ist der Kurs allerdings um rund 3 Prozent gestiegen - seit 2011 sind es insgesamt rund 22 Prozent, was auf eine deutlich straffere Geldpolitik hinweist.
Möglicherweise wollte die PBOC diese Entwicklung bremsen, als sie die von den Grossbanken geforderten Zentralbankreserven deutlich senkte: Im Jahr 2011 beliefen sich die Anforderungen auf stolze 21,5 Prozent, inzwischen sind es noch 17 Prozent. Aufgrund dieser Indizien können wir den Schluss ziehen, dass die PBOC eine eher lockere Geldpolitik betreibt.
Bei der Steuerung ihrer Bilanz verzichtet die chinesische Zentralbank auf quantitative Lockerungen westlichen Zuschnitts. Derzeit betragen ihre Aktiven 35 000 Milliarden Renminbi (rund 5300 Milliarden US-Dollar) und übertreffen damit die Reserven der Fed um nahezu eine Milliarde US-Dollar. Hierzu ist zu sagen, dass die Aktiven der PBOC stark vom Aussenhandel getrieben sind und deshalb einen entsprechend hohen Anteil an Devisenbeständen aufweisen – der Überschuss der chinesischen Leistungsbilanz gehört, zusammen mit Deutschland, zu den weltweit grössten. Aus diesem Grund nehmen die chinesischen Devisenreserven und somit die Guthaben der Zentralbank laufend zu. Dies im Unterschiede zu den Bilanzen der westlichen Zentralbanken, die dafür vor allem Staats- und Unternehmensanleihen halten.
China beeinflusst die Finanzmärkte stark
Ist dies nun gut oder schlecht? Wie bei vielen ähnlichen Fragen besteht kein wirtschaftswissenschaftlicher Konsens darüber, welches die «optimale» Grösse oder Gestaltung einer Zentralbankbilanz ist. Es scheint aber, also ob wir den westlichen Zentralbanken und ihren Massnahmen wesentlich mehr Aufmerksamkeit schenken als ihnen im Vergleich zu China eigentlich gebühren würde. Denn durch ihre schiere Grösse vermag die PBOC durch eine Veränderung ihrer Bilanz den weltweiten Netto-Liquiditätszufluss der Finanzmärkte zweifellos stärker zu beeinflussen als es die Fed mit ihrer angekündigten Bilanzverkürzung tun kann.
Aufgrund seiner Zusammensetzung und dem Fehlen eines Ankaufsprogrammes könnte vielleicht der Eindruck entstehen, dass auch die Bilanz der PBOC keine grosse Bedeutung hat. Dem ist aber nicht so: China ist das Land mit den grössten Beständen an US-Treasuries - im August 2017 waren dies nahezu 20 Prozent aller US-Staatsanleihen, gefolgt von Japan mit 18 Prozent. Eines ist deshalb sicher: Die optimale Zentralbankenbilanz lässt sich wissenschaftlich nicht definieren, grundsätzlich aber giltin Bezug auf China: «Big is beautiful».