Simonetta Sommaruga möchte sich, nach sechs mageren Jahren im Bundesrat, doch noch ein Denkmal setzen: die Institutionalisierung der Homo-Ehe, wie sie letzte Woche in einem Interview erklärt hat. Damit eröffnet sie eine Diskussion, die wohl im Chaos enden wird – nicht wegen dem «Homo-», sondern wegen der Ehe.
Zwar ist Sommaruga, die fern von ihrem Gatten und dessen Kindern aus erster Ehe in Bern lebt, eine Expertin für moderne und flexible Familienformen. Und ihr Austritt aus der katholischen Kirche macht sie frei, die Dinge ohne religiöse Rücksichten zu betrachten. Doch an der Institution Ehe hängt mehr, als die Politik heute regeln kann. Geschaffen wurde die Ehe zwischen Mann und Frau, um konfliktreiche Fragen um Sexualtrieb, Reproduktion, soziale Sicherung sowie Übertragung von Vermögen zu regeln. Während Jahrhunderten haben Kirchen diese höchst komplexe Kombination von Moral und Wirtschaft kontrolliert. Nun bestimmt der Staat mit seinem Familien-, Steuer-, Sozial- oder Erbrecht, was eine Ehe ist und sein soll.
Richtig funktioniert hat dies auch unter relativ stabilen gesellschaftlichen Verhältnissen nicht. Seit einigen Jahrzehnten hat sich das instabile Konstrukt nun völlig aufgelöst. Während immer mehr Kinder ausserhalb der Ehe gezeugt werden (ein Viertel in der Schweiz, über die Hälfte in andern Ländern) und wieder mehr Ehen geschieden werden (fast 40 Prozent), drängen Paare auf ihr Recht zur Ehe, die selbst keine Kinder produzieren können. Kommt dazu, dass die Schweiz unter dem Druck der Migration aus dem islamischen Raum mittlerweile auch im Ausland geschlossene Kinder- oder arrangierte Stellvertreter-Ehen anerkennt und gar die Polygamie duldet. Alles nachzulesen im Bericht des Bundesrats zur «Modernisierung des Familienrechts», Sommarugas Grundlage zur Einführung der Homo-Ehe.
Dem Befund, dass die traditionelle Ehe kein verpflichtendes Muster mehr ist zur Lebensgestaltung, ist zuzustimmen. Der Staat kann seine Normen nicht mehr durchsetzen. Doch die Idee, das Familienrecht zu modernisieren, indem auch gleichgeschlechtliche Paare ins Auslaufmodell integriert werden, ist angesichts des Wertewandels und der Pulverisierung aller Heiratsregeln lächerlich bis widersprüchlich. Konsequent wäre, alle gelebten und denkbaren Kombinationen (bis zum «ménage à plusieurs») zu offizialisieren, was aber die gesetzgeberischen Grenzen sprengt.
Was ist die Lösung? Statt immer neue Paragraphen zu erfinden, die Gemeinschaften regulieren, ist das Familienrecht abzuschaffen, die Ehe zu privatisieren. Feierlich geheiratet und gelebt werden kann nach jedem Ritus, ob christlich, islamisch oder buddhistisch. Die gegenseitigen finanziellen Verpflichtungen und Verantwortungen sowie Erbfragen können, ganz frei und ohne Staat, vertraglich geregelt werden.
Menschen sollen das Zusammenleben so organisieren, wie sie wollen: Ein Plädoyer zur Privatisierung der Ehe.
Lesezeit: 2 Minuten
Von Urs Paul Engeler
am 21.12.2016 - 12:38 Uhr
Partner-Inhalte