Vor zwei Jahren galt Tony Fadell als der grosse Hoffnungsträger der Immobilienbranche. Grosskonzerne buhlten um das Startup des Senkrechtstarters aus dem Silicon Valley. Dabei hatte der Computeringenieur von Zement, Statik oder Verkabelung eigentlich so gar keine Ahnung: Fadell war mit der Entwicklung von Apples iPod bekannt geworden. Am Ende erhielt Google den Zuschlag: Dem Softwaregiganten war die Jungfirma Nest, die selbst lernende Heizungsregler und Rauchmelder produziert, sage und schreibe 3,2 Milliarden Dollar wert.
Das zeigt: Die Aufregung in der Immobilienbranche um das Buzzword «smart home» ist gross. Die Digitalisierung hat schon so manches Geschäftsmodell auf den Kopf gestellt. Musikbranche und Verlagsgeschäft sind nur zwei Beispiele. Nun sind Wohn- und Bauwirtschaft an der Reihe.
Haustechnik und Internet
Google ist nicht der einzige Konzern, der an der Zukunft arbeitet. Der Elektronikhersteller Samsung hat Hunderte Millionen Dollar in Unternehmen gesteckt, die an der Verknüpfung von Haustechnik mit dem Internet arbeiten. Einen anderen Weg geht der Online-Händler Amazon: Über im Haus installierte Bestell-Buttons können Konsumenten in den USA schon heute auf Knopfdruck Hygieneprodukte oder Waschmittel nachbestellen.
Der Plan der digitalen Vorreiter: Alles, was vernetzt werden kann, wird vernetzt. Dann meldet das Türschloss, wer gerade nach Hause gekommen ist, der Wasserkocher in der Küche läuft automatisch an und die Heizung reguliert die Raumtemperatur. Das intelligente System arbeitet auch nachts: Schon heute erfassen Wecker Schlafrhythmus und Herzfrequenz.
Villen aus dem 3D-Drucker
Auch die Baubranche steht vor dem Umbruch: In der chinesischen Stadt Suzhou stehen bereits zweistöckige Villen, die aus dem 3D-Drucker hervorgegangen sind – sie wurden angeblich innert nur zwei Tagen erbaut. Mithilfe intelligenter Nanotechnologie soll sich die Wandfarbe in unseren Zimmern in Zukunft per Knopfdruck wechseln lassen.
Das Thema gewinnt auch in der Schweiz an Bedeutung, zeigt eine repräsentative Umfrage des Gottlieb Duttweiler Institut unter 400 Architekten, Ingenieuren, Elektroplanern, Immobilienhändlern und Gebäudetechnikern. Jeder Zweite hält es für wahrscheinlich, dass in zehn Jahren alle Neubauten über eine vollautomatisierte Infrastruktur für intelligentes Wohnen verfügen.
Doch noch klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Die Nachfrage der Kunden in der Schweiz ist gering. Als grösste Hürden gelten hohe Preise und die Störungsanfälligkeit der Systeme. Und dass in zehn Jahren 3D-Drucker schon Häuser bauen und Roboter im Haushalt mitarbeiten, glauben die hiesigen Experten nicht. Doch es wäre nicht das erste Mal, dass der Fortschritt die Menschen überrascht.
Auch für Senkrechtstarter Fadell kam das Thema zu früh. Lange gefeiert, nahmen die Vorbehalte gegen Nest rasch zu – seit Googles Kauf 2014 gelang nichts Bahnbrechendes mehr. Und Anfang Monat trat Fadell vom Chefposten bei Nest zurück.