Die britischen Wahlen im Dezember entscheiden nicht nur darüber, wie das Vereinigte Königreich weiter regiert wird. Beim Urnengang geht es vor allem darum, welche Folgen er für den Brexit haben wird. Hier sind vier Szenarien, die sich aus dem Wahlresultat ergeben könnten.
Konservative Mehrheit
Ergebnis: Die Konservative Partei von Boris Johnson kommt im Parlament auf mehr als 325 Sitze.
Wie es dazu kommt: Die Umfragen haben recht. Die Konservativen können der Labour-Party in deren traditionellen Hochburgen Stimmen abjagen. Skeptische Tory-Wähler im Süden kommen zum Schluss, dass ihre Abneigung gegen Labour-Chef Jeremy Corbyn grösser ist als gegen den Brexit.
Für den Brexit heisst das: Johnson bringt sein Abkommen mit der EU schnell im Parlament durch, möglicherweise noch vor dem Jahresende, schliesslich hat jeder Kandidat der Konservativen zugesagt, für den Deal zu stimmen. Grossbritannien verlässt die EU am 31. Januar.
Ist der Brexit damit in trockenen Tüchern? Nein. Johnson hat elf Monate Zeit, um sich mit der EU auf ein Handelsabkommen zu einigen. Auch dieser Deal muss durchs Parlament, und die Abgeordneten haben Johnson diesbezüglich noch nichts zugesagt. Ohne eine Mehrheit von über 40 Sitzen könnten Tory-Rebellen Johnson wieder in Richtung eines härteren Brexit drängen.
Wann droht der No-Deal-Brexit: 31. Dezember 2020
Alles beim Alten
Ergebnis: Die Tories gewinnen die Wahl, verfehlen aber knapp die Mehrheit.
Wie es dazu kommt: Wie seine Vorgängerin Theresa May bekommt Johnson zu spüren, dass die Labour-Hochburgen für die Tories schwer zu erobern sind. Letztlich trauen ihm die Wähler dort nicht über den Weg. In den Pro-Ausstiegs-Wahlkreisen kann er zwar zulegen, doch es nützt ihm nichts, da es in den Pro-EU-Verbleib-Wahlkreisen Verluste hagelt.
Für den Brexit heisst das: Weiteres Chaos. Johnson weigert sich, zurückzutreten. Die Oppositionsparteien können sich derweil nicht darauf einigen, wie es weitergehen soll. Im neuen Jahr droht eine Serie von Krisenabstimmungen im Unterhaus, um eine weitere Brexit-Verschiebung zu erzwingen, ein zweites Referendum abzuhalten oder sogar erneut Neuwahlen auszurufen. Indessen tickt die Uhr hin zum 31. Januar, an dem Großbritannien die EU verlassen soll.
Wann droht der No-Deal-Brexit: 31. Januar 2020
Labour in der Regierung, doch wer führt sie an?
Ergebnis: Die Konservativen kommen auf weniger als 300 Sitze, Labour verliert an Zuspruch, kommt aber dank der Unterstützung kleinerer Parteien an die Regierung. Die Scottish National Party erhält rund 50 Sitze, die Liberaldemokraten rund 30 und einige frühere Konservative schaffen es als Unabhängige ins Unterhaus.
Wie es dazu kommt: Die Konservativen schöpfen die Wählerbasis in ihren Hochburgen aus, können den anderen Parteien anderswo aber nicht genug Stimmen abjagen.
Johnson nimmt Labour in Mittelengland Stimmen ab, aber weniger als erhofft, und verliert in Schottland Sitze an die SNP. Gestützt durch einige taktisch agierende Wähler können die Liberaldemokraten im Süden gegenüber den Tories einiges an Boden gutmachen.
Für den Brexit heisst das: Eine weitere Verzögerung. Johnson ist klar geschlagen, doch wer wird neuer Premier? Die Liberaldemokraten weigern sich, Corbyn ins Amt zu verhelfen und drängen Labour, einen anderen Kandidaten aufzustellen - und treffen dabei bei vielen Labour-Abgeordneten insgeheim auf Zustimmung.
Statt friedlicher Weihnachtszeit gibt es ein Gerangel zwischen Corbyns Unterstützern und seinen Gegnern. Im Januar ist dann schliesslich eine neue Regierung im Amt, und ersucht bei der EU um neuen Brexit-Aufschub. Diesmal, um ein neues Referendum zu ermöglichen.
Wann droht der No-Deal-Brexit: 31. Januar 2020, bis die Anti-Johnson-Koalition sich auf einen Nachfolger in der Downing Street verständigt hat.
Premierminister Jeremy Corbyn
Ergebnis: Die Konservativen kommen nur noch auf 280 Sitze, und Labour gewinnt an Zustimmung und bringt ähnliche viele Abgeordnete ins Unterhaus. Corbyn sichert sich die Zustimmung der SNP, indem er den schottischen Nationalisten ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum zusichert - und wird Premierminister.
Wie es dazu kommt: Er schafft es. Corbyn legt in den Umfragen kurz vor knapp zu, überzeugt die Wähler, dass Johnson nicht zu trauen ist und die Konservativen kein anderes Interesse haben als den Brexit. Labours Versprechen höherer Staatsausgaben sichert nicht nur die Stimmen der bestehenden Parteianhänger, sondern hilft auch, neue Unterstützer zu gewinnen.
Für den Brexit heisst das: Corbyn fliegt nach Brüssel, um Grossbritannien mit einem Deal dicht am EU-Binnenmarkt zu halten. Die EU-Unterhändler ziehen ein solches Abkommen aus der Schublade, und Corbyn legt es im Juni den britischen Wählern zur Abstimmung vor - zusammen mit der Option auf einen Verbleib in der Union.
Wann droht der No-Deal-Brexit: Mit der nächsten Regierung der Konservativen.
(bloomberg/mbü)