Kaum haben sich die Irritation der US-Demokraten und -Republikaner über die Pressekonferenz von Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin einigermassen gelegt, da gibt es neue Aufregung. Nicht einmal eine Woche nach dem turbulenten Nato-Gipfel stellte Trump in einem Fox-Interview erneut die Solidarität im Bündnis infrage.

Angesprochen auf die Beistandsklausel sagte Trump, auch er frage sich, wieso die Supermacht für ein «winziges Land» wie Montenegro einstehen müsste. Dort lebten «sehr aggressive Menschen», und man gerate schnell in einen dritten Weltkrieg. Dann fügte der US-Präsident hinzu, dass er die Nato so aber nun einmal beim Amtsantritt vorgefunden habe.

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«Meine schlimmsten Befürchtungen werden wahr»

«Nicht vergessen, ich bin erst etwas mehr als anderthalb Jahre im Amt», sagte Trump - und löste genau damit neue Sorgen der internationalen Partner über seinen Kurs aus. «Meine schlimmsten Befürchtungen werden wahr», twitterte der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger. Dabei hatten die Nato-Partner eigentlich die Hoffnung gehabt, dass der US-Präsident zumindest zum westlichen Verteidigungsbündnis steht, wenn er schon einen Handelskrieg mit den engsten Partner der USA vom Zaun bricht.

Doch schon beim Gipfel in Brüssel entstand der Eindruck, dass Trump mit seiner Forderung nach nun vier Prozent Verteidigungsausgaben an der Wirtschaftsleistung nur eine Entschuldigung sucht, um doch aus der Nato auszusteigen. Denn die Allianz sei ohnehin mehr im europäischen als amerikanischen Interesse, betonte er mehrfach. Und die Bemerkung zu Montenegro rüttelt nun an den Grundfesten des Bündnisses.

Trump will für zweite Amtszeit antreten

Nach seiner Europa-Tour stellen sich europäische Regierungen nun verstärkt die Frage, welche Teile der bisherigen, über Jahrzehnte gewachsenen multilateralen Ordnung überhaupt noch sicher sind. Immerhin hat Trump mittlerweile angekündigt, 2020 für eine zweite Amtszeit antreten zu wollen - bei einer Wiederwahl könnte er also acht Jahren mächtigster Mann der Erde sein.

Aber auch jetzt könne Trump schon sehr viel kaputtmachen, warnt Josef Braml, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). «Es ist erkennbar, dass die USA nicht mehr die Rolle des wohlwollenden Hegemons spielen wollen - und dieser Trend fing übrigens schon lange vor Trump an», meint Braml, der auch Autor des Blogs «Der USA-Experte» ist.

Internationale und multilaterale Gerüst ist gefährdet

Letztlich fürchten auch EU-Diplomaten, dass das gesamte internationale und multilaterale Gerüst, wie etwa die WTO oder die Vereinten Nationen und die Nato gefährdet sind. «Schiedsrichter wie die Welthandelsorganisation WTO sind für Trump ein Auslaufmodell», sagt Braml. Aus dem Nuklearabkommen mit dem Iran und dem Pariser Klimaschutzabkommen ist Trump bereits in der ersten Phase seiner Amtszeit ausgetreten. «Der US-Präsident setzt lieber auf das Recht des Stärkeren.»

Dies zeigt sich für Braml auch im Einsatz der internationalen Leitwährung Dollar als Druckmittel: Jedes Geschäft weltweit, das von Drittstaaten untereinander in Dollar abgewickelt wird, kann vor US-Gerichten landen. Und Trump droht ausländischen Firmen ausdrücklich mit Bestrafung, sollten sie sich nicht an die US-Sanktionen gegen Iran halten.

Dahinter steckt ein komplett anderes Denken, an dem auch die Mahnungen der deutschen Bundesregierung nichts ändern, dass man gemeinsame Herausforderungen doch transatlantisch bewältigen sollte. Denn das Denken in Partnerschaft ist dem ehemaligen Immobilienhändler fremd: «Für Trump haben Staaten gar keine Freunde, sondern nur Interessen», sagt Braml. Deshalb attackiert er die EU als multilaterale und für ihn letztlich unverständliche Organisation.

Vertrauensverlust durch fehlende Verlässlichkeit

Dabei muss Trump die internationalen Organisationen gar nicht als solche zerstören, wogegen sich viele wehren würden: Es reicht die Aushöhlung der Institutionen. Bei der WTO etwa verhindert Trump die Ernennung der US-Mitglieder im Revisionsgericht für Streitfälle: Es droht also eine schleichende Lähmung der WTO. Bei der UN sind die Amerikaner zwar im UN-Sicherheitsrat aktiv: Aber sie sind etwa aus dem Menschenrechtsrat ausgetreten und weigern sich, dem UN-Migrationpakt zuzustimmen.

Noch schlimmer wiegen nach Einschätzung von Beobachtern jedoch die Abbrucharbeiten an dem, was auch Deutschlands Regierungssprecher Steffen Seibert als wichtig für die Zusammenarbeit ansieht - Vertrauen und Verlässlichkeit. Trump spielt damit, gerade für die bisherigen Partner der USA unberechenbar zu sein: Nach dem G7-Gipfel rückte er so von der gemeinsam vereinbarten Abschlusserklärung wieder ab. Einen Tag nach dem Treffen mit Russlands Präsident Putin verkehrte er Aussagen aus dem gemeinsamen Auftritt ins Gegenteil, als er behauptete, er habe ein «nicht» vergessen. «Solche Aktionen zerstören das Vertrauen in die transatlantische Banden sehr schnell», sagt ein EU-Diplomat.

(reuters/ccr)