Wir sind mit einer traurigen Realität konfrontiert: In der Schweiz wünschen sich Paare mehr Kinder, als sie tatsächlich bekommen, Frauen möchten stärker erwerbstätig bleiben und Väter wollen mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Auf diese Herausforderungen muss die Gesellschaft Antworten finden. Auch weil die bestehenden Hürden wirtschaftlichen Schaden anrichten. Gemeinsam an einem Strick zu ziehen, dient allen. Dafür sind folgende Erkenntnisse wichtig:
Frauen büssen beruflich dafür, dass sie Kinder bekommen.
Die Mutterschaft ist in der Schweiz eine Zäsur in der beruflichen Entwicklung der Frau. Bis zum Zeitpunkt der Geburt verlaufen Bildungs- und Erwerbsbiografien von Mann und Frau identisch. Danach ändert sich das. Alle Parameter, die wir statistisch messen können, belegen: Das berufliche Fortkommen der Frau wird namentlich als Mutter erheblich erschwert. Vor allem dann, wenn sie in Teilzeit angestellt ist. Teilzeitarbeit bremst die Karriere- und Lohnentwicklung.
Familie ist keine Privatsache.
Das Argument, dass Familie Privatsache sei, wird nicht selten instrumentalisiert. Es wird dazu verwendet, um ein Familienmodell zu zementieren, nach dem der Vater erwerbstätig und die Mutter die Kinderbetreuung und Hausarbeit übernimmt. Es wird dazu verwendet, den Preis der Fürsorge- und Hausarbeit einseitig einer Personengruppe aufzuerlegen. Care-Arbeit für Kinder, Kranke und alte Menschen allerdings ist eine fundamental wichtige Leistung für unsere Gesamtgesellschaft. Ihre Bedeutung soll auch gemeinschaftlich anerkannt werden. Der Staat muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit dies sowie die tatsächliche Wahlfreiheit besteht und nicht ein bestimmtes Modell bevorzugt wird.
Die Schweiz braucht Elternzeit und Elterngeld.
Der gesetzliche Mutterschutz von 14 Wochen gewährleistet nicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Er ist eine Gesundheitsmassnahme. Im internationalen Vergleich erfüllt die Schweiz damit die absolute Minimalforderung. Kein anderes Land in Europa verzichtet auf das Angebot eines Elternurlaubs über die Zeit um die Geburt hinaus. Die Phase der intensiven Betreuung dauert Jahre, nicht nur 14 Wochen.
Elternzeit und Elterngeld sind keine weichgespülten Familienmassnahmen. Sie sind auch wirtschaftspolitisch notwendige Instrumente, um qualifizierte Fachkräfte im Arbeitsleben zu halten – unabhängig von ihrem Geschlecht oder Familienstatus. Die Wirtschaft hat ein profundes Interesse daran, die Rahmenbedingungen für Familien zu verbessern. Dazu zählt weiter die Bereitstellung von ausreichend Krippenplätzen, die bezahlbar sind.
Wichtig ist die Integration der Väter.
In Schweden und Norwegen mit gleichberechtigter Elternzeit hat es zum Beispiel keinen Einfluss auf die Erwerbsbiografie von Frauen, wenn sie Kinder bekommen. In der Schweiz pflegt man eine Politik der kleinen Schritte. Es hat in den letzten Jahren zwar wichtige Debatten gegeben, zum Beispiel um den Vaterschaftsurlaub. Bewegt hat sich noch nicht genug. Die ökonomische Bedeutung und die Risiken der Leistungen von und in Familien wird noch zu wenig ernst genommen.